Aus den Feuilletons

Jürgen Klopp wäre der beste Jauch-Nachfolger

27. Spieltag: Borussia Dortmund - Bayern München am 04.04.2015 im Signal-Iduna-Park in Dortmund (Nordrhein-Westfalen). Der Dortmunder Trainer Jürgen Klopp blickt zur Seite.
Dortmunds Ex-Trainer Jürgen Klopp würde die Talkshow am Sonntagabend etwas aufregender machen. © dpa / Friso Gentsch
Von Tobias Wenzel · 13.06.2015
Die Woche im Feuilleton der Zeitungen war voll von Todesfällen und Rücktritten. Für die Nachfolge von ARD-Talkmaster Günther Jauch hat Friedrich Küppersbusch einen ziemlichen innovativen Vorschlag.
"Ende des Jahres will Günther Jauch seine ARD-Talkshow aufgeben. [...] Wer rettet nun ab 2016 den heiligen Sonntag?", fragte die TAZ zu Wochenbeginn Friedrich Küppersbusch. Und der antwortete: "Jürgen Klopp. Er brüllt zur Begrüßung alle an, haut den Aufnahmeleiter wegen strittiger Entscheidungen um und erfindet den Vollgas-Talk. Sobald einer was sagt, wird er gedoppelt. Ich würd's gucken."
Nun erwartet man von Küppersbusch natürlich nichts anderes als eben dieses sympathisch Durchgedrehte. Dass aber überhaupt die Feuilletons dieser Woche, die Journalisten und die von ihnen zitierten Personen, Verstörendes und Wahnsinniges in die Welt schleuderten, verwunderte dann doch.
Wenn Jürgen Klopp ein geeigneter Nachfolger für Günther Jauch wäre, wer könnte dann in die Fußstapfen der in dieser Woche Verstorbenen treten, in die von James Last, Pierre Brice und Christopher Lee?
Gunda Bartels behauptete im TAGESSPIEGEL zum Erstaunen der Leser, der Schauspieler Christopher Lee habe Mitleid mit den von ihm verkörperten Bestien gehabt. "Die Leute denken, die Mumie sei ein Monster", habe Lee gesagt. "Das stimmt nicht, die Mumie kennt einfach den Unterschied zwischen Gut und Böse nicht." Verena Lueken setzte in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG den Schauspieler Lee mit seinen Rollen gleich. „Wenn der Mann, vor dem man sich ein Leben lang am allermeisten gefürchtet hat, stirbt – was sagt, was fühlt man dann?", fragte sie erschreckend distanzlos.
Christine Dössel hatte es ihr in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG vorgemacht: „Schon einmal ist Winnetou gestorben, im dritten Teil der legendären Filmreihe seines Namens, und schon damals war sein Tod unerträglich", schrieb sie zum Tod des französischen Schauspielers Pierre Brice. "Auf Youtube kann man sich die Sterbeszene ansehen, sie hat noch immer den Effekt wie beim kindlichen Erstsehen, als man davon zu Tränen gerührt und bis ins Mark erschüttert war." Spätestens an dieser Stelle des Nachrufs hörte man die Tränen der Autorin auf die Tastatur tropfen.
Untersuchung der Ursachen von Gewalt
An dem nun ebenfalls gestorbenen James Last schieden sich die Geister. Den einen kam bei seiner Musik das große Kotzen, die anderen – bei 80 Millionen verkauften Tonträgern müssen das doch ein paar gewesen sein – kuschelten sich in seine Melodien hinein. „Man muss diese heftige Balance aus beinahe Nichts und beinahe Etwas schon genau hinbekommen, alles musikalisch oder sonst wie Tiefschürfende würde hierbei stören", versuchte Helmut Mauró in der SZ in einer verzweifelt-absurden Kraftanstrengung eine Ehrenrettung. Für die FAZ war Lasts Musik dagegen einfach nur „hedonistischer Unterhaltungskitsch". Und Jan Feddersen muss einen Sonnenstich gehabt haben, als er in der TAZ schrieb: „James Last ist der Godfather all seiner Technoenkel."
Wer James Last, als er noch lebte, vor lauter Hass Gewalt antun wollte, der sollte Thomas Schmids Artikel in der WELT vom Dienstag lesen. Darin fragte der Autor einleitend nach den Ursachen der Gewalt: „Warum brennen in französischen Vorstädten Autos? Warum zieht ein Kölner Rapper in den Irak und tötet als Dschihadist vor laufender Webcam Menschen?" Schmid fragte das allerdings nicht im luftleeren Raum. Jan Philipp Reemtsma hielt nämlich als scheidender Chef des Hamburger Instituts für Sozialforschung ebendort seinen Abschiedsvortrag. Und dieser Vortrag mit dem Titel „Gewalt als attraktive Lebensform betrachtet" hatte etwas Verstörendes. Die „Versuchung durch Grenzenlosigkeit" erscheine den Menschen, so Reemtsma, als attraktiv. Die Erlaubnis zu töten, die das bürgerliche Leben nicht vorsehe, werde als „die Selbstermächtigung zum großen ‚Du darfst!'" empfunden.
Das Erstaunliche an diesen Worten sei, so Thomas Schmid, dass Reemtsma Gewalt eben nicht, wie bei Soziologen üblich, „als Folge irgendwelcher sozialen Umstände" erkläre, sondern „als selbstgewählt, selbstbestimmt" beschreibe. Das ist Schmid zufolge eine große Provokation, gerade an diesem Ort. Denn Reemtsma bestreite damit, dass das Bemühen der Soziologen, gesellschaftliche Phänomene zu erklären, überhaupt sinnvoll sei. In Schmids Worten: „Für die Sozialforschung und für sein mehr als 30 Jahre altes Institut heißt das eigentlich: alles wieder auf Anfang zu setzen".
Stadtschloss als "Parkhaus der Kulturen"
Alles wieder auf Anfang zu setzen, kann aber auch schön sein. Zum Beispiel, wenn man das Berliner Schloss wieder aufbaut. „Ein Schloss, ein echtes Schloss", freute sich Hannah Lühmann in der WELT über das Richtfest. Nein, Hannah Lühmann ist nicht sechs, sondern Ende zwanzig. In derselben Zeitung bezeichnete Marcus Woeller deutlich weniger erfreut das Berliner Schloss als einen Bau „Gegen den Phantomschmerz". Es diene nur dazu, historische Wunden zu heilen. Hanno Rauterberg sprach in der ZEIT gar von einem „Palast der Verlogenheit", der letztlich nur einem Zweck dienen werde: „als Kulisse von Staatsempfängen und Galadiners, eingebettet in eine große deutsche Inszenierung der Selbstverklärung". Jens Bisky zitierte in der SZ Berliner Passanten, die das Schloss im Rohbau spöttisch als "Parkhaus der Kulturen" bezeichneten.
Warum Autos parken, wo Menschen den Platz viel dringender brauchen?, dachte sich wohl Niklas Maak. Freudig durchgeknallt fordert er in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN SONNTAGSZEITUNG, die Flüchtlinge aus Mali, Eritrea und Syrien sollten das Berliner Schloss stürmen, um, wie Maak es formuliert, in den „größten, leersten und bisher sinnlosesten Container der Welt" einzuziehen. Das sei sicher auch in Wilhelm von Humboldts Sinn gewesen. Der habe nämlich gesagt: „Ich genieße alles dankbar, was von außen kommt."
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