Aus den Feuilletons

Humboldt und der Hippie

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Ein Gemälde, das Alexander von Humboldt und den Botaniker Aimé Bonpland zeigt.
Alexander von Humboldt (l) mit dem französischen Botaniker Aimé Bonpland während einer Expedition in Südamerika. © imago/United Archives
Von Paul Stänner · 13.09.2019
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Während sich die meisten Feuilletons mit Alexander von Humboldt beschäftigen, der in diesem Jahr 250 Jahre alt geworden wäre, widmet sich die „taz“ seinem Reisegefährten Aimé Bonpland und erklärt diesen zum frühen Hippie.
So kurz vor dem Wochenende nehmen sich die Blätter die Ruhe für zeitenübergreifende Themen: Alexander von Humboldt, der vor 250 Jahren geboren wurde, steht im Zentrum des feuilletonistischen Kosmos.
Die WELT zitiert den Humboldt-Enthusiasten Goethe, der dem Forscher für einige Tage zuhören durfte und glaubte, sie würden ihm wie Jahre scheinen – weil Humboldt so voller Wissen war. Bismarck hingegen fand Humboldts Vorträge auch langdauernd, weil ihn der Stoff nicht interessierte. So schwankte der Parteien Gunst und Hass.
Ganz aktuell lobt die WELT die Weisheit dieses Lehrsatzes: "Wer die Natur nicht empfindet, wird ihr ewig fremd bleiben." Humboldt, der von den "Naturerscheinungen" glaubte, sie seien "zugleich moralisch für das sie dankbar empfindende Herz", gilt der WELT als der "noch zu entdeckende Hoffnungsträger für eine völlig neue Natur-‚Ansicht‘".

Humboldt war ein atlantischer Intellektueller

Der TAGESSPIEGEL listet viele Stimmen vor allem aus Lateinamerika auf, wo der wohl berühmteste deutsche Forscher weitaus bekannter ist als in seiner Heimat. Und fügt die Einordnung des Kölner Historikers Michael Zeuske an, der sagt:
"Alexander von Humboldt war in gewissem Sinne ein atlantischer Intellektueller, nicht nur ein deutscher, französischer oder europäischer." Ein deutscher Weltgeist eben.

Humboldts Reisebegleiter Aimé Bonpland

Die TAZ, die immer alles etwas anders macht, schaut statt auf Humboldt auf seinen langjährigen Freund und Reisebegleiter Aimé Bonpland. Sie blättert ein ziemlich wirres und farbiges Leben über mehrere Kontinente hinweg auf, für das Bonpland neben heldenhaften Zuschreibungen als Naturforscher und Arzt auch das Etikett "früher Hippie" verliehen wird.
1858 verstarb Bonpland in Lateinamerika und die TAZ gibt das Wort den Guaraní-Indianern, die ihn "verehrten als Weisen: Karaí Arandú – der "Mensch, der das Licht in seinem Geist trägt".

Antisemitische Äußerungen eines Hohenzollern

Das Feuilleton schreitet um Jahrzehnte voran. Wir sind bei den Hohenzollern und ihren Bemühungen, sich von antisemitischen Umtrieben freizusprechen, um auf das zugreifen zu können, was der Clan für sein Familienerbe hält.
Die TAZ listet hässliche Äußerungen unter anderem aus einer Untersuchung der Historikerin Karina Urbach auf, die folgendes Zitat liefert: "Juden und Mücken sind eine Pest, von der sich die Menschheit so oder so befreien muss. Ich glaube, das Beste wäre Gas." Dieser Mordappell stammt nicht vom notorischen Hitler, sondern von Ex-Kaiser Wilhelm II. aus dem Jahr 1920.

Vor 50 Jahren trennten sich die Beatles

Weiter geht es in der Geschichte: Die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG erinnert daran, dass sich vor 50 Jahren, am 16. oder 17. September, zum letzten Mal die Beatles getroffen haben, um ihre Band aufzulösen. Dabei sei es nur noch um Geld gegangen und wieder einmal hässlich geworden.
Jedoch es kam anders, erzählt die NZZ: "Erst spät konnten sich John und Paul eingestehen, dass sie bei allem Neid, bei aller Rivalität die Stimulation und Inspiration des anderen brauchten."
Und wo wir gerade in Großbritannien sind, eilen wir noch ein paar Jahre weiter in die Gegenwart und lesen in der ZEIT: "Zerstört Boris Johnson die britische Demokratie?"

Vertrauen auf britische Institutionen

Die ZEIT mahnt, gedanklich und sprachlich die Nerven zu behalten, denn sie vertraut auf die Institutionen der Insel, obwohl sich in der Brexit-Debatte auch das Unterhaus nicht mit Ruhm bedeckt habe. Fazit und Ausblick:
"Das Risiko, das er mit seiner Brexit-politischen Aggressivität eingeht, ist enorm: Es droht eine Verwandlung des traditionell eher entspannten britischen Konservativismus in eine ressentimentgeladene nationalistische Rechte", schreibt die ZEIT und will wohl andeuten, es könne in Britannien bald zugehen wie in den USA.
Doch sie schaut gelassen aus der Vergangenheit in die Zukunft: "Dass Boris Johnson die Demokratie zugrunde richten würde, ist eine Legende." So beruhigt können wir Ihnen ein schönes Wochenende wünschen.
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