Aus den Feuilletons

Jugendliche kommen in der Krise zu kurz

04:16 Minuten
Das Bild zeigt eine Schülerin beim Online-Unterricht vor einem Laptop am Küchentisch.
Warum tauchen Jugendliche in den Medienberichten zu Corona kaum auf, fragt die Taz. © picture alliance / ANE / Eurokinissi / Antonis Nikolopoulos
Von Klaus Pokatzky · 24.01.2021
Audio herunterladen
Warum tauchen Jugendliche in den Berichten zur Coronapandemie kaum auf, fragt die TAZ und berichtet davon, dass die Jugendlichen derzeit darauf reduziert werden, im Homeschooling zu funktionieren. Nach ihrem Lebensgefühl fragt keiner.
"Toxisch meint die schleichende Vergiftung", klärt uns die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG auf. "'Toxisch'", schreibt Bernd Graff, "ist mittlerweile ein inflationär eingesetzter Begriff: Impfpflicht gilt als toxisch, Männlichkeit ist es sowieso, aber auch ein Fußballer im falschen Verein, der Aktienmarkt, Cancel Culture und Dating-Plattformen." Es gibt aber auch eine schleichende Vergiftung für die Seele des Menschen.
"Im Homeschooling leiden besonders die Grundschüler, die vom selbstständigen Lernen oft überfordert sind", erinnert die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG an die ganz jungen Opfer von Corona.
"So haben selbst leistungsstarke Kinder plötzlich Sorgen, sie könnten ihr Aufgabenpensum nicht schaffen, weil der klar begrenzte Lernrahmen fehlt, den die Schule als Unterrichtsort herstellt", schreibt Hannah Bethke. "Manche Kinder empfinden das als Scheitern, ohne dass sie es so ausdrücken könnten."

Jugendliche kommen in den Medien nicht vor

Und was ist mit den etwas Älteren? "Wo wird darüber gesprochen, dass Jugendliche sich verantwortlich fühlen, wenn sie einen depressiven Freund wegen der Kontaktbeschränkungen nicht besuchen können, und zugleich das Gefühl haben, ihn im Stich zu lassen?", fragt die Pädagogikprofessorin Sabine Andresen in der Tageszeitung TAZ.
"Nicht immer gibt es im nahen Umfeld gute Gelegenheiten, sich auch über den Tod, die damit verbundenen Ängste sowie über gemeinsame Erinnerungen auszutauschen."
Warum bringen Medien nicht sehr viel mehr über diese Altersgruppen? Warum werden junge aufgeweckte Menschen nicht als Autorinnen und Autoren gewonnen und sagen uns, wie sie Corona durchleiden?

Hoffnungsträgerin Amanda Gorman

"22 Jahre alt, predigend und rappend, mit Händen und Armen tanzend und dirigierend", beschreibt der Berliner TAGESSPIEGEL einen jungen Menschen in den USA: Amanda Gorman, die zur Amtseinführung des neuen Präsidenten Joe Biden ein Gedicht vortrug.
"Wie grenzensprengend, wie angstlos, wie traumsüchtig dieser Moment war", meint Klaus Brinkbäumer. "Es war die Rückkehr der Kultur in das amerikanische Leben; nach 30.573 Lügen des ehemaligen Präsidenten war es die Rückkehr der Sprachkunst, des Denkens vor dem Formulieren, und ebenso war es die Rückkehr des Auftritts."
Der Auftritt einer jungen Schwarzen. "Die biblischen Bezüge, der rhythmische Vortrag, die pompösen Bilder, der imperiale Gestus der Auserwähltheit mag in Deutschland naiv wirken. Im Hallraum der amerikanischen Dichtung ist sie es nicht", wie Felix Stephan in der SÜDDEUTSCHEN meint.
"Das Signal, das von Gormans Auftritt ausging, lautet deshalb, dass Trump nur eine Anomalie gewesen ist, eine Abweichung vom natürlichen Weg der Geschichte, und dass jetzt der Fortschritt weitergeht."

Ende gut, alles gut?

Ein Fortschritt, der aber auch mit Giftigem klarkommen muss. "Toxisch erscheint dieser Präsident nur jenen, die ihn nicht gewählt haben", erinnert Bernd Graff in der SÜDDEUTSCHEN an die gut 70 Millionen Trump-Wähler, die den alten Präsidenten unbedingt behalten wollten.
Auch der TAGESSPIEGEL dämpft allzu große Hoffnungen auf Joe Biden und weist auf das absurde amerikanische Wahlsystem hin, wo jeder Bundesstaat zwei Senatoren nach Washington entsendet – egal, wie viele Einwohner er hat.
Klaus Brinkbäumer findet, dass ein Land, wo "50 demokratische Senatorinnen und Senatoren 40 Millionen Menschen mehr repräsentieren als 50 republikanische Senatorinnen und Senatoren, noch gar keine Demokratie ist."
Wir warten auf ein Gegengift.
Mehr zum Thema