Aus den Feuilletons

Happy Birthday im Voraus, Uwe Timm!

04:16 Minuten
Uwe Timm liest beim Literaturfestival "Ganz Ohr" vor einem Mikrofon.
Der Schriftsteller Uwe Timm wir am kommenden Montag 80. © picture alliance / imageBROKER / Thomas Frey
Von Tobias Wenzel · 25.03.2020
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Kurz vor seinem 80. Geburtstag: "Die Zeit" hat ein langes Interview mit dem Schriftsteller Uwe Timm geführt. Ein Gespräch, an dem auch Robert Habeck beteiligt war, und in dem Timm über das Coronavirus, Greta Thunberg und Utopien philosophiert.
"Zauber der Ablenkung" lautet die Überschrift eines Artikels zur neuen Reihe "Überlebenskunst" in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG. Johanna-Charlotte Horst und Marie Schmidt zitieren darin Blaise Pascal mit den bekannten und gerade besonders passenden Worten, das Unglück der Menschen komme daher, "dass sie nicht ruhig in einem Zimmer bleiben können."
Das ist aber kein Vorwurf Pascals, sondern die Beschreibung der Conditio humana, erläutern die beiden Autorinnen und belegen das mit einem weiteren Zitat Pascals: "Da die Menschen nicht Tod, Elend und Unwissenheit heilen konnten, sind sie, um sich glücklich zu machen, auf den Einfall gekommen, nicht daran zu denken."

Autokino zu verkaufen

Und Ablenkung fällt vielen, die nun auf ihre eigenen vier Wände zurückgeworfen sind, besonders schwer. Dabei gibt es doch auch zu Hause genug Angebote zur Zerstreuung. "Welchen Maestro hätten's denn gern?", fragt der TAGESSPIEGEL und berichtet darüber, dass die Berliner Philharmoniker bis Ende April ihren digitalen Konzerthallenzugang kostenlos für alle öffnen.
Oder doch lieber Kino? Dann hat Jan Wiele in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG einen Tipp: Autokino. Na ja, eigentlich nützt der Tipp einem in Deutschland nichts. Denn hier müssen auch Autokinos gerade geschlossen bleiben. Nicht jedoch in den USA. In Coronazeiten erfreuen die sich dort neuer Beliebtheit. 305 Autokinos gibt es in den USA.
Und eines wird gerade zum Verkauf angeboten, hat Wiele entdeckt: "Auf halbem Weg zwischen Knoxville and Chattanooga. Mit 'Radio Sound', das heißt, die Tonspur des Films wird auf einer eigenen Radiofrequenz übertragen, digitaler Projektion und in gutem Zustand." Kommentar des Autors: "Ein Land der Möglichkeiten." Na, dann mal auf in die USA! Ach so, geht ja gerade nicht …

Uwe Timm wird 80

Immerhin konnte Ijoma Mangold für DIE ZEIT den Schriftsteller Uwe Timm in München besuchen. Der wird am Montag 80. "Dass ich in der Wohnung bleiben muss, stört mich nicht", sagt Timm. "Aber irritierend ist, dass ich plötzlich in der Gesellschaft zu einer Risikogruppe gehöre, auf die besonders Rücksicht genommen werden soll. Das evoziert auch das Gefühl, lästig zu sein."
Ein Eugeniker hätte sich das Coronavirus ausdenken können, weil es vor allem die Kranken und Alten eliminiere. "Seuchen wie die Pest egalisieren. Hier aber wird selektiert", sagt Timm.
In dem Gespräch, an dem übrigens auch Robert Habeck beteiligt war, plädiert Timm für die Rückkehr der Utopie und denkt da vor allem an die Überwindung von Ungleichheit in der Gesellschaft. Denn dass Utopien durchaus heutig sind, habe Greta Thunberg bewiesen: "Da setzt sich ein Mädchen eines Tages vor eine Mauer, hinter der die Macht residiert, mit einem selbst gemalten Schild – und innerhalb von einem halben Jahr ist das eine Weltbewegung geworden. Vielleicht gibt’s ja auch irgendwann mal eine Rentnerin, die vor dem Sozialamt sitzt mit einem Schild. Und vielleicht wird daraus auch eine Bewegung."

Küssen verboten

Zum Schluss ein Kuss. Nein: Schluss mit Kuss! "Jetzt ist endlich Schluss mit all der Heuchelei. Küsschen rechts, dann links und nochmals rechts", freut sich Philipp Meier in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG über diese Wirkung des Coronavirus.
Er habe sich schon immer gefragt, warum ausgerechnet in der Schweiz zur Begrüßung gleich dreimal auf die Wange geküsst werde: "Sind wir besonders offenherzig, kontaktfreudig und körperbetont? Wohl kaum. Hier muss eine Verklemmtheit wettgemacht werden. Wenn beide Gegenüber Brillenträger sind, artet das Ganze übrigens in ein klapperndes Gefecht der Gestelle aus."
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