Aus den Feuilletons

"Jesus war gar nicht so nett"

Fünf Jahre wurde der Text der Bibel geprüft und überarbeitet: Die neue Druckversion der Lutherbibel erscheint am 19. Oktober.
Fünf Jahre wurde der Text der Bibel geprüft und überarbeitet: Die neue Druckversion der Lutherbibel erscheint am 19. Oktober. © picture alliance / dpa / Karl-Josef Hildenbrand
Von Tobias Wenzel · 14.10.2016
Es gibt eine neue Lutherbibel - und an der Übersetzung hat sich einiges geändert. Das färbt auch auf die Figur Jesus ab. War der etwa gar nicht so nett? Drastischer geworden ist jedenfalls seine Wortwahl im Lukas-Evangelium, wo er seine Jünger regelrecht "bedroht", wie die Zeitung "Die Welt" notiert.
"In welche Gesellschaft bringt mich das bloß? In die von Hemingway und Steinbeck?"
Das sagte Bob Dylan, angesprochen auf einen möglichen Literaturnobelpreis für ihn, im Interview mit dem SPIEGEL im Jahr 2001. Daraus zitiert nun wiederum der neue SPIEGEL.
"Ich weiß nicht, ob ich in dieser Kategorie richtig aufgehoben bin."
Literaturnobelpreis für einen Liedermacher – da brauchen die Feuilletons mindestens zwei Tage, um das zu verarbeiten. Auch mit Hilfe von Menschen, die bisher eher selten als Literaturkritiker in Erscheinung getreten sind.
"Bob Dylan ist kein Philip Roth und kein Haruki Murakami",
schreibt Außenminister Frank-Walter Steinmeier (oder irgendeiner seiner Redenschreiber) in der WELT. Aber verdient habe er den Preis:
"Seine Lyrik ist in einer aus den Fugen geratenen Welt mit einer Vielzahl an Konflikten von Syrien über die Ukraine bis Jemen aktueller denn je."
Steinmeier verweist auf das Lied "Masters of War", für ihn ein "Meisterstück". Genau dieses "Meisterstück" ist Alan Posener – ebenfalls in der WELT – ein Dorn im Auge. Denn Posener versucht zu belegen, dass Dylan nie die Stimme "der Protestbewegung der frühen sechziger Jahre" gewesen sei, sondern vielmehr ein "großer Konservativer". Man möchte Bob Dylan geradezu schützen vor denen, die ihn sich nach Belieben zurechtbiegen.
Hübscher, weil nicht so schrecklich humorfrei, ist, was Andrian Kreye in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG schreibt. Da Dylan sich selbst beim Konzert in Las Vegas am Abend nach der Preisverkündung nicht zum Preis äußerte, versucht Kreye in den dort gesungenen Liedern eine diskrete Reaktion des Künstlers auszumachen, unter anderem im Song "Don't Think Twice, It's All Right". Den übersetzt Kreye mit "Denk nicht mal drüber nach, es ist alles in Ordnung" und ergänzt:
"Das könnte ein deutlicher Kommentar gewesen sein, aber es gibt natürlich auch Leute, die Jesus in der Kruste eines Toastbrotes erkennen."

Enttäuschung mit der neuen Luther-Bibel

Zu Jesus mehr am Ende dieser Presseschau. Zuvor noch zur Religion der Digitalisierung.
"Die Vertreibung aus dem Paradies hat einen Namen: smart gardening",
schreibt Gerhard Matzig in der SZ. Es geht um automatische Mähmaschinen und Bewässerungssysteme, die der Mensch mit Garten zukünftig von seinem Smartphone aus bediene. "Die akkurat modellierte Buchsbaum-Skulptur im Vorgarten" stamme dann nicht mehr vom "delirierenden Gärtner", sondern eben vom Roboter.
"Die Frage ist, ob es auch sinnvoll im Sinne der Sinnlichkeit ist",
schreibt Matzig und man meint ihn wütend "Nein!" rufen zu hören. Aber der Hobbygärtnernachwuchs ist nun mal süchtig nach Digitalem und faul. "Steingärten oder Kiesflächen werden immer beliebter", erzählt eine Profigärtnerin dem Journalisten, was der so kommentiert:
"Man kann sich somit fragen, wann erstmals ein Stück grün angestrichener Asphalt zum Garten erklärt wird."
Jetzt, wie versprochen, noch mal zu Jesus. "Es ging Kraft von ihm aus, und er heilte sie alle", hieß es bisher in der Lutherbibel an der Stelle Lukas 6,19. Aber nun gibt es eine neue Lutherbibel, die nicht mehr Luthers Worte so glattbügelt. Matthias Kamann hat die neue Lutherbibel für die WELT gelesen. In der Neufassung heißt es nun: "Es ging Kraft von ihm aus und heilte sie alle." Also "es", nicht "er", Jesus.
"Die Kraft ist das Subjekt der Heilungen", schreibt Kamann. "Sie scheint irgendwie unabhängig von Jesus durch ihn hindurchzuwirken."
Das ist schon eine Enttäuschung. Aber es kommt noch schlimmer. So verlangt Jesus in Lukas 9 von seinen Jüngern, nicht weiterzuerzählen, dass er der Christus sei. In der alten, schöngekürzten Stelle mit den einleitenden Worten "Er aber gebot ihnen […]" In der neuen, authentischeren Lutherbibel heißt es nun: "Er aber bedrohte sie und gebot ihnen, dass sie das niemandem sagen sollten." Matthias Kamanns Kommentar: "Jesus war gar nicht so nett."
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