Aus den Feuilletons

Hohn europäischer Kolonialherren

Bronze-Königskopf aus dem alten westafrikanischen Reich von Benin in Köln. Der Königskopf hat mit 695.000 Euro den Auktionsrekord für afrikanische Stammeskunst im deutschsprachigen Raum erzielt.
2.400 kostbare Messingskulpturen und –reliefs wie dieser Bronze-Kopf wurden aus Benin geraubt. © dpa / Kunsthaus Lampertz
Von Adelheid Wedel · 21.10.2018
Diebesgut an die Bestohlenen verleihen und anschließend als große Tat verkaufen. Das ist nicht möglich? Doch, wenn es um Afrika und die Taten der Kolonialherren geht, ist nichts unmöglich. Die "SZ" befasst sich mit der Geschichte der Benin-Bronzen.
"Die Europäer wollen in Nigeria ein Museum errichten", erfahren wir aus der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG. Ein Grund zur Freude, denkt man augenblicklich, aber auch für massive Kritik. Zunächst verwundert, "dass man ernsthaft erst seit einigen Monaten diskutiert, was aus den Hunderttausenden Objekten werden soll, die während der Kolonialzeit in Afrika geraubt und in europäische Museen gebracht wurden".
Zu den berühmtesten und wertvollsten gehören die "Benin-Bronzen", 1897 von einer britischen Strafexpedition geraubt. Man stelle sich vor: 2.400 kostbare Messingskulpturen und –reliefs! "Die besten Stücke kamen ins British Museum", der Rest wurde an ethnologische Museen in ganz Europa verkauft. Das entstehende Haus in Benin-City soll nun "einige Bronzen aus Europa als Leihgaben aufnehmen".
In der SZ wird der Kolonialismusexperte Jürgen Zimmerer zitiert, der es als "Hohn" bezeichnet, "Diebesgut an die Bestohlenen zu verleihen". Nigeria aber halte an der Forderung fest, die Bronzen zurückzuerhalten.

"Aus- und Einwanderung sind heroische Taten"

Der in Kanada lebende Schriftsteller Michael Ondaatje kam mit elf Jahren aus dem damals kolonialisierten Sri Lanka in die Kolonialmacht England. In der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG gibt er Auskunft über diese Lebensreise und seine Art zu schreiben. "Sein Roman ‚Der englische Patient‘ wurde in diesem Sommer zum besten Booker-Preisträger in fünfzig Jahren gewählt."
Nach der grandiosen Verfilmung sind seine Helden mit den Namen Ralph Fiennes als Almásy und Juliette Binoche als Hana verbunden. Er schreibe "aus dem Inneren des Bewusstseins der Figuren heraus", sagt Ondaatje, da brauche man keine Vorstellung von ihrem Äußeren. "Mein größtes Interesse ist", verrät der Autor, "dass die Figuren im Lauf des Buches immer reicher und komplexer werden".
Aus seiner Lebenserfahrung heraus urteilt er, "dass Auswanderung und Einwanderung heroische Taten sind, die Anerkennung verdienen". Heute allerdings sei Migration etwas anderes als damals, der Ton sei politisch und aggressiv geworden.

Von Weimar lernen

Ebenfalls in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG betrachtet Rüdiger Soldt eine derzeit laufende Ausstellung im Stuttgarter Haus der Geschichte. Sie zeigt "die Weimarer Republik von ihren Anfängen her und zieht eine Parallele zur heutigen Vertrauenskrise der Demokratie". Das Besondere an der Schau:
"Nicht die Schwächen der Weimarer Reichsverfassung stehen im Vordergrund, sondern die Leistung, unter widrigen Bedingungen eine Republik aufbauen und überhaupt Vertrauen in einen neuen Staat begründen zu können." Dabei wird offenkundig: "Die Diskreditierung demokratischer Spielregeln und die Vorbehalte gegen die Parteiendemokratie damals und heute lassen sich in der Tat miteinander vergleichen."
Der Autor zieht sein Fazit: "Ohne Vertrauen funktioniert eine Demokratie nicht. Vertrauen allein reicht aber auch nicht, um ein politisches System stabil zu halten. Geradlinige, für Bürger nachvollziehbare politische Prozesse und Eliten, die demokratische Grundwerte sowie die Parteiendemokratie nicht missachten, sind zwingende, grundsätzliche Voraussetzungen, damit Vertrauen entstehen kann."

"Marx ist nicht Ruine genug"

Im TAGESSPIEGEL zieht Christiane Peitz ein Resümee der Marx-Jubiläumsfeiern in diesem Jahr in Trier. Die Aufregung um das chinesische Geschenk hat sich gelegt, "längst blickt der Mega-Marx leicht amüsiert von seinem Sockel nahe der Porta Nigra herunter, friedlich umringt von Schaulustigen."
An diesem Wochenende endete nach 147 Tagen das ehrgeizige Projekt, Karl Marx zu dessen 200. Geburtstag mit drei Ausstellungen und zahlreichen Veranstaltungen in Trier zu feiern, enttäuschend. Nur 160.000 Museumsbesucher in knapp fünf Monaten, das sei herzlich wenig, konstatiert Peitz.
Sie fragt: "Liegt's am Kommunismus, der in der Bischofsstadt Trier vielleicht doch keine Chance zur Massentauglichkeit hat? Trier, das ist Antike, achtfaches Weltkulturerbe mit tollen toten Steinen." Deshalb kommen die Leute nach Trier, "der Revoluzzer Marx ist einfach nicht Ruine genug".
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