Aus den Feuilletons

Fucking heißt jetzt Fugging

04:08 Minuten
Das Ortsausgangsschild vom oberösterreichischen Fucking.
Wurde wohl zu oft geklaut: Ortsschild von Fucking, seit 2021 Fugging. © IMAGO / Volker Preußer
Von Hans von Trotha · 28.01.2021
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Das oberösterreichische Dorf Fucking hatte genug von Spott und Hohn und hat sich in Fugging umbenannt. Davon berichtet die "FAZ" und präsentiert noch mehr Beispiele aus der Vexierwelt des Geschlechtlichen.
Grundlegenden Dingen geht es an den Kragen: der Bibel, der Künstlichen Intelligenz und dem Teufel selbst. Alles übrigens, wir sind im Feuilleton, eine Frage der Übersetzung.
Es gibt über 40 deutsche Bibelübersetzungen, stellt der Germanist Karl Heinz Göttert in der WELT fest. Jetzt obendrauf die (Eigenwerbung Deutsche Bibelgesellschaft): "Übersetzung fürs 21. Jahrhundert": die "Basis-Bibel", verlässlich und verständlich, "dank der selbst gesetzten Regel, nie mehr als 16 Wörter pro Satz und nur einen einzigen Nebensatz".
Luthers Übersetzung von Jesaja 7, 14 "Siehe, eine Jungfrau ist schwanger und wird einen Sohn gebären" wird da zu: "Die junge Frau wird schwanger werden und einen Sohn zur Welt bringen." Der rezensierende Germanist kommentiert: "Chapeau!" Tja, so wichtig kann ein einzelner Buchstabe sein.

Erzählungen zwischen Kafka und Hollywood

Nach der Jungferngeburt räumt das Feuilleton auch noch die KI ab. Der macht Andrian Kreye in der SÜDDEUTSCHEN unter dem Kafka-Titel "Der Prozess" den Garaus: "Entscheidungen, die man nicht nachvollziehen kann", schreibt er, "sind die Grundlage für eine Kultur der Angst. Franz Kafka und Hollywood haben daraus Meisterwerke der paranoiden Erzählung gemacht. Die Technologie der künstlichen Intelligenz (KI) verlegt dieses Werkzeug der Bürokratie nun in die Maschinen. Weil das keine Science-Fiction mehr ist, sondern in Europa und Amerika längst in die Lebensläufe aller Bürgerinnen und Bürger eingreift, hat sich vor fünf Jahren in Berlin die Bürgerrechtsorganisation Algorithm Watch zusammengefunden."
Und die geht massiv gegen den Begriff KI vor. "Das Problem mit dem Begriff", erläutert Kreye, "ist, dass er einerseits Rechenmaschinen mit einer mythischen Aura umgibt. Und zum anderen außer Acht lässt, dass diese Maschinen ja keineswegs wie Fabelwesen agieren, sondern Teile von Systemen sind, die Menschen konstruieren. Deswegen benutzt Algorithm Watch in seinen Berichten eben nicht den Begriff künstliche Intelligenz, sondern 'automatic decision making system', kurz ADM."
Die Liste von deren Anwendungsbereichen ist, so Kreye, "so lang wie beunruhigend: Seuchenbekämpfung, Gesundheits- und Versicherungswesen, Behördenarbeit, Grenzschutz und Bildung gehören dazu. Fast die gesamte Zivilgesellschaft also." Dennoch fordert Algorithm Watch nicht die "offizielle Umbenennung der künstlichen Intelligenz in Automatische Entscheidungsfindung." "Wäre auch unrealistisch. Aber sinnvoll", meint Andrian Kreye.
Wer weiß – wenn sich die Jungfrauengeburt aus der Bibel rausübersetzen lässt, werden wir unserer Sprache doch noch die Künstliche Intelligenz austreiben können.

Trockental von Facebook gesperrt

A propos austreiben. Vom Teufel selbst erzählt Andrea Diener, indem sie in der FAZ gleich ein Beispiel für mangelnde algorithmische Intelligenz liefert.
"Einer Sage zufolge war der Teufel über die Bekehrung der Bevölkerung des Königreichs Sussex derart erbost, dass er beschloss, einen Wassergraben zum Meer zu bauen, um die braven Christen in den Fluten zu ertränken." Doch er wurde nicht fertig "und hinterließ ein schartenförmiges Tal, das 'Devil’s Dyke' genannt wird, also des Teufels Deich".
Allerdings, lernen wir, "bezeichnet der Begriff 'Dyke' auch abfällig eine gleichgeschlechtlich liebende, androgyn erscheinende Frau. Das wiederum rief den in sexuellen Dingen stets ordnungsliebenden Schimpfwort-Algorithmus von Facebook auf den Plan, der Nutzer, die von ihrem geliebten Trockental sprachen, wegen unflätigen Ausdrucks sperrte.

Die Macht der Übersetzungen

Ein ähnliches Schicksal traf auch Bewohner der Stadt Plymouth". Dort heißt die Uferpromenade 'Plymouth Hoe'. "Eine Hoe bezeichnet auch umgangssprachlich eine sexuell promiske Dame, die aus ihren Umtrieben Kapital schlägt. Da eine Künstliche Intelligenz" – da ist sie – "kaum einzuschätzen vermag, ob es bei der Konversation lediglich um eine sittliche Verabredung zum Cream Tea mit Seeblick geht, fackelt sie nicht lange und sperrt."
Im Lichte dieser Ereignisse" erscheint es Andrea Diener "verständlich, warum das österreichische Dorf Fucking sich jüngst in Fugging umbenannt hat."
So viel zur Macht von Übersetzungen und einzelnen Buchstaben. Und von dem, was bisher Künstliche Intelligenz hieß.
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