Aus den Feuilletons

"Goldenes Zeitalter für Buchverlage"

Bücher werden auf der Buchmesse in Frankfurt am Main im Pavillon des Gastlandes Indonesien sortiert.
Ab morgen sind die Pforten der 67. Frankfurter Buchmesse geöffnet - Gastland ist diesmal Indonesien. © dpa / picture alliance / Boris Roessler
Von Hans von Trotha · 12.10.2015
Am Tag der Eröffnung der Buchmesse beherrscht die Welt der Bücher die Feuilletons. Die "FAZ" sieht in Brasilien, Indien und China eine neue Ära des Buches angebrochen. Während die "TAZ" erleichtert bemerkt, dass sich die die Messe "vom ermüdenden Thema E-Book" verabschiedet habe.
"Die Sprache kündigt das Unheil an", stellt der Schriftsteller Zafer Şenocak im TAGESSPIEGEL fest. "So war es auf dem Balkan, als Serben und Kroaten, Bosnier und Albaner gegeneinander aufgehetzt wurden. (...) Jetzt passiert es in Syrien und im Irak. (...) Und schon gibt es einen neuen Todeskandidaten: die Türkei. (...) Türken und Kurden werden so lange aufeinander einschlagen, bis sie eine Sprache für das Leid der Anderen gefunden haben."
Als sei schon Buchmesse, beherrscht die Welt der Worte und der Bücher die Feuilletons.
In der SÜDDEUTSCHEN porträtiert Ulf Erdmann Ziegler den Münchener Patentanwalt Christopher Brückner als "Robin Hood im Bücherwald":
"Ein neues Geschäftskonzept soll die kalte Effizienz des Versandbuchhandels zusammenbringen mit der warmen Welt der Verlage und Buchhandlungen (...) Er will die I-Kunden nicht umerziehen, sondern ihnen eine Alternative bieten. (...) Von der Ausweitung der Kampfzone", so Ziegler, "dürften vor allem Verlage profitieren."
Für die scheint's grad eh ganz gut zu laufen. Das vermutet zumindest Rüdiger Wischenbart in der FAZ:
"Brasilien, Indien oder China haben nicht nur an abstrakter Wirtschaftsmacht zugelegt. In diesen Staaten sind Mittelklassen mit Hunderten Millionen Menschen entstanden, die nicht nur Konsumgüter kaufen, sondern auch für sich und ihre Kinder nach Bildung, Wissen und Unterhaltung streben. Und diese suchen sie, unter anderem, in Gestalt von Büchern wie auch anderen Verlagsprodukten. Kurzum, es sollte ein Goldenes Zeitalter für Buchverlage sein."
Den Wermutstropfen kippt sich Wischenbart selbst in den Wein:
"Der heute weltweit größte Publikumskonzern für Bücher ist Penguin Random House (...) Der Jahresumsatz (...) von 3,3 Milliarden Euro verblasst gegenüber Amazons Umsatz von 89 Milliarden Dollar."
In dieser einen Woche bilden wir uns ja gern ein, all diese Milliarden würden in Frankfurt umgesetzt. Stefan Hochgesand prescht in der TAZ mit dem ersten Messebricht vor:
"Die Frankfurter Buchmesse verabschiedet sich vom ermüdenden Thema E-Book", lesen wir erleichtert, dann allerdings, etwas ratlos:
"Der Frankfurter Buchmesse geht es seit Jahren verstärkt ums Lesen als Horizonterweiterung."
Worum, um Gottes Willen, ist es ihr denn in den Jahrzehnten davor gegangen? Hoffentlich nicht um Bibliotheken.
Die neue Brille des Justizministers
"Eine Kriegserklärung an das Buch" prangert nämlich Roland Reuß in der FAZ an. "Eine von Freibierphantasien benebelte Bibliothekslobby lässt alles digitalisieren und bringt es kostenlos in Umlauf. Und der Bundesgerichtshof gibt auch noch seinen Segen dazu. Es ist eine Schande."
"Man wünschte sich", so Reuß, "einen Karl Kraus, um die Ausformulierung der sophistischen Tendenz, die das Urteil grundiert, mit einer sprachlichen Razzia zu überziehen."
Einen Karl Kraus haben sie nicht bei der FAZ, aber einen Roland Reuß. Der ist Professor für Editionsphilologie und richtig sauer:
"Den Chinesen kommt man bei politischen Verhandlungen gerne mit den Menschenrechten. Wenn es um die Rechte von Autoren und Verlagen geht, reicht dem Bundestag und dem BGH der weißrussische Ansatz."
Und:
"Da nützt es auch nichts, wenn der sich jüngst mit steilen Thesen zum Urheberrecht (...) zu profilieren suchende Bundesjustizminister eine neue Brille hat. Es ersetzt weder Weit- noch Umsicht."
Wie man einen guten Lebenslauf formuliert
Ach ja, die Minister. Andrian Kreye meint in der SÜDDEUTSCHEN:
"Man ist ja selten zufrieden mit der Arbeit seiner Regierung, aber Ursula von der Leyen gebührt hier doch mal besonderer Dank. Immerhin hat sie vielen Menschen übers Wochenende dazu verholfen, dass sie ihren Lebenslauf akademisch sehr viel beeindruckender formulieren können."
Kreye berichtet von dem Selbstversuch, "die NYU in den Lebenslauf zu integrieren, und zwar eine ihrer besten Fakultäten – die Medical School. Dort werden immer noch die besten Ärzte des Landes ausgebildet. Zugegeben, der Besuch der Medical School beschränkte sich auf die Notaufnahme (...) in Brooklyn. Auch da aber gab es Lektionen fürs Leben. Zum Beispiel, die Erkenntnis, dass es in einer solchen Notaufnahme wirklich so zugeht, wie in der Fernsehserie E.R.. Auch der Beleg für den Besuch lässt sich sehen, weil zwölf Stunden dort ungefähr so viel kosten wie ein Semester an der NYU."
Und schon scheint richtig, irgendwie zumindest, was gerade noch gelogen war. Bei Worten lohnt sich's immer, auf der Hut zu sein. In der Buchmesse-Woche schon gar.
Mehr zum Thema