Aus den Feuilletons

Ironie der Zeitgeschichte

Das Buch-Cover des Romans "Stella" von Takis Würger.
Takis Würgers Roman "Stella" wird in Buchkritiken heftig diskutiert und kontrovers besprochen. © dpa
Von Tobias Wenzel · 08.02.2019
Die Diskussion um Takis Würgers Buch "Stella" reißt nicht ab. Wer hier den Durchblick verloren hat und auch nicht genau weiß, wer Ferdinand Kroh ist, kann nun in der "Welt" die "Rekonstruktion einer traurigen Geschichte" nachlesen.
"Wer war der Mann, dem Stella Goldschlag ihre Rechte vermachte?", fragt Marc Reichwein in der WELT und kündigt die "Rekonstruktion einer traurigen Geschichte" an. Das ist nun relevant, weil die Witwe eben dieses Mannes, des Journalisten und Sachbuchautors Ferdinand Kroh, Strafanzeige gegen Takis Würger erstattet hat. Der Vorwurf: Der Autor habe in seinem Roman "Stella" die reale Stella Goldschlag verunglimpft.
Ende der 80er-Jahre spürte Ferdinand Kroh Stella Goldschlag, eine deutsche Jüdin, die untergetauchte Juden an die Gestapo verraten hatte, in Freiburg auf. Sie vermachte ihm wenige Jahre vor ihrem Selbstmord ihr publizistisches Persönlichkeitsrecht. Seine Veröffentlichungen sind Reichwein zufolge im Laufe der Zeit - bis zu seinem Tod 2014 - unseriöser geworden.

Ironie der Zeitgeschichte

So habe er Verschwörungstheorien verbreitet oder nicht kritisch hinterfragt und sei als Gastautor auf einer fragwürdigen Online-Plattform aufgetreten. "Wenn Kroh hier über den ‚Finanztycoon‘ George Soros schreibt, der die globale Öffentlichkeit hinters Licht führe, ist er abermals in schlechter Gesellschaft: Soros ist bis heute das Feindbild rechter, nationalistischer Kreise", urteilt Reichwein und setzt zu einem Fazit an:
"Die Diskrepanz zwischen dem frühen Kroh, der den jüdischen Widerstand gegen Hitler als einer der Ersten hierzulande überhaupt thematisierte, und dem späten Kroh, der bedenkenlos codiertes antisemitisches Verschwörungsvokabular benutzt, wurde im Laufe seines publizistischen Lebens immer größer. Vor diesem Hintergrund ist es schon eine besondere Pointe oder sogar Ironie der Zeitgeschichte, dass die postmortale Ehre einer jüdischen Kollaborateurin jetzt zum vornehmsten Vermächtnis von Ferdinand Kroh geworden ist."

Der Todesstern

Vom Postmortalen zum Todesstern: "Der Todestern", so hat Gerhard Matzig seinen Artikel für die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG genannt. "In Berlin versucht die eröffnete BND-Zentrale, in der Mitte der Gesellschaft anzukommen. Gute Idee. Aber warum wirkt das Haus dann so einladend wie der Amok einer Kreissäge?", fragt Matzig frech.
"Die Öffnungen der Fassade könnte man, da gleichförmig schmal dimensioniert, einem delirierenden 3-D-Drucker zuschreiben. Die Fenster könnten auch Schießscharten sein", schreibt er merklich angewidert über den Bau. Der zeuge von Größenwahn und sei überhaupt nicht nachbarschaftstauglich: "Der Bau ist ein Unfall mit Ansage."
Mit der Mitte der Gesellschaft habe das nichts zu tun: "Wie soll das auch gehen: Wie soll ein Nachrichtendienst ‚offen‘ sein?" Dann versetzt der Architekturkritiker dem Bau mit einer Todesassoziation den Todesstoß: "Wer das neue Haus umrundet, fühlt sich an den vormals nahen Todesstreifen erinnert."

Emanzipation im Garten

Zum Schluss statt Leichen dann doch lieber noch etwas Duftendes aus dem Garten: Bis Anfang des 19. Jahrhunderts durften Frauen nicht als Gärtnerinnen arbeiten. Bis dahin war Gartenarbeit Männersache. Und so wurde der Obst- und Gartenbau zu "einem Vehikel weiblicher Emanzipation", wie es Stefan Rebenich in seinem Artikel für die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG formuliert.
Eine Vorreiterin war die Hamburger Lehrerin Alma de l’Aigle, die ein Duftvokabular für Rosen entwickelte und 700 Exemplare beschrieb. "Die Begegnung mit Rosen wurde zum emanzipatorischen Akt", erläutert Rebenich. "Sie schuf mit ihrer Klassifizierung der Düfte etwas Eigenes, doch blieb sie den Konventionen ihrer Zeit verhaftet. So riechen ihre Rosen nach ‚besonnter Mädchenhaut‘ und ‚ungelüfteten Zimmern‘."
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