Aus den Feuilletons

Fröhlicher Einerseitsandererseits-Brei

04:19 Minuten
Traumstrand der Karibik
Jeder träumt zwar von der einsamen Insel im Urlaub, sehnt sich aber nach der Corona-Zeit auch nach Gesellschaft, schreibt die NZZ. © picture-alliance/Zoonar.com/Christophbosch@gmx.de
Von Klaus Pokatzky · 22.07.2020
Audio herunterladen
Mehr "Gespür für Trivialität" empfiehlt die SZ und rügt, dass den Philosophen zur Pandemie außer Banalitäten erstaunlich wenig eingefallen sei. Die Fachzeitschrift "Information Philosophie" hatte deren mediale Kommentare dokumentiert.
"Über die Hälfte der Deutschen liest täglich Zeitung", lesen wir im Berliner TAGESSPIEGEL. "Ich mag den Artikel, der gut recherchiert und geschrieben ist", sagt in der Wochenzeitung DER FREITAG der Schweizer Schriftsteller Christian Haller. Lassen wir uns hier überraschen. "Was der deutschen Philosophie zu Corona eingefallen ist", erklärt uns die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG nach sorgfältigem Studium der Fachzeitschrift "Information Philosophie".
"Es ist ein einziger fröhlicher Einerseitsandererseits-Brei, garniert mit Banalitäten aller Art aus dem Handbuch für Sonntagsreden", urteilt Jens-Christian Rabe über das, was die naturgemäß ja recht akademisch-theoretisch eingestellten Philosophen zustande gebracht haben – und empfiehlt ihnen beim Thema Corona "mehr Gespür für Trivialität". Dann werden wir jetzt ganz trivial.

Sehnsucht nach mehr Gesellschaft

"Jeder träumt von der einsamen Insel. Doch was bleibt uns im Urlaub, wenn wir alleine sind?", will die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG wissen. "Wer gerade Wochen der freiwilligen oder erzwungenen Corona-Isolation hinter sich hat, sehnt sich auch im Urlaub sicher nicht nach weniger Gesellschaft, sondern nach mehr", meint Milosz Matuschek. "Es sind gerade diese kaum mehr als hundert Tage Sommer pro Jahr, die der Mensch auch braucht, um sich den anderen zu zeigen, wie er ist: mal nicht ständig arbeitend, mal nicht ständig im Stress, mal nicht dauernd in irgendeiner Funktion. Sondern als jemand, der sich die Freiheit und Erlaubnis genommen hat, einfach nur 'zu sein'." Ist das noch trivial oder schon Philosophie?
"Nirgendwo sonst arbeiten junge Frauen so hingebungsvoll an einer Kim-Kardashian-haften Formung ihres Pos wie im Fitnessstudio", steht in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG. "Kim Kardashian hat diesen Po vor ein paar Jahren berühmt gemacht." Allen nicht-trivialen Philosophinnen sei gesagt: Kim Kardashian ist Model und Schauspielerin. Und ihr hinteres Körperteil?
"Das ist ein sehr großer, sehr runder Po, der, von der Seite betrachtet, einem Luftballon ähnelt", erklärt uns Melanie Mühl, deren Artikel aber nicht nur sommerlöcherige Ursachen hat, sondern auch einen sehr ernsthaften Hintergrund. Schließlich "ließen sich 2018 knapp 390 000 Menschen in Deutschland der Schönheit wegen operieren. In den Vereinigten Staaten und Brasilien, die den ersten und zweiten Platz im weltweiten Vergleich belegen, waren es jeweils rund 1,5 Millionen."

Sterben und Tod als private Freiheiten

Ob deren Präsidenten auch dazu gehören? Der brasilianische macht sich zumindest aus Corona immer noch einen Jux, während der amerikanische die Pandemie langsam etwas ernster zu nehmen scheint - zumindest wirbt er nun für Masken. "Warum hielt Trump Covid-19 anfangs für eine Erfindung seiner Gegner und eine Übertreibung der Medien", fragt die Wochenzeitung DIE ZEIT.
"Für Trump und seine Anhänger ist die Kontaktsperre", meint Thomas Assheuer, "nicht bloß ein Anschlag auf ihre Freiheit, sondern zugleich ein Anschlag auf das Leben. Freiheit und Leben gehören in diesem Weltbild existenziell zusammen: Die Freiheit muss frei sein, um das wahre Leben zu leben – das unverfälschte, das echte und natürliche Leben des real American. Auch Sterben und Tod fallen selbstverständlich in die privaten Besitzverhältnisse." Dann warten wir mal ab, was der Wahlkampf in den USA noch für Überraschungen bringen wird.
"Bin zu alt, um Politiker generell zu bewundern." Das sagt noch der Schriftsteller Christian Haller. "Was mögen Sie an Angela Merkel?", fragt der FREITAG. – Antwort: "Wie sie dasitzt, unerschütterlich, erratisch." Fast schon philosophisch.
Mehr zum Thema