Aus den Feuilletons

Kein Geld für den musikalischen Nachwuchs

Gruppenbild mit Königin: Das Europäische Jugendorchester bei einem Konzert im Amsterdamer Concertgebouw im August 2012, zusammen mit der damaligen Königin Beatrix.
Gruppenbild mit Königin: Das Europäische Jugendorchester bei einem Konzert im Amsterdamer Concertgebouw im August 2012, zusammen mit der damaligen Königin Beatrix. © dpa / ANP ROYAL IMAGES
Von Klaus Pokatzky · 18.05.2016
Die EU will das von ihr vor 40 Jahren gegründete europäische Jugendorchester nicht mehr finanzieren. Damit droht das Aus für das Vorzeigeprojekt. Dagegen regt sich prominenter Widerstand, schreibt der "Tagesspiegel".
"Hätte Beethoven 2017 Angela Merkel gewählt?" Auf so eine Frage muss man erst mal kommen. Die Wochenzeitung DIE ZEIT kommt darauf.
"Das ist jetzt die lustige Frage", antwortet der deutsch-russische Pianist Igor Levit höflich:
"Warten wir 2017 ab. Ich kann die Frage nur für mich beantworten. Und das tue ich nicht hier."
Und noch eine Frage vom Interviewer Moritz von Uslar – der etwa den Namen Clara Haskil offenbar noch nie gehört hat:
"Können Frauen Beethoven genauso gut spielen wie Männer?"
Antwort Igor Levit:
"Klar. Was für eine Quatschfrage."
Danke, Igor.

Europäisches Jugendorchester bekommt kein Geld mehr von EU

"Warum die EU kein Geld mehr für ihr eigenes European Union Youth Orchestra ausgeben will", meldet der Berliner TAGESSPIEGEL – und zeigt uns, dass es noch Blöderes gibt als das ZEIT-Interview mit Igor Levit.
Das Europäische Jugendorchester nämlich "hat vor wenigen Tagen bekannt gegeben, dass es ab 2016 keine Zuwendung mehr aus dem Kulturprogramm der EU bekommt", wie Andreas Richter schreibt. Durch einen Beschluss des Europäischen Parlaments wurde es 1976, also vor 40 Jahren, gegründet; mehr als 3000 junge Musikerinnen und Musiker aus allen 28 EU-Staaten haben dort gespielt.
"Es gibt heute kaum ein europäisches Spitzenorchester, in dem nicht Alumni des EU-Vorzeigeprojekts sitzen."
So Andreas Richter im TAGESSPIEGEL. Er weist auf eine Protestdemonstration am 20. Mai in Berlin hin und erwähnt Solidaritätsbekundungen: etwa von Simon Rattle und dem Amsterdamer Concertgebouw Orkest.
"Dieses Orchesterprojekt 40 Jahre zum Symbol für Europa zu erklären und dann fallen zu lassen, ist töricht – und Wasser auf die Mühlen derer, die schon längst nicht mehr an Europa als Projekt glauben."

PiS-Partei: "Polnisch, patriotisch, heldenhaft"

Und damit zu unserem östlichen Nachbarn.
"Die von uns gewählten Vertreter des Volkes sind im Begriff, uns geistig aus der Europäischen Union auszuschließen; bislang ziemlich erfolgreich."
Das sagt im Interview mit der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG der polnische Historiker Włodzimierz Borodziej. Die nationalistische Regierungspartei PiS von Jarosław Kaczyński will, so die SÜDDEUTSCHE, den historischen Museen des Landes ihr Geschichtsbild aufzwingen: "Polnisch, patriotisch, heldenhaft." Nach dem Motto:
"Kollaboration in Frankreich und anderswo raus, dafür mehr über den polnischen Widerstand; Opfer der Bombenangriffe überall in Europa und in Japan raus, dafür mehr über die 1. Polnische Panzerdivision an der Westfront", wie Włodzimierz Borodziej im Interview beklagt. Er ist Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des Museums des Zweiten Weltkriegs in Danzig, dessen Konzept die Regierung nun ummodeln will. Jarosław Kaczyński hatte es schon vor Jahren als "Organ zur Desintegration des polnischen Volkes" bezeichnet.
Bester Freund jenseits des Atlantiks: Nachrufe auf Fritz Stern
"Es verschwindet auch der letzte Bote einer ganzen Epoche", lesen wir im TAGESSPIEGEL über einen großen Historiker – "der wie kaum ein anderer die Beschäftigung der Deutschen mit ihrer Geschichte mit seinem Nachdenken, seinen Fragen und seinen Stellungnahmen bereichert hat", so Hermann Rudolph.
"Er war vielleicht der beste Freund, den Deutschland auf der anderen Seite des Atlantik hatte", heißt es in der Tageszeitung DIE WELT über Fritz Stern: 1926 in Breslau geboren, 1938 in die USA geflohen und nun im Alter von 90 Jahren in New York gestorben.
"Die nie versiegende Großzügigkeit Fritz Sterns den Deutschen gegenüber", würdigt Patrick Bahners in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN.
"Das deutsche Willkommen für die Flüchtlinge begrüßte und bewunderte er, die Spaltung Europas ließ ihn Schlimmes ahnen", schreibt Gustav Seibt in der SÜDDEUTSCHEN.
"Aber er zitierte Franklin Delano Roosevelt: Das einzige, was wir fürchten müssen, ist die Furcht."
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