Aus den Feuilletons

"Game over" für die Demokratie?

Endspurt im Bundespräsidenten-Wahlkampf: Unterstützer der rechtspopulistischen Partei FPÖ in der Stadt Wels, etwa 200 Kilometer südlich von Wien
Endspurt im Bundespräsidenten-Wahlkampf: Unterstützer der rechtspopulistischen Partei FPÖ in der Stadt Wels © picture alliance / dpa / Alexander Schwarzl
Von Paul Stänner · 02.12.2016
Der Rechtsruck in der westlichen Welt beschäftigt die Feuilletons vor den wichtigen Abstimmungen am Sonntag. Die "taz" analysiert die Foultechnik der Rechtspopulisten in den sozialen Medien − und gibt zu, dass dagegen derzeit kein Kraut gewachsen sei.
"Games over" schreibt die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG. Gemeint sind die olympischen Spiele für die Öffentlich-Rechtlichen, die 2018 und 2024 nicht übertragen werden. Die Zäsur sei schmerzhaft, aber sie kläre die Verhältnisse, womit Holger Gertz wohl die öffentlich-rechtlichen Finanzen meint. Er hofft aber auch, die Verhältnisse könnten sich für die Inhalte geklärt haben, denn so sei die Distanz zum Sportgeschäft größer als in den vergangenen Jahren. Gertz blickt in die Zukunft:
"ARD und ZDF werden weiter Sport zeigen, und was Olympia angeht: Zu Korruption, Doping und anderen Verstrickungen werden sie weiter recherchieren, sie müssen erst recht keine Rücksichten mehr nehmen. Das ist eine Chance für den Sportjournalismus."
In der WELT beklagt Manuel Brug, dass viele Künstler nicht wahrhaben wollten, wann für sie die Spiele vorüber seien. "Helden, wollt ihr ewig singen?" fragt er und will wissen: "Warum eigentlich?" In der Tat ist die Liste der in hohem Alter noch Produktiven aus E- und U-Musik recht beeindruckend: Bowie und Cohen haben beide schnell ein Album fertiggestellt, bevor sie starben, die greisen Stones erfinden den Blues neu und irgendwo noch "krächzt Bob Dylan". José Carreras will jetzt mit 70 auf seiner wirklich letzten Abschiedstournee sein, während Plácido Domingo offiziell seinen 76. Geburtstag feiert, obwohl er doch 80 sein dürfte. Und warum singen sie noch? Brug weiß immerhin, dass Montserrat Caballé für ihre Steuerschulden auf die Bühne geht und Plácido Domingo für die hungrigen Mäuler seiner weitläufigen Verwandtschaft. Dann holt Brug aus zu einem letzten vernichtenden Schlag gegen die Berliner Staatsoper, das "wahre Altersheim noch aktiver Sänger": Und in der Tat, wen er dort aufzählt, bewegt sich zwischen 74 und 92 Jahren. Und die alle, fragt man sich, haben Steuerschulden?

Foulspiel bekommt zig "Likes"

In der Tageszeitung taz analysiert Ralf Leonhard die Spiele des FPÖ-Präsidentschaftskandidaten Norbert Hofer. Sein Konkurrent Alexander van der Bellen war schon mehrfach Opfer der FPÖ-Foultechnik: Erst etwas behaupten, wie zum Beispiel van der Bellens Vater habe den Nazis nahe gestanden, um dann, wenn widersprochen wird, halbherzig davon abzurücken oder zu sagen, man sei missverstanden worden.
Die rechtspopulistischen Parteien, so Leonhard, rieten ihren Wählen, den etablierten Medien nicht zu trauen. Stattdessen verbreiteten sie über ihnen nahestehende Netzwerke Falschmeldungen, die bei Bedarf kommentarlos wieder gelöscht werden. Bis zu ihrer Richtigstellung seien die Meldungen aber schon zigtausendmal geteilt und geliked worden. Kein Kraut scheint dagegen gewachsen zu sein. taz-Autor Leonhard zitiert einen Zeitungskollegen, der entnervt einräumt, dass es schon zu Zeiten von Jörg Haider fruchtlos gewesen sei, gegen Botschaften, die auf Emotionen beruhen, mit Argumenten antreten zu wollen.
Die USA haben es eben erlebt, vielleicht erlebt es Österreich jetzt am Wochenende. Und wie Italien am Montagmorgen aussieht, wissen wir auch noch nicht. Ein Rechtsruck scheint durch die westliche Welt zu gehen.

Ideologische Spaltung

Über "Deutsche Meister" erzählt ein Artikel in der WELT. Die deutschen Meister, Künstler der Renaissance und der Reformation, werden in Los Angeles präsentiert. Andrew Berardini schreibt über die Schönheit und Lebenswahrheit der Werke von Cranach und Riemenschneider, aber auch über das Chaos und die Millionen Toten, die im Gefolge der Reformation zu beklagen waren und setzt daher die Ausstellung in direkten Bezug zur Gegenwart. Er schreibt:
"Dieser Tage, da der Rechtsaußen Donald Trump als amerikanischer Präsident mit allem Pomp in die irdische Realität gewählt wurde, erinnert die Schau deutscher Kuriosa vor allem daran, welche schrecklichen Folgen ideologische Spaltung haben kann."
Man macht sich Sorgen: Müssen wir ein "Game over" für die liberale Demokratie befürchten? Montag wissen wir mehr.
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