Aus den Feuilletons

Ganz high schon vor dem Abschiedsdrink

Schwarzer Tee wird in eine Teetasse gefüllt.
Britischer Tee habe ein Weltreich mitbegründet, schreibt Boris Pofalla in der "Welt". © picture-alliance / Karl-Josef Hildenbrand
Von Klaus Pokatzky · 17.07.2018
Tee so stark wie Heroin: Daran erinnert mitten im Streit um die konkrete Umsetzung des Brexit die "Welt". Dort berichten Autoren von persönlichen Erinnerungen an das, was ihnen am Vereinigten Königreich lieb und teuer ist.
"Der britische Tee, der so stark ist wie Heroin", schwärmt es in der Tageszeitung DIE WELT, "Tee, der ein Weltreich mitbegründet hat", lobt Boris Pofalla: "Es ist Tee, der Tote aufweckt und mit Milch erst trinkbar wird." Vor allem aber mit Honig – und dann ohne Milch selbstverständlich. "Lass uns ein paar Kisten da, England, wenn du den Brexit machst." DIE WELT bringt "persönliche Erinnerungen an das, was uns am Vereinigten Königreich lieb und teuer ist" – jetzt, wo in Großbritannien heftigst darum gestritten wird, wie der Ausstieg aus der Europäischen Union genau erfolgen soll.
"In keinem anderen Land werden selbst Fremde sprachlich so eng umarmt wie im vermeintlich unterkühlten Großbritannien", teilt uns Felix Zwinzscher seine Erfahrungen von der Insel mit. "'Hello, love!' ist dort der erste Satz, der sich an die Ohren schmiegt, wenn man nur ein Geschäft betritt. Hallo, Liebes!" Glückliches Britannien.

Ministerien, Reiseunternehmen und aggressive Rollkoffer

"Die Türkei wird ein Familienbetrieb", entführt uns da die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG in ganz andere Sphären – in die vom "ersten gewählten Sultan" Recep Tayyip Erdogan, der nun eine Macht zu haben scheint wie die britischen Monarchen seit dem 17. Jahrhundert nicht mehr. "Es war erwartet worden, dass der Sinkflug der türkischen Lira nach den Wahlen ein Ende hätte", schreibt Bülent Mumay. "Doch nach Vorstellung des Kabinetts setzte sich der Absturz fort. Mit achtzehn Prozent kletterten die Zinsen türkischer Staatsanleihen auf Rekordniveau." Und das ist kein Wunder, wenn wir uns die neue Regierung ansehen. "Mehrere Minister sind Firmeninhaber in der Branche, für die sie nun zuständig sind. Bildungsminister Ziya Selçuk beispielsweise besitzt Privatschulen, Gesundheitsminister Fahrettin Koca eine Krankenhaus-Kette und Mehmet Ersoy, Minister für Kultur und Tourismus, ein Reiseunternehmen."
Und wie ist das, wenn wir irgendwo am Flughafen anstehen? "Die Gruppe, die sich ruhig und scheinbar intuitiv zu einer Linie formt, ist die der Engländer", fährt die WELT in ihrer Briten-Hymne fort. "Dort, wo sich ein scharrender Haufen gegenseitig auf die Füße tritt, die Rollkoffer in die Hacken schiebt, um gierig nach vorn zu drängen, als gäbe es etwas umsonst, sind fast immer die Deutschen", hat Mara Delius klug beobachtet. Leider aber ist die Queen der WELT kein Wort wert – und der Fußball? - Auch kein Thema!

Der Fußball und die Hoffnung

"Kroatien erlebt gerade sein Sommermärchen", erfahren wir aus der Tageszeitung TAZ über den England-Bezwinger bei der Fußballweltmeisterschaft. "Über eine halbe Million Menschen, also praktisch das ganze Land, war auf den Beinen", beschreibt Doris Akrap die Ankunft der Vize-Weltmeister in der Hauptstadt Zagreb und outet sich mit ihren kroatischen Wurzeln als "Fan der Hoffnung, dass die Erzählung der stolzen Kroaten endlich nicht mehr von Kriegsveteranen und Rechtsradikalen, von Rassismus, Chauvinismus und Antisemitismus dominiert wird."
Das scheint auch mehr als nötig, denn so heimelig scheint das Fußballland nicht zu sein. "Nach neusten statistischen Auswertungen sind mehr als 300.000 Kroaten in den letzten Jahren ausgewandert", klärt uns die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG auf, "und in den nächsten zehn Jahren werden schätzungsweise eine Million weitere Menschen das Land verlassen", schreibt Srećko Horvat.

Vielleicht schon bald neue Fantasie-Zitate

"Er ist zurück." - So hieß der konservative Daily Telegraph seinen Leitartikler Boris Johnson willkommen – der nach seinem Rücktritt als britischer Außenminister nun wieder in die Tasten haut für den Daily Telegraph. "Zwischen 1989 und 1994 war er deren Korrespondent in Brüssel", so die SÜDDEUTSCHE, "nachdem ihn die Times wegen eines erfundenen Zitats gefeuert hatte."
Ruhig bleiben – und Tee trinken!
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