Aus den Feuilletons

Glücklich mit Ehe, Geld und deutschem Pass?

Einkommenssteuerformular mit Kugelschreiber
Wieviel Einkommen brauchen Sie zum Glücklichsein? © imago stock&people
Von Arno Orzessek  · 30.06.2017
Bushido ist unglücklich über "geglückte Integration". Schwule und lesbische Paare sind glücklich, dass sie nun genauso spießig sein dürfen wie heterosexuelle Paare. Und wer kein Geld hat ist unglücklich, doch viel Geld macht auch nicht glücklicher.
Zufriedenheit? Gleichgültigkeit? Suizidlust?
Was auch immer Sie beim Blick auf ihr Einkommen verspüren: Sie können jetzt auf alle Fälle beurteilen, ob Sie in das Raster der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG passen…
Genauer gesagt: In das Raster der Forschung, die der NZZ-Autor Rolf Dobelli in der Rubrik "Die Kunst des guten Lebens" erwähnt. Dieses Mal geht es ums Verhältnis von Geld und Glück.
"Wenn Sie in Armut leben [paraphrasiert Dobelli], spielt Geld eine große Rolle. Geldnot ist pure Misere. Verdienen Sie 50 000 Euro, spielt Geld eine mäßige Rolle. Jenseits von 120 000 Franken Jahreseinkommen netto pro Haushalt (in Zürich ein bisschen mehr, in Jena ein bisschen weniger) schrumpft der Effekt von zusätzlichem Einkommen auf null – und er bleibt bei null, selbst wenn Sie die Million erreichen."
Wir halten fest: Die menschliche Glücksobergrenze liegt bei 120 000 Franken netto.
Zwei junge Männer tanzen im Regen mit einer bunten Regenbogen-Flagge vor dem deutschen Reichstag in Berlin
Auch schwule und lesbische Paar haben ein Anrecht auf Spießigkeit.© Deutschlandradio
Aber dann gibt’s in puncto Glückssteigerung ja auch noch die Liebe, die viele zur Ehe verführt.
"'Auch Homosexuelle wollen endlich die Vorzüge offener Partnerschaften zugunsten der zermürbenden, lebenslangen Hölle einer durchschnittlichen deutschen Ehe aufgeben dürfen‘",
zitiert Johan Schloemann in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG die Meinung der Satire-Website DER POSTILLON zur Ehe für alle – und entgegnet bierernst:
"Dieses Argument ist falsch und bevormundend. Denn auch schwule und lesbische Paare haben ein Recht auf Spießigkeit. Wenn Millionen deutscher Eheleute sich an Vorgärten, Küchenkauf und komplizierten steuerlichen Vorteilen erfreuen, warum nicht auch gleichgeschlechtliche Paare? […] Viele Homosexuelle wollen gar nicht mehr subversiver, exaltierter, revolutionärer sein als alle anderen, sondern schlicht rechtliche Gleichstellung erlangen. Wer das verspottet, gerät von der liberalen Identitätspolitik in die Illiberalität."

Integration eines deutschen Staatsbürgers

Gern würden wir berichten, was Bushido von der Ehe für alle hält, allein, darüber verliert der Rapper in der TAGESZEITUNG kein Wort…
Wohl aber darüber, dass ihm der Burda Verlag 2011, wirklich wahr, den Bambi für Integration verliehen hat:
"So ein Bullshit. Ich soll ‚Vorbild für Integration‘ sein? Für was bin ich denn Vorbild? Ich bin vorbestraft, ich habe Drogen verkauft, ich habe in meiner Musik, mit der ich viel Geld verdient habe, andere Leute beleidigt und diskriminiert, ich habe Spaß daran, zu provozieren und ich baue gern mal Scheiße. Dass ich diesen Preis bekommen habe, heißt doch eher, dass man mich nicht als Deutschen sieht, obwohl ich hier geboren wurde. Dieser Pass hat doch nur einen bürokratischen Nutzen für mich. Also hab ich mir gedacht: Fickt euch!"
Unverblümt wie immer: der Rapper Bushido.

Die dicke Lippe des Claus Peymann

In der Wortwahl etwas betulicher, aber mit vergleichbar dicker Lippe gesegnet ist Claus Peymann, der scheidende Intendant des Berliner Ensembles.
In der SZ bekennt sich Peymann zu Ungeduld und Aggressivität. Er stellt fest, dass der Hass auf ihn wächst. Und er läuft zu großer Form auf, als ihm die SZ vorhält, zuletzt hätten am BE die ästhetischen Impulse gefehlt.
"Was sind denn ästhetische Impulse? Etwa, wenn Schauspieler auf der Bühne herumkaspern? Wenn der Dilettantismus und das Nichtkönnen gefeiert werden? Nein, das ist Novitätenkabinett gepaart mit Jugendwahn! Geschichten von und über Menschen, mit Menschen erzählt für Menschen – darum geht es. Das ist Impuls genug. Unser Haus war voll, fast immer ausverkauft. Das BE ist ein Theater von Weltgeltung." -
"Wer ist hier verrückt geworden - und warum?" will die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG wissen…
Und zwar mit Blick auf die Kosten für die Sanierung der Städtischen Bühnen Frankfurt: 900 Millionen Euro. Leider ist unsere Zeit um. Wollten wir trotzdem noch aus dem furiosen FAZ-Artikel zitieren, müssten wir etwas tun, wovon Sie rein gar nichts hätten, liebe Hörer, und was wir darum unterlassen. Nämlich – mit einer TAZ-Überschrift:
"Silben verschlucken, [und] Absätze überspringen."

Fazit - Die ganze Sendung vom 30. Juni 2017 hier:
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