Aus den Feuilletons

Kehrt der Brachiosaurus nach Tansania zurück?

04:17 Minuten
Das Brachiosaurus-Skelett im Naturkundemuseum Berlin
Noch ist Brachiosaurus brancai im Berliner Naturkundemuseum zu bewundern. © picture alliance / Markus C. Hurek
Von Hans von Trotha · 05.02.2020
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Die "Süddeutsche Zeitung" berichtet über Forderungen aus Tansania, kulturelle Objekte, die der ehemaligen Kolonie geraubt wurden und in deutschen Museen lagern, zu restituieren. Auch das berühmte Saurierskelett aus dem Berliner Naturkundemuseum?
Manchmal sind die großen, die aktuellen Fragen eines Tages in den Feuilletons noch nicht angekommen, dafür umso mehr kleine, zeitlose, etwa die Frage: "Warum muss Gwyneth (Paltrow) immer 'Wow' sagen?" Nina Pauers Antwort in der ZEIT arbeitet sich am Plural des Wortes "Katharsis" ab. Es geht darum, dass Paltrows Netflix-Show "The Goop Lab" "Heilung (verspricht), und zwar ein für alle Mal. Zusammen mit Kolleginnen und Kollegen probiert Paltrow alternative Therapien aus. Was Paltrow", so Pauer, "dem Zuschauer vorsetzt, ist eine derart dichte Abfolge vermeintlicher Wunder, die in ihrer Summe zwangsweise in die Verzweiflung führen." Der Rhythmus sei einfach zu krass: Heilung werde versprochen, dann eingelöst und dann gleich wieder versprochen. "Dass das Wort Katharsis keinen Plural kennt, damit", so Pauers Fazit, "will Gwyneth Paltrow sich partout nicht abfinden."

Koloniale Dinosaurier

Noch eine Frage, auch aus der ZEIT: "Wieso haben die Dinos nicht Tschüs gesagt?" (Bezahlangebot) Sophie Passmann erzählt von dem derzeit vielgeklickten Song "Dinosaurs in Love" der dreijährigen Fenn aus London. Er "dauert eine Minute und bearbeitet in dieser Zeit alle großen Themen: Liebe, Tod, Abschied. Wie Krieg und Frieden, nur kürzer und cooler", meint Passmann.
Ernsthafter geht Abdallah Saleh Possi der Dinosaurier-Frage nach. Er ist Philologe, Jurist und Botschafter der Vereinigten Republik Tansania. Die SÜDDEUTSCHEN erläutert: "Das Gebiet des heutigen Tansania war bis zum Ende des Ersten Weltkriegs Teil der Kolonie Deutsch-Ostafrika. Bis heute liegen in deutschen Museen zahllose kulturelle Objekte und Human Remains, vor allem Schädel, die aus der Kolonie nach Deutschland gebracht wurden. Auch die Knochen, die im Berliner Naturkundemuseum zu dem berühmten Dinosaurier Brachiosaurus brancai zusammengesetzt wurden, stammen aus Tansania. Wie der 'Tagesspiegel' berichtete, will Tansania demnächst viele dieser Objekte zurückfordern."
Der Botschafter spricht nun in der SÜDDEUTSCHEN von einem "Macron-Effekt" und sagt auf die Frage "Welche Rolle spielt (dabei) der Dinosaurier?": "Mit ihm hat alles begonnen. Auch in der Region, aus der der Dinosaurier stammt, gab es Kämpfe; Dörfer wurden niedergebrannt. Eine Frage ist zum Beispiel: Wurden die Leute, die die Knochen ausgegraben und getragen haben, bezahlt? Waren sie in der Lage, zu verhandeln? Waren sie einverstanden damit, dass die Deutschen die Knochen mitnahmen? Wussten sie von ihrem Wert? Je mehr wir über ihn in Erfahrung gebracht haben, desto klarer wurde uns, dass außer den Dinosaurierknochen eben auch viele, viele kulturelle Objekte in deutschen Museen liegen müssen."

Ähnliche Zeitungsartikel wie 1930

Auch die FAZ (Bezahlangebot) hat das Thema Dinosaurier – aber nur auf den allerersten Blick. Hinter der Überschrift "Die Dinosaurier aus den Doppeltürmen" verbirgt sich vielmehr die Kritik der zweiten Staffel der Banker-Serie "Bad Banks".
Dafür hat die FAZ (Bezahlangebot), genau besehen, dann doch noch die ganz große, ganz aktuelle Frage in ihrem Feuilleton. Man meint geradezu, der Historiker Rüdiger Graf würde etwas über die republikanischen Parteien von Erfurt erzählen, indem er feststellt: "Die republikanischen Parteien von Weimar wollten die Wähler ihrer Feinde nicht verstehen. Im Umgang mit der AfD kehrt diese Haltung heute wieder".
Graf zitiert die Zeitungen von 1930. "Überspitzt gesagt", meint er, "lesen sich die Artikel über die Erfolge der Nationalsozialisten, die 1930 erschienen, ganz ähnlich wie heute Zeitungsartikel über die AfD: Man versteht schlicht nicht, warum Menschen, von denen viele vorher nicht gewählt hatten, ihre Stimme nun einer Partei mit einem nur rudimentären Programm und weitgehend unbekannten, vor allem männlichen Kandidaten geben."
Die republikanischen Parteien, erläutert Graf, präsentierten sich in Weimar grundsätzlich als Kräfte der Vernunft und übertrugen diese Zuschreibung auf ihre Wähler. "In der rechtsliberalen DVP (etwa) meinte man zwar zu spüren, dass die Nationalsozialisten von einem 'Aufbäumen vaterländischen Gefühls' emporgetragen worden seien, erklärte aber zugleich, dass die politischen Probleme der Gegenwart nur rational bewältigt werden könnten. Insofern die Stimmabgabe für die Nationalsozialisten von Liberalen, Katholiken und Sozialdemokraten als emotionaler Akt begriffen wurde, war es schwierig, dem Phänomen rational zu begegnen."
Rationalität war aber laut Graf das Prinzip, auf dem republikanische Politik aufgebaut sein sollte. Und wäre es auch heute. Zum Beispiel bei der Wahl eines Ministerpräsidenten.
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