Aus den Feuilletons

Komischer Paarlauf für den SPD-Vorsitz

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Berlin: Die Politikwissenschaftlerin Gesine Schwan (SPD) und Ralf Stegner, Vorsitzender der SPD-Fraktion im Landtag Schleswig-Holstein, geben zusammen eine Pressekonferenz zu ihrer Kandidatur für den SPD-Vorsitz.
Gesine Schwan und Ralf Stegner wollen die SPD führen - im Duo. Die Suche nach einer Doppelspitze mit dem richtigen Proporz produziere Komik, schreibt "Die Welt". © ZB
Von Adelheid Wedel · 19.08.2019
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Gesine Schwan und Ralf Stegner gehören zu den Bewerbern um den SPD-Vorsitz. Die "Welt" findet, die Festlegung der Partei auf eine Frau-Mann-Doppelspitze provoziere einen Paarlauf mit Komik. Und das von den Grünen kopierte Modell allein sei kein Erfolgsgarant.
Der Hessische Rundfunk "reformiert" seine Radiokulturwelle hr2. Was zunächst wie eine Aktion von regionaler Bedeutung aussieht, entfaltet weit größere Wirkung und wirft ernst zu nehmende Fragen auf. Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG hat sich bei Kulturschaffenden gerkundigt, was sie von der Absicht halten, dass aus dem kulturellen Vollprogramm eine Abspielstation klassischer Musik wird. Wort- und Informationsbeiträge zur Kultur entfallen oder werden ausgelagert. So der Plan. Die Empörung unter den ersten Befragten ist einhellig und groß.

Als das Radio noch Lagerfeuer der Gesellschaft war

Heinz Drügh, Professor für Literaturgeschichte und Ästhetik an der Goethe Universität Frankfurt, erinnert an eine Zeit, als das Radio noch Zentrum und Lagerfeuer der Gesellschaft war. Heute sei das Radio vom Leit- zum Begleitmedium geworden. Der Schriftsteller Bodo Kirchhoff lässt die Begründung für den angekündigten Transformationskurs "digital first" nicht gelten.
Er kontert: "Nun geht der Sender offenbar endgültig auf Kreuzfahrt, auf die Suche nach dem jungen Radiopublikum. Wenn jetzt auch noch aus der Kultur Konfetti gemacht wird, ausgestreut über die letzten Hörer oder in der Hoffnung, damit neue zu gewinnen, zeigt das nur die Torschlusspanik eines Senders, der den Glauben an die intelligenten Hörerinnen und Hörer verloren hat."
Auch der Verleger Klaus Schöffling empört sich: "Ohne Not wird eine Radiotradition gemeuchelt. Ziel ist ein rundgelutschtes Hörfunkprogramm, wie es auch in jedem Warenhausaufzug sendbar wäre." "Sorge tragen müssen wir alle", meint er, "damit uns nicht etwas genommen wird, das nicht wiederkommen wird."

Die deutsche Sprache verkommt zum Werkzeug

Neben den Informationen über Erfolge signalisiert auch der Präsident des Goethe-Instituts, Klaus-Dieter Lehmann, Sorge im Umgang mit der deutschen Sprache. Im TAGESSPIEGEL informiert er einerseits über steigende Zahlen der Deutsch Lernenden in aller Welt; gleichzeitig bezeichnet er den Stellenwert der eigenen Sprache in der Schulpolitik hierzulande als problematisch.
Wörtlich sagt er: "Derzeit wird bei uns der Deutschunterricht reduziert anstatt erweitert, die Sprache mit ihren kulturellen und literarischen Bezügen eher zum Werkzeug einer Verkehrssprache degradiert." Das sei umso bedauerlicher, denn unsere Sprache sei ohne Zweifel eine der bedeutendsten Kultursprachen. "Unser Wortschatz ist so umfassend und differenziert wie in kaum einer anderen Sprache", so Lehmann. Derzeit sprechen etwa 100 Millionen Menschen Deutsch als Muttersprache und noch einmal so viele als Fremdsprache. Aktuell lernen 15,5 Millionen Menschen auf der Welt Deutsch.

Langwieriger Anlauf zum Paarlauf

In der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG fiel mein Blick auf die Überschrift "Überarbeitet sein von dem, was man nicht getan hat". Und gleich darauf las ich in der Tageszeitung DIE WELT den Leitartikel von Thomas Schmid, mit dem er die SPD in die Gruppentherapie schickt. Etwas ungeduldig fragt er: "Wo ist der einstige Fortschrittsoptimismus geblieben?"
"Denn während die Welt von einer Krise in die andere stürzt, lässt sich die Partei viel Zeit für die Suche nach einer neuen Spitze. Offenbar reicht es den Sozialdemokraten, die Grünen zu kopieren. Mit der frühen Festlegung auf eine Frau-Mann-Doppelspitze hatten die führenden Funktionäre einen Paarlauf provoziert, der von Komik nicht frei ist. Ost/West, links/rechts, flüchtlingsfreundlich/sicherheitsbetont, intellektuell/bärbeißig, landespolitisch/bundespolitisch" Das wirke immer ausgeklügelt, zurechtgelegt, auf möglichst breite Zustimmung berechnet.
"Vieles steht heute zur Entscheidung oder zur Disposition", schreibt Thomas Schmid. "Die Existenz der EU als eines Ost-West-Bündnisses. (...) Die Frage, wie im Umgang mit der Migration Humanität und Kapazität ins Gleichgewicht gebracht werden können". "Die SPD braucht Mut", das vor allem fordert der Autor ein. "Und eine weltgeschichtliche Perspektive. Das mache die Dinge für die Partei gewiss nicht leichter." Aber: "Mit Paartanz allein ist jedenfalls nicht viel gewonnen."
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