Aus den Feuilletons

Karl-Ernst Herrmann ist tot

 "Baal"-Inszenierung am Berliner Ensemble mit Bühnenbild von Karl-Ernst Herrmann
"Baal"-Inszenierung am Berliner Ensemble mit Bühnenbild von Karl-Ernst Herrmann © imago / Martin Müller
Von Burkhardt Müller-Ullrich · 14.05.2018
Einer der wichtigsten Bühnengestalter der vergangenen 50 Jahre ist am Sonntag gestorben: Karl-Erst Herrmann. Mit Peter Stein und Claus Peymann kreierte er aufsehenerregend neue Theaterwelten. Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG würdigt ihn in einem Nachruf.
Wurst ist immer ein heikles Thema im Feuilleton, schon wegen der vielen fettigen Metaphern. Bei Journalisten geht es immer um die Wurst, wenn nicht gerade alles wurst ist; deswegen fassen wir die TAZ ganz vorsichtig und selbstverständlich ohne den Gedanken, es handele sich um ein Wurstblatt, an und lesen dort eine erfrischend metaphern- und platitüdenfreie Reportage über den Bratwurstgipfel in dem Städtchen Pegnitz.
Das liegt zwischen Nürnberg und Bayreuth, und 14 fränkische Metzgereien haben dort um den Titel des Bratwurstkönigs gekämpft, wobei es auch eine Königin hätte werden können, denn eine Frau war auch dabei.
Ins Feuilleton gehört die Reportage nicht zuletzt wegen der Kreativbratwürste, die dort zur Verkostung dargeboten wurden. Kreativbratwürste enthalten Zwetschgen oder Wildbret oder Schokolade oder sogar Eierlikör.

Krokodil in der Kreativbratwurst

Eine Kreativbratwurst wurde sogar mit fünf Prozent Krokodilfleischanteil hergestellt, von wegen Lokalpatriotismus und fränkische Identität, obwohl der Präsident der Handwerkskammer und Erfinder des nun schon zum achten Mal veranstalteten Bratwurstgipfels natürlich recht hat, wenn er sich mit dem Satz zitieren läßt, für ihn habe "die Bratwurst eine identitätsstiftende Wirkung für ganz Franken."
Das ist also der zweite feuilletonrelevante Ankerpunkt dieses Magen-Darm-Themas. Nun ist Kreativität nicht nur bei Nürnberger Würstchen von Belang, sondern auch bei der Bewegtbildproduktion, die uns Feuilletonleser wegen des Festivals von Cannes sowieso beschäftigt, wobei die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG einen ganz anderen Blick auf dieses Kreativitätsspielfeld wirft, indem sie den Programmchef des Streamingdienstes Netflix Ted Sarandos interviewt.
Er erklärt zum Beispiel, daß ein gutes Skript das A und O jeder Show ist – eine Erkenntnis, die einen bei der Lektüre geradezu umwirft. Und nicht nur auf das Skript, sondern auch auf die Schauspieler komme es an, erfahren wir und dass - so wörtlich - "die Chancen steigen und sinken, je nachdem, wie gut es gelingt, diese Teile zu einem Ganzen zusammenzufügen."

Platitüden vom Netflix-Programmchef

Nach solchen Selbstverständlichkeiten wird es dann aber doch noch konkret, und zwar wenn es um die Eigenheiten des japanischen, des französischen, des chinesischen und vor allem jenes ganz besonders seltsamen Publikums geht, das wir für Netflix und für Ted Sarandos sind:
"Wenn ich an Deutschland denke und an das Geld, das der Staat dort ins Fernsehen pumpt, und trotzdem kennt man bisher kaum eine deutsche Fernsehshow in der Welt."
Eher, so vermuten wir, kennt man in der Welt Nürnberger Würstchen. Das ist das Drama unserer Kreativität.
Von einem Mann, dessen Kreativität über allen Würstchen-Witzen stand, soll abschließend die Rede sein, nämlich von dem Bühnenbildner Karl-Ernst Herrmann. Wenn die Nachwelt schon dem Mimen keine Kränze flicht, so ist es doch noch ungewöhnlicher, daß jemand, der als Bühnenraumgestalter wirkte, mit einem eigenen Nachruf bedacht wird.

Der Herr der Bühnenbilder

Herrmann aber war, wie die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG schreibt, "der Herr der Bühnenbilder - einer der bedeutendsten Ausstatter des deutschsprachigen Theaters."
Christine Dössel referiert seine wichtigsten Stationen: Ausbildung an der Berliner Hochschule der Künste von 1957 bis 1962, Assistenz bei Kurt Hübner erst in Ulm, dann in Bremen, wo er mit Regisseuren wie Peter Palitzsch und Peter Zadek arbeitete und auf den Shootingstar der siebziger Jahre, auf Peter Stein, traf.
Mit ihm und mit Claus Peymann war seine lange Karriere wesentlich verbunden, allein für Peymann entwarf Herrmann 48 Bühnenbilder: "Lichtrahmungen um die Szenerie und ähnliche Abstraktionen und Überhöhungen waren typisch für den Raum- und Lichtmagier Herrmann, auch wenn er sich nicht auf einen Stil, eine eindeutige Handschrift festlegen ließ", schreibt Christine Dössel.
Das lag auch daran, daß er seine bildnerischen Ideen aus intensiver Lektüre der Stücke schöpfte und nicht umgekehrt den Texten irgendeinen privatmythologischen Stempel aufdrücken wollte.
Am Sonntag ist Karl-Ernst Herrmann im Alter von 81 Jahren in Berlin gestorben.
Mehr zum Thema