Aus den Feuilletons

Im roten Bereich

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Ein Automat mit Binden und Tampons.
75.000 Unterzeichnerinnen einer Petition an den Bundestag fordern: "Die Periode ist unausweichlich. Das ist kein Luxus und sollte nicht als solcher besteuert werden." © imago images / Levine-Roberts
Von Gregor Sander · 28.05.2019
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Die digitale Menstruationsrevolution und die ungerechte Besteuerung von Tampons und Binden haben es bis in die Feuilletons geschafft. Dort lesen wir: Jüngere Frauen experimentieren mit Menstruationstassen und tracken ihren Zyklus via App.
Ijoma Mangold hat für die Wochenzeitung DIE ZEIT das Buchhaus Loschwitz in Dresden besucht. Dessen Inhaberin, Susanne Dagen, rief die "Charta 2017" ins Leben, in der sie den Umgang mit rechten Verlagen auf der Frankfurter Buchmesse kritisierte. Mangold stellt sich folgende Frage:
"Ist da nicht eine rote Linie überschritten, wenn man bei einer Buchhändlerin auftritt, die mit dem rechtsextremen Antaios-Verlag zusammenarbeitet? Dieser Frage wollen wir nachgehen. Und auch der Frage, ob es eine kulturelle Sonderwelt in Dresden gibt, die anders tickt als der Westen."

Reise an den rechten literarischen Rand

Nun darf man zwar bezweifeln, dass der ganze Westen harmonisch im selben Takt tickt, aber die Reise an den rechten literarischen Rand ist trotzdem interessant. Etwa, wenn dem angespannten Kritiker schon beim Betreten der Buchhandlung vom Vater Uwe Tellkamps entgegnet wird: "Die ZEIT lese ich nicht."
Der Reporter nimmt es sportlich, auch wenn er schon rein optisch seine Schwierigkeiten hat: "In Dresden-Loschwitz sieht alles aus, als wolle man gleich ein Märchen der Brüder Grimm verfilmen." Auch der Begriff der "Alpen-Prawda" wird Mangold von der Buchhändlerin erklärt: "Wie? Sie kennen den Begriff nicht? So nennt man die Süddeutsche."

Mit Rechten lesen

Zumindest in dieser Buchhandlung nennt man die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG wohl so. Die eingangs erwähnte Veranstaltung heißt "Mit Rechten lesen" und zum Verleger des mitwirkenden Rechtaußenverlages Antaios, Götz Kubitschek, dem Strategen der Höcke-AfD, fällt der Buchhändlerin Dagen ein:
"'Der Mann ist Soldat. Insofern treffen wir uns in der Geradlinigkeit und der Standhaftigkeit.' Sie wisse um Kubitscheks Männerfreundschaft zu Höcke, aber sie kenne Höcke nicht, also könne sie dazu nichts sagen."
Mangold atmet tief durch und antwortet dann auf diesen Unsinn. Das macht die Qualität dieses Textes aus, der sich nicht scheut nah ran zu gehen.

FPÖ-Skandal: Wenn Fiktion zur Realität wird

Was passiert, wenn die Wirklichkeit die Literatur rechts außen überholt, ist in der Wochenzeitung DER FREITAG zu lesen. Der österreichische Schriftsteller Franzobel hat den Krimi "Rechtswalzer" veröffentlicht und darin schon im Januar die Koalition aus ÖVP und FPÖ zu Fall gebracht. Also literarisch. Unter anderem will im Krimi die ultrarechte, antimuslimische Regierungspartei das Wasser der Österreicher nach Saudi-Arabien verkaufen. Fast entschuldigend sagt Franzobel:
"Das mit dem Wasserverkauf habe ich erfunden. Dass Strache jetzt in dem Video zu der falschen Oligarchennichte tatsächlich sagt, er könne ihr unsere gesamten Wasservorkommen verkaufen, hat mich ein Schmunzeln gekostet. Aber das ist so ungeheuerlich, dass ich nie gedacht hätte, die Realität könnte meine literarische Fantasie einholen."

Über die Menstruation spricht man nun

"Im roten Bereich" befindet sich laut Überschrift der Feuilletonaufmacher des Berliner TAGESSPIEGEL. Für Autorin Susanne Grautmann ein Tabubruch, denn: "Lange galt: Über die Menstruation spricht man nicht." Dass sich das jetzt ändert, und Grautmann sogar eine Periodenrevolution ausbrechen sieht, liegt – wie kann es anders sein – am Internet:
"Seit einigen Jahren nutzt eine wachsende Anzahl Frauen Menstruations-Apps, um ihren Zyklus zu tracken. Mit der Folge, dass sie ein gesteigertes Bewusstsein für die Vorgänge in ihrem Körper entwickeln. Außerdem experimentieren vor allem jüngere Frauen mit Alternativen zu Tampons und Binden, etwa mit Menstruationstassen."

Petition an den Bundestag

Diese Produkte gelten in Deutschland nicht als Grundbedarf wie etwa Schokolade. Daraus folgt laut Hanna Lohoff von der TAZ: "Deshalb werden sie mit 19 Prozent und nicht, wie etwa Lebensmittel, mit dem ermäßigten Satz von sieben Prozent besteuert. Das wollte das Start-up Einhorn, das für seine veganen Kondome bekannt ist, ändern und reichte in Kooperation mit dem Magazin 'Neon' eine Petition beim Deutschen Bundestag ein."
In seiner nächsten Sitzung muss der Petitionsausschuss nun also öffentlich über die Thematik beraten und die Forderung der 75.000 Unterzeichnerinnen der Petition klingt einleuchtend: "Die Periode ist unausweichlich. Das ist kein Luxus und sollte nicht als solcher besteuert werden."
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