Aus den Feuilletons

Hass als Motor für gesellschaftliche Entwicklung

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Eine Illustration zeigt einen Mann, aus dessen Mund ein Wolf springt.
Hass sei „eine produktive, gestalterische Kraft“, ist in der "Süddeutschen Zeitung" zu lesen. © imago images / Ikon Images / Oivind Hovland
Von Adelheid Wedel · 18.08.2019
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Die "Süddeutsche Zeitung" widmet sich der produktiven und gestalterischen Kraft des Hasses. Er könne Bewegungen und Revolutionen hervorbringen und die Mächtigen zähmen. Dieses Gefühl zu tabuisieren, sei schädlich für eine Demokratie.
"Wir haben lange genug geliebt", lautet eine Überschrift in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG. Dort formuliert Felix Stephan seine Gedanken zum Gegenpol der Liebe, zum Hass. Er macht uns aufmerksam auf eine gängige Überlegung: "In den Warnungen vor der politischen Rechten ist der Hass ein prinzipiell antidemokratischer Affekt. Aber", so der Autor, "seine Tabuisierung schadet der Demokratie".
Stephan meint: "Es gibt handfeste Gründe dafür, dass neuerdings so häufig vom Hass die Rede ist. Wir befinden uns in einer Übergangszeit, Gewinner und Verlierer sortieren sich neu, die Plätze an der Sonne werden neu vergeben und den Verlierern bleibt nicht viel mehr als der Hass als Gemeinschaftserlebnis."
Der Hass aber sei nur ein Nebenprodukt, argumentiert der Autor weiter, denn "das eigentliche Problem ist der globale Siegeszug einer sehr fassbaren Ideologie, eines rassistischen Nationalismus, der sich als demokratischer als die Demokratie ausgibt, weil er die Mehrheit gegen die Minderheiten vertrete".
Einwurf des Autors: Auch der Faschismus habe sich auf die Massen berufen. Danach kommt er wieder auf den Hass zu sprechen, der "eine produktive, gestalterische Kraft" sei, denn "er kann Werke, Bewegungen, Revolutionen hervorbringen und die Gier und Selbstherrlichkeit der Mächtigen zähmen". Stephan zitiert in diesem Sinne Georg Herwegh ebenso wie Georg Büchner, nachzulesen in der SZ vom Montag.

"Menschen fällt es schwer, ihren Neid zuzugeben"

Der Neid ist dem Hass eng verwandt; er ist eine der sieben Todsünden. Dem Neid widmet die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG ihre gesamte Seite 25. Der Historiker und Soziologe Rainer Zitelmann fragt:
"Wer soziale Gerechtigkeit fordert, meint mehr materielle Gleichheit. Warum nur sagt er das nicht offen?" Zitelmann resümiert: "Je lauter eine Gesellschaft das Postulat der Gleichheit verkündet, desto stärker wird der Neid. Denn wenn alle gleich sein sollen, aber in Wahrheit natürlich nicht gleich sind, dann werden diese Unterschiede mit Empörung als Ausdruck sogenannter sozialer Ungerechtigkeit gebrandmarkt. Das Motiv dahinter, der Neid auf jene, die deutlich mehr haben, wird hinter einer Rhetorik sozialer Gerechtigkeit versteckt."
Feststeht: "Menschen fällt es schwer, ihren Neid zuzugeben. Wollust, Zorn und sogar Faulheit sind nicht annähernd so tabuisiert wie Neid." Die Montagsausgabe der NZZ aber beschäftigt sich ausführlich mit diesem Tabu.

Wie wird man zum Ossi?

In den endlosen Diskussionen um Ost und West, um Ost- oder Westherkunft spielt der Neid versteckt auch oft eine Rolle. Wie sieht das bei Michael Pilz aus, der in der Tageszeitung DIE WELT darüber schreibt, "wie er zum Ossi gemacht wurde".
30 Jahre nach dem Mauerfall, "da diese Spezies wieder aufmerksam beobachtet und beschrieben wird", startet der Autor einen Selbstversuch. Der ist begleitet von einer Reihe von Fragen, wie zum Beispiel: "Wäre ich, würde ich nicht in Berlin-Kreuzberg arbeiten, sondern in Friedrichshain, noch ostdeutscher als ich es bin? Wie ostdeutsch ist mein nach dem Mauerfall geborenes Kind? Hat mein nach Erlangen gezogener Freund sein Ostdeutschsein verwirkt? Wird mein aus Münster stammender Nachbar irgendwann zum Ostdeutschen? Gilt für die Kinder eines Westdeutschen und einer Ostdeutschen der Wohn- oder der Geburtsort?"
Das sind wahrhaft zukunftsweisende Fragen, um deren Beantwortung sich Michael Pilz in der WELT redlich bemüht.

Trumps Interesse an Grönland

Ost, West, Nord, Süd, was kümmert es den amerikanischen Präsidenten? Die TAZ jedenfalls verbreitet das Gerücht, dass Trump bei einem Besuch in Dänemark im privaten Gespräch erwogen habe, Grönland zu kaufen. Das unterstreiche erst mal nur "das US-Interesse an den Bodenschätzen und der militärischen Dominanz bis zum Pol", kommentiert Friedrich Küppersbusch und erinnert an Trumps Vorgänger:
"In Dänemark sind die Besuche Präsident Obamas legendär, wo er dem kleinen Land bestätigte, es schlage einen harten Punch, den man nicht unterschätzen dürfe."
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