Aus den Feuilletons

Größter Feldversuch zum Homeoffice

04:21 Minuten
Eine Katze liegt auf dem Küchentisch während ein Mann im Hintergrund an demselben Tisch an seinem Computer arbeitet.
Homeoffice mit Katze kann ganz schön sein. Das Arbeiten von zu Hause aus könnte aber weitreichende gesellschaftliche Folgen haben. © Westend61 / imago-images
Von Ulrike Timm · 27.03.2020
Audio herunterladen
In der "FAZ" wird spekuliert, wie eine Zukunft nach der Pandemie aussehen könnte - wenn sich die Idee des Homeoffice durchsetze. Dann stelle sich die Frage, wie Stadtzentren aussähen, wenn dort nicht mehr gearbeitet oder eingekauft würde.
"Wenn das vorbei ist, dann gilt es, eine ganze, neue Welt aufzubauen." Das ruft der italienische Autor Antonio Scurati seinem Verleger Tom Kraushaar zu, der hat es der WELT erzählt. Die Feuilletons mögen darauf offenbar nicht warten. Niklas Maak sortiert in einem langen Aufsatz für die FAZ schon mal innerlich ein paar Bausteine, um die Zukunft zu beschreiben. Sie gefällt ihm nicht so recht.

Homeoffice als Tod des Stadtzentrums

"Corona sorgt für den weltweit größten Feldversuch zu den Auswirkungen des Arbeitens von zu Hause. Schon fragt Arch Daily, eine der wichtigsten Architekturplattformen im Internet, ob 'Corona der Anfang vom Ende des Büros' sei".
Alle ab ins Homeoffice, keine Kosten mehr für Bürobauten und Pendlerstaus, 700 Milliarden Dollar an Einsparungen prophezeit eine Studie allein für die USA. Und dann? Wo bleiben Flurküchenschwatz und Begegnung für die Nostalgiker, die sich nicht kostensparend selbst verbunkern mögen?
"Was", so fragt Maak in der FAZ, "wird ein Stadtzentrum sein, wenn man dort nicht mehr arbeitet und - siehe den unaufhaltsamen Aufstieg des Online-Handels – auch nicht mehr einkauft?" Und weiter heißt es in dem interessanten, gleichwohl etwas besinnungsaufsätzig daherkommenden Essay:
"Tatsächlich ist dies die Stunde des Staates: Man mag sich nicht ausmalen, wie die Lage wäre, wenn die Forderung der Smart-City-Planer, die Gesundheitsversorgung zu privatisieren und effizienter zu machen, umgesetzt worden wäre. Noch im Juli veröffentlichte die Bertelsmann-Stiftung eine Studie, in der gefordert wurde, die Kliniken in Deutschland, von 1400 auf deutlich unter 600 Häuser zu reduzieren."

Bill Gates' Thesen zur Pandemiebekämpfung

Die SÜDDEUTSCHE beschäftigt sich mit den Thesen von Bill Gates, der sich, seit er nicht mehr reichster Mann auf Erden sein will, vor allem Bildung, Klimawandel und eben Pandemien widmet. Und der zu dem Schluss kam, "dass man bei Pandemien militärisch denken muss, um medizinisch sinnvoll zu handeln."
Rumms. Kostprobe: "Die Nato versteht etwas von Treibstoff und Logistik, von koordinierten Funkfrequenzen. Das sind alles Fähigkeiten, die wir brauchen, um mit einer Epidemie fertig zu werden" so zitiert die SÜDDEUTSCHE Bill Gates.
Wir alle brauchen ja derzeit vor allem die Fähigkeit, ruhig in unseren Zimmern zu verharren.
In den letzten Tagen ging es deshalb sehr um das Streamen, das Streamen von Opern und Konzerten, die aber doch keinen wirklichen Opern- und Konzertbesuch ersetzen - aber wer hätte das wirklich behauptet!? - oder um das Streamen von Kunstausstellungen, die eben doch keinen realen Blick auf ein reales Kunstwerk ersetzen können - auch das hat niemand wirklich überzeugend behauptet!

Leselust nach Epidemie-Literatur in den Feuilletons

Also zurück zur realen analogen Kunstbegegnung: ein Mensch, ein Buch. Es wird viel gelesen in den heutigen Feuilletons. Der Soziologe Claus Leggewie kämpft sich nach Jahrzehnten des Anlaufnehmens plötzlich erstaunlich gerne durch "Die Pest" von Albert Camus und erzählt der FAZ davon, und die WELT wandert einmal quer durch Epidemie-Literatur, "von Bocaccio und Kleist bis zu Marquez und Thomas Mann."
Wobei Boccaccios Decamerone besonders gut wegkommt, kein Wunder, so sinnenfroh und bisweilen herrlich versaut, wie sich die Novellensammlung liest. "Ohne Seuchengefahr wäre diese Erotik nie erzählt worden", frohlockt Hans Ulrich Gumbrecht. Oder doch lieber Mark Twain? Seinen Reisebericht 'Die Arglosen im Ausland' empfiehlt ebenfalls die WELT in ihren "Actionszenen der Weltliteratur" als eines der bestgelaunten Werke überhaupt.
Mark Twain überlistete sogar die Quarantäne. Statt brav im Hafen von Piräus und in der Kajüte zu bleiben, büxte er einfach aus, um endlich, einmal im Leben, die Akropolis zu sehen!
Das wäre für Mutter Beimer entschieden zu viel Aufregung gewesen. Die SÜDDEUTSCHE widmet der Lindenstraße einen Nachruf in Zahlen. 200 bis 250 Spiegeleier - wer hat die bloß gezählt? - 200 bis 250 Spiegeleier also hat Mutter Beimer im Laufe von 34 Fernsehjahren in die Pfanne gehauen, "klassische Übersprungshandlung, wenn mal wieder alles zu viel wird."
Mehr zum Thema