Aus den Feuilletons

Kirchlich verordneter Verzicht zur Klimarettung

06:15 Minuten
Eine Hand zündet eine Kerze an.
Stromsparen in der Fastenzeit: Das wünschen sich die evangelische und katholische Kirche zusätzlich zum üblichen Verzicht, meldet die "Zeit". © picture alliance / dpa / Franziska Gabbert
Von Tobias Wenzel · 22.02.2020
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Nicht nur zum Verzicht auf Genussmittel, sondern auch zum Klimafasten rufen die evangelische und die katholische Kirche auf, vermeldet die "Zeit". "Stromverbrauch drosseln" und "Plastiktüten verbannen" sind nur zwei der frommen Fastenwünsche.
Um Schein und Sein ging es in den Feuilletons dieser Woche, um glauben machen und um glauben. "Wurde uns der Planet auch vom Schöpfer gegeben, so ist zumindest, da sind sich die Kirchen einig, der Klimawandel menschengemacht", schrieb Martin Eimermacher in der ZEIT (Bezahlangebot) und berichtete über den Aufruf von evangelischer und katholischer Kirche zum "Klimafasten".

Ökumenisches Fasten im Sinne des Klimas

Am 26. Februar geht es los. Allerdings wohl ohne Eimermacher, schien er doch nicht recht an diese Glaubensidee zu glauben: "Der kirchliche Rat: Verzichtet in der Fastenzeit auf hohe CO2-Emissionen! Stromverbrauch drosseln, Plastiktüten verbannen – und den Tintenstrahldrucker kann man sich ja mit Nachbarn teilen wie Jesus das Brot mit den Armen", schrieb Eimermacher.
"Interessant ist ebenso der kirchliche Vorschlag, Heizungen abzustellen – bereits Thilo Sarrazin empfahl Hartz-IV-Empfängern ja den Griff zum Pulli, sollten die Heizkosten zu hoch sein. Warm anziehen ist, sobald rechte Ideen umlackiert im Justemilieu als tauglich gelten, so oder so eine gute Idee, denn dann droht es traditionell deutsch zu werden im Kaltland."

Keine mildernden Umstände für die Rechtspopulisten

"Die Kugeln des Attentäters treffen auch mich und sie treffen uns alle. Sie treffen auch unsere Demokratie", schrieb der Schriftsteller Aras Ören über die rassistischen Morde von Hanau in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG (Bezahlangebot). Und Shermin Langhoff, die Intendantin des Berliner Maxim-Gorki-Theaters, urteilte in demselben Artikel: "Rechtsextreme Terroristen werden zu Einzeltätern mit psychischen Problemen umetikettiert."
Das mag in anderen Fällen so gewesen sein. Aber wer, wie der Täter von Hanau, an einen Geheimdienst glaubt, "der seine Gedanken lese und an die Gehirne des DFB und Donald Trumps weiterleite", wie es Claudius Seidl nun in der FRANKFUTER ALLGEMEINEN SONNTAGSZEITUNG (Printausgabe) wiedergibt, der ist dann wohl tatsächlich psychisch krank.
"Die Stimmen im Kopf eines solchen Mannes werden auch mit den besten Abhörgeräten nicht zugänglich für die Polizei. Und dass es die Stimmen zum Beispiel von Höcke oder Gauland wären, ja überhaupt die weitverbreiteten Stimmungen des populistischen Ressentiments, was der Täter da hörte: Das ist auch nur eine sehr anfechtbare Ferndiagnose", schreibt Seidl und warnt andererseits davor, auch die AfD zu "pathologisieren". Denn "weder die Rechtsterroristen, die in der vorvergangenen Woche verhaftet wurden, noch die Leute von der AfD, die das Ressentiment und den Rassismus befeuern", dürften im Gegensatz zu psychisch Kranken "auf Unzurechnungsfähigkeit plädieren."

Von der Berlinale zur Wanne-Eickelale?

"Wer genauer hinsah am frühen Donnerstagabend, als der Gang über den roten Teppich begann, dem fiel auf, dass da mehr Polizeiblau war als üblich", beschreibt Peter Körte, ebenfalls in der FAS (Bezahlangebot), wie die Morde von Hanau in die Eröffnung der Berlinale einzuwirken schienen.
"Im Kino gelesen, geweint", schrieb noch vor den Morden Elmar Krekeler, mit Kafkas Worten spielend, in der WELT (Bezahlangebot). Die hatte die hübsche Idee, ihren Literaturkritiker auf das Programmheft der Berlinale loszulassen. Krekeler empfand die Lektüre als Qual, schon den ersten Satz von Berlinale-Geschäftsführerin Mariette Rissenbeek: "Die Berlinale und Berlin sind unzertrennlich." "Das ist natürlich ausgesprochen beruhigend", kommentierte Krekeler. "Weil die Berlinale sonst umziehen und irgendwo anders neu anfangen könnte. In Wanne-Eickel beispielsweise, wo sie dann Wanne-Eickelale heißen müsste, was ja ganz blöd klingt."

Die Vergangenheit wegretuschiert

Man könnte dann ja den Namen wegretuschieren. Eine Methode, die gerade in Polen angewandt wurde, wie Gerhard Gnauck in der FAZ (Bezahlangebot) berichtete. Die Regierungspartei PiS versucht, Museen des Landes auf Linie zu bringen, darunter das Museum des Zweiten Weltkriegs in Danzig. Dessen Gründungsdirektor Paweł Machcewicz wurde 2017 abgesetzt. Die Ausrichtung als "Anti-Kriegs-Museum" missfiel der Regierungspartei. Jetzt wird im Museum stärker die angebliche "Tapferkeit" der Polen betont. "Wer heute die Website des Museums aufruft", schrieb Gnauck, "muss feststellen, dass in der polnischen Version prominente Teilnehmer der Grundsteinlegung, der damalige liberale Ministerpräsident und gebürtige Danziger Donald Tusk und Gründungsdirektor Machcewicz, wegretuschiert wurden." Der Schein wird also als Sein verkauft.
Ist der Tod Sein oder Schein? Die Frage stellte sich in den Nachrufen auf den Dichter Ror Wolf. Michael Lentz zitierte seinen Kollegen in der FAZ so: "Der Tod ist mir verhältnismäßig gleichgültig, ich glaube nicht an den Tod, jedenfalls nicht an einen mich betreffenden Tod." Das meinte Wolf allerdings wohl im Sinne Epikurs, der gesagt hat: "Der Tod betrifft uns nicht. Denn solange wir da sind, ist der Tod nicht da, wenn aber der Tod da ist, dann sind wir nicht da."
"Nirgendwo wird so grotesk-heiter gestorben und getorkelt wie in seinem Kneipenuniversum", schrieb Björn Hayer in der WELT über Ror Wolf (Printausgabe). Dass der auch beim Thema Tod mit Schein und Sein zu spielen wusste, belegte Hayer, indem er folgende Verse Wolfs zitierte: "Ein Toter saß vier Stunden an der Bar, / und keiner wußte, wer der Tote war, / vier Stunden hat man neben ihm getrunken, / und danach ist er tot vom Stuhl gesunken."
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