Aus den Feuilletons

Harper Lee - und wie ihr gedenken

Das Foto von 2007 zeigt die Schriftstellerin Harper Lee mit dem damaligen US-Präsidenten George W. Bush
Das Foto von 2007 zeigt die Schriftstellerin Harper Lee mit dem damaligen US-Präsidenten George W. Bush © picture alliance / dpa / Shawn Thew
Von Tobias Wenzel · 19.02.2016
Die Feuilletons würdigen die US-Schriftstellerin Harper Lee, die am Freitag im Alter von 89 Jahren starb. Dabei machen sie allerdings nur da weiter, wo sie bereits vor ihrem Tod angefangen hatten: Sie sprechen über ihren einen Großroman "Wer die Nachtigall stört".
"Da steht man nun, Mitte vierzig, als Kritiker aufs Filmfestival entsandt, […] und die Person direkt vor einem, mit dem Rucksack in freundlicher Farbe, mit der netten Brille und dem Ausweiskärtchen am Bändel, das ist doch – ist sie das?", schreibt Dietmar Dath in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG über eine Zufallsbegegnung auf der Berlinale. Seit seiner Jugend kenne er diese Person aus dem Fernsehen. Nur kennt sie ihn überhaupt nicht. Darf man sie dann einfach ansprechen?
Ein neugieriger New Yorker Kellner hat Harper Lee einfach angesprochen, berichtet in der WELT Wieland Freund in seinem Nachruf auf die US-amerikanische Schriftstellerin. Dem Kellner habe sie erzählt, der Erfolg ihres ersten Romans "Wer die Nachtigall stört" habe sie schlicht "überwältigt".

Ein Weltbestseller - aber nicht perfekt

Und, meint man herauszulesen, dazu geführt, dass sie keinen zweiten Roman vollendet hat. Aber der Einfluss dieses einen Buchs sei gewaltig gewesen: "‘Wer die Nachtigall stört‘ wurde […] zu einem wichtigen Text für die amerikanische Bürgerrechtsbewegung. Teils gedieh der Roman auf ihrem Boden, teils bereitete er diesen Boden Dank seiner Breitenwirkung." Der Weltbestseller der nun mit 89 Jahren gestorbenen Autorin sei aber nicht perfekt, urteilt Angela Schrader in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG:
"Wenn man den im Teenageralter begierig verschlungenen Roman nach vierzig Jahren wieder liest, wird man angesichts der klaren Rollenteilung und des unverbrüchlichen Edelmuts der ‚Guten‘ zu einem gewissen Grad jenen Kritikern recht geben, die das Werk eher der Jugendliteratur zuordnen möchten. Allerdings verfällt man gleichzeitig wieder ganz und gar dem Sog der brillant entwickelten, lebensprallen Story, deren Witz auch den hohen moralischen Anspruch des Buches geniessbar macht."

Heinz Strunk und seine Gerda

Von "genießen" kann bei der Lektüre von "Der goldene Handschuh", dem neuen Roman von Heinz Strunk, wohl eher nicht die Rede sein. "Was wir gerade noch ertragen können" lautet jedenfalls die Überschrift zu Dirk Knipphals‘ Rezension in der TAZ.
Hauptfigur des Romans sei der Frauenmörder Fritz Honka, den es tatsächlich gegeben hat. Knipphals ist beeindruckt von der Könnerschaft des Autors. So gelinge es Strunk, dass der Leser den Frauenmörder zugleich aus der Distanz und in dessen Gedankenwelt wahrnehme. Zum Beispiel als Honka, genannt Fiete, eine Frau namens Gerda in seine Wohnung gelockt hat:
"Fiete, gnädig wie er ist, setzt sie aufs Sofa, er hilft ihr sogar, sich hinzusetzen. Und was macht Gerda? Schenkt sich ein, ohne zu fragen. Randvoll. Aha, schon wieder alles vergessen, nach fünf Sekunden alles weg. So haben wir nicht gewettet, kleiner Finger, ganze Hand, vom Stamme Nimm." Die Details zum Abtrennen von Gliedmaßen, Brüsten und Kopf erspart uns der Rezensent zum Glück.

Berühmtheit in der Schlange

Und bevor Sie, liebe Hörer, nun von ihrer grenzenlosen Fantasie in die Abgründe des unappetitlichen Horrors verschleppt werden, führt der charmant-schüchterne Dietmar Dath Ihre Gedanken in harmlose Gefilde. In der FAZ will er nicht verraten, welche Berühmtheit direkt vor ihm auf der Berlinale stand, und schreibt:
"Das gehört nicht hierher, das sollen sich die Leute beim Lesen dieses Textes einfach selbst ausdenken, da können sie einsetzen, wen sie mögen – zu verraten, um wen es geht, wäre doch mindestens so indiskret, als wenn man diese Künstlerin in der Schlange jetzt einfach ankumpeln würde: Hallo, Sie sind doch die, na, wissen Sie noch, der kleine Fernseher in der Wohnung meiner Mutter, ja, der mit dem roten Gehäuse, da waren Sie immer drin...Ist das peinlich. Wäre das peinlich. Würde das peinlich geworden sein."
Mutmaßt Dietmar Dath in der FAZ und verrät kurz darauf, wie die Geschichte wirklich ausgegangen ist.
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