Aus den Feuilletons

"Französische Sprache in höchster Gefahr"

Die Flagge Frankreichs weht am Heck eines Schiffes vor dem Eiffelturm in Paris
Die Flagge Frankreichs weht am Heck eines Schiffes vor dem Eiffelturm in Paris © picture alliance / dpa / Peter Kneffel
Von Hans von Trotha · 07.11.2017
Die Franzosen streiten darüber, wie sie mehr Weiblichkeit in ihre Sprache bringen können. Darüber berichtet die "Süddeutsche". Zum Zankapfel wird der so genannte meridane Punkt, der männliche und weibliche Form verbinden soll: "professeurˑe", "étudiantˑe" oder "rédacteurˑrice".
Während Stefan Locke in der FAZ einen Streit um den Umgang des Albertinums mit DDR-Kunst zum "High Noon in Dresden", ja gar "zum Stellvertreterkrieg zur deutschen Frage" erklärt, regt Lucas Wiegelmann in der WELT die Möglichkeit auf, die Freimaurer könnten bei der Kultivierung ihrer Gründungslegende ihre eigene Chronik gefälscht haben. Und in der TAZ ruft Michael Brake, Netzkolumnist, aus: "Bei aller Kunstfreiheit - Der Käse des Burgers gehört auf das Fleisch", nicht etwa darunter.
Was wohin gehört, scheint nicht immer ganz klar zu sein. Wieso zum Beispiel gehört ein Burger in eine Netzkolumne? Das immerhin kann Brake aufklären. Zuerst erklärt er aber, warum der Käse aufs Fleisch gehört: Da kann er nämlich (Zitat:) "auf dem Fleisch schmelzen", wahrscheinlich meint Brake schmilzen, und er "verklebt … nicht mit dem Salatblatt". So weit so analog und auch ein bisschen eklig.
Aber dann kommt es: "Bei Google", schreibt Brake, "wusste das irgendwie niemand, als die hauseigenen Emojis überarbeitet wurden" – einschließlich des Cheeseburger-Emojis. Aus diesem Anlass klärt uns Brake auf:
"Welche Dinge, Tiere, Lebensmittel, Smileys es als Emojis gibt, ist im Unicode-Standard festgelegt. Dieser Standard hat sich zur Aufgabe gemacht, sämtliche relevante(n) Schriftzeichen der Menschheit digital zu kodieren, damit wir uns plattformunabhängig besser verständigen können."

Woran klebt der Käse beim Cheeseburger?

"Plattformunabhängig" unterhalten. Das klingt nach einer Verheißung. Das würde womöglich sogar die Koalitionsverhandlungen … aber das gehört gerade wirklich nicht ins Feuilleton. Zurück zu den Emojis:
"Im Cheeseburger-Streit schaffte Google einfach alternative Fakten: In einer seiner Kantinen ließ es seinen Emoji-Cheeseburger in echt nachbraten."
Und? Woran klebte da der Käse? Keine Antwort in der TAZ, stattdessen noch die Meldung: "Das Unicode-Konsortium streitet sich derweil darüber, wie viele Emotionen ein Kackhaufen haben kann. Aber das", findet Brake immerhin auch, "ist eine andere Geschichte."
Elisabeth Kimmerle geht auf derselben Seite derselben TAZ einer anderen kulinarischen Kernfrage nach, nämlich der veränderten Rezeptur von Nutella.
"Unter dem Hashtag #nutellagate sammeln sich Nutzer*innen, die wahlweise das alte Rezept zurückwollen, sich dem Weltuntergang nahe wähnen oder zum Ausdruck bringen, dass sie eh niemals Nutella essen."

Jonathan Franzen über digitale Gemeinschaften

Weil's die TAZ ist, trennt die Nutzerinnen von den Nutzern ein hochgestellter Stern mitten im Wort. Diese Funktion übernimmt im Französischen neuerdings amtlich verordnet der "mediane Punkt" – auch das ein Aufreger, wie Joseph Hanimann in der SÜDDEUTSCHEN berichtet:
"Die Académie Française sieht die französische Sprache in höchster Gefahr, denn, so ihre Stellungnahme, mit solchen kleingehackten Sprachungetümen habe sie in der Welt keine Chancen mehr. Unsere modernen Gesellschaften erfinden Scheinprobleme, meint das Akademiemitglied Marc Lambron: Die Engländer mit dem Brexit, die Katalanen mit ihrer Unabhängigkeit, die Franzosen nun mit ihrem Spleen einer 'inklusiven Rechtschreibung'."
Und Google mit dem Cheesburger-Emoji.
Über das Wesen von Google, ja überhaupt des Internets, klärt uns im NZZ-Interview Jonathan Franzen auf, der das Netz bekanntlich noch mehr verabscheut als den Lärm, der theoretisch in sein Büro hätte dringen können:
"Die digitalen Communitys", so Franzen, "sind natürlich gar keine Communitys mit wirklichen Verhaltensnormen, sie sind bloss deren Vortäuschung: Es ist ein Bündel vereinzelter Individuen, die auf einen Bildschirm starren. Sie schreiben 'Du Hure!' oder 'Du Rassist!', wenn es der Konformismus gebietet und weil sie wissen, dass sie dafür nicht geradestehen müssen."
Aber wehe, du setzt ihnen einen Emoji-Burger vor, bei dem der Käse am Salat festkleben könnte. "Als Googles Cheeseburger-Problem", auch das steht in der TAZ, "auf Twitter verbreitet wurde" (Zitat Jonathan Franzen: "Twitter ist ein Tool für Tyrannen!"), war das Geschrei so groß, dass sich sogar Google-CEO Sundar Pichai einschaltete."
"Ja", schreibt Michael Brake, "'die Menschen' haben sicherlich 'Besseres' zu tun, aber eben nicht rund um die Uhr, also" – und dann in Großbuchstaben, sprich: gebrüllt: "LASST SIE!"
Ist ja gut.
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