Aus den Feuilletons

Freund der schwer verständlichen Sprache

Der Schriftsteller Kristof Magnusson grinst in die Kamera
Kriminalfälle aus Frankfurt und der Schweiz: der Schriftsteller Kristof Magnusson © dpa / picture alliance / Arno Burgi
Von Klaus Pokatzky · 03.01.2017
In der "FAZ" echauffiert sich der isländisch-deutsche Schriftsteller Kristof Magnusson über die Idee der Leichten Sprache. Diese soll sprachliche Barrieren abbauen und Akademiker-Kauderwelsch in einfache Worte übersetzen - für Magnusson eine "Horrorvorstellung".
"Ich glaube, viele Menschen sind einfach nur faul."
Das lesen wir in der Tageszeitung DIE WELT – passend zum Jahresbeginn. Fassen wir doch einfach den Vorsatz: Wir wollen 2017 nicht mehr faul sein.
"Vielleicht sollten sie mal rausgehen und etwas über die Orte lernen, an denen sie leben. So könnten die Menschen die triviale Alltagswelt, die sie umgibt, vielleicht in etwas verwandeln, das sie stärkt und nicht lähmt."
Das sagt im Interview Alan Moore, der Schriftsteller und Comicautor, doch vorab klärt uns DIE WELT über den Ablauf des Interviews auf:
"Bevor es losgeht, legt er eine Handvoll seiner unheimlich großen, in weißem Papier gedrehten Kräuterzigaretten zurecht und lässt sich eine Tasse Tee bringen".
Also noch zwei gute Vorsätze: weiter rauchen – und weiter Tee trinken 2017! Und mit der Zigarette im Mund und der Teetasse in der Hand unsere triviale Alltagswelt erleben – und erleiden.

Freunde der schweren Sprache sind gegen das Leichte

"Die Leichte Sprache steht in der Kritik".
Das erfahren wir aus der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG. Seit mehr als zehn Jahren gibt es ja eine Initiative, die zum Beispiel kompliziertes Akademiker-Kauderwelsch in ganz einfache Worte übersetzen will – für Menschen mit nicht so ausgeprägten lateinischen Sprachfähigkeiten wie studierte Feuilletonredakteure sie vorweisen können.
In der FRANKFURTER ALLGEMEINEN schreibt nun der Schriftsteller Kristof Magnusson:
"Leichte Sprache, so die Idee, soll sprachliche Barrieren abbauen, damit Menschen, die nicht gut Deutsch können, kognitive Schwierigkeiten haben oder aus anderen Gründen unsere Sprache nicht verstehen, besser am öffentlichen und kulturellen Leben teilnehmen können".
Für Nichtakademiker wie mich sei hier gesagt: "kognitiv" lässt sich gut mit "verstandesmäßig" übersetzen.
"Die Folge ist eine Vereinfachung von Inhalten", findet Kristof Magnusson, für den "Sprache von Zwischentönen lebt, von Reichtum in der Syntax und in der Lexik." "Syntax" ließe sich übrigens mit "Satzbau" übersetzen und "Lexik" mit dem "Wortschatz einer Sprache".
"Was für eine Horrorvorstellung", findet Kristof Magnusson, der Freund der schwer verständlichen Sprache:
"Mit Tacheles-Rednern besetzte Gremien, die unsere Schachtelsätze zurechtstutzen und alle Fremdwörter und Komposita streichen."
Ja, bitte! Fremdwörter vermeiden, Tacheles reden und schreiben, Kristof Magnusson: also offen und unverblümt seine Meinung äußern – und statt von "Komposita" zu schwafeln, lieber von "zusammengesetzten Wörtern" schreiben.
Am 1. April hätte dieser Artikel zur Leichten Sprache wunderbar in die FRANKFURTER ALLGEMEINE gepasst – aber wir sind doch erst ganz am Jahresanfang.

Pegida-Wortschatz im Rundfunk?

"Ärger um einen Radiobeitrag des WDR", lesen wir in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG:
"Der stellvertretende Leiter des Studios Köln, Lothar Lenz, hatte am Montag in einem Kommentar angesichts von Hunderten, teils alkoholisierten und aggressiven Nordafrikanern am Kölner Hauptbahnhof von 'gewaltgeilen Männerhorden' gesprochen. Andere Medien kritisierten den öffentlich-rechtlichen Sender."
So etwa ein Kommentar von KÖLNER STADTANZEIGER und BERLINER ZEITUNG, in dem es heißt:
"Pegida mag vor dem Ende stehen, aber ihr Wortschatz scheint im Kölner WDR-Hörfunkstudio zu überleben."
Das lässt Böses ahnen für 2017 – wenn jeder, der deutliche und bestens verständliche Worte für unerträgliches Verhalten findet, gleich in die Pegida-Ecke gerückt wird. Von Donald Trump und dem britischen Ausstieg aus der Europäischen Union lassen wir da lieber den Schriftsteller Alan Moore reden.
"Das ist die Welt, auf die wir Künstler nun zu reagieren haben", sagt er noch im Interview mit der WELT.
"Wir werden härter arbeiten müssen. Jeder dem irgendetwas wichtig ist, wird härter dafür arbeiten müssen. Keine Ausreden!"
Jetzt haben wir aber genug Vorsätze für 2017.
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