Aus den Feuilletons

Fast so etwas wie Alterssex

21.09.2017, Österreich, Tannheimer Tal, Tannheim in den Tiroler Allgäuer Alpen, Wanderer auf einem geteerten Weg. 21.09.2017, Tannheimer Tal, Tannheim 21.09.2017, Tannheimer Tal, Tannheim *** 21 09 2017 Austria Tannheimer Tal Tannheim in the Tyrolean Allgäu Alpine hiker on a paved trail 21 09 2017 Tannheimer Tal Tannheim 21 09 2017 Tannheim Valley Tannheim
Die Idylle trügt, meint zumindest NZZ-Autor Daniele Muscionico, denn ein bisschen Sorgen müsse man sich immer machen, wenn Rentner wandern gehen. © imago / MiS
Von Klaus Pokatzky · 25.07.2018
Es ist Sommer und also die beste Zeit, in der lauen Sommerluft übers Land zu streifen. Doch die "NZZ" fasst diese sommerliche Landlust nur mit spitzen Fingern an und nennt sie "so etwas wie Alterssex".
"Wer gut schlafen kann, zeigt Gottvertrauen." Das ruft uns CHRIST UND WELT zu – die Beilage der Wochenzeitung DIE ZEIT.
"Kindern und Alten wird das Nickerchen noch zugestanden. Für alle anderen gilt: Zu viel Schlaf macht dumm und träge", meint die Theologin Petra Bahr und erteilt uns dann "Eine Einladung ins Reich der Träume" – mit einer heftigen Verteidigung des wohligen Schlafens:
"Wer schläft, traut sich was. Schlafende begeben sich willig in den Zustand des Kontrollverlusts. Sie müssen fortan mit allem rechnen, was sich nicht steuern lässt."

Vom Zusammenhang zwischen Wohlstand und Sorge

Manchmal gibt es dann ein böses Erwachen. "Ich bitte euch aufzustehen für die Rechte aller." Das lesen wir in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG. "Wo seid ihr?", fragt Roberto Saviano: "Warum versteckt ihr euch? All ihr Autoren, Journalisten, Blogger, Philosophen, Schauspieler." Der italienische Journalist und Schriftsteller, der seit Jahren von Verbrecherbanden gejagt wird und unter ständigem Polizeischutz leben muss, macht sich Sorgen um sein Land – in dem nun eine Regierung herrscht, an der auch rechte Populisten beteiligt sind.
"Der italienische Innenminister Matteo Salvini hat im Juni gedroht, Roberto Saviano den Polizeischutz zu entziehen", heißt es im redaktionellen Begleittext der SÜDDEUTSCHEN. "In diesen Zeiten muss jeder, der die Möglichkeit hat, zu einem Publikum zu sprechen, es als seine Pflicht verstehen, Position zu beziehen", bezieht Roberto Saviano nun seine Position – eine durchaus europäische: "Kommt es euch nicht eher so vor, dass wir nach knapp 70 Jahren Wohlstand und Frieden wieder empfänglich werden für die Slogans fremdenfeindlicher Parteien? Dass wir unachtsam, ja desinteressiert daran wurden, über unsere Grundrechte zu wachen?"

So manch einer wird jetzt wach

Manch einer scheint jetzt wachzuwerden. "Am Ende", steht in der Wochenzeitung FREITAG, "im letzten Akt sozusagen, werden es nach polizeilichen Angaben mehr als 25.000 Menschen sein, die sich auf dem Königsplatz zur Schlusskundgebung versammeln, um einem Gefühl Ausdruck zu geben, das in so vielen Theaterstücken verhandelt wird: Menschlichkeit." Lena Gorelik berichtet von der Münchner Demonstration am letzten Wochenende – einer "Demonstration gegen eine Politik der Angst, gegen den Rechtsruck in der Gesellschaft und gegen die von der CSU geforderte und geführte Asylpolitik".
Lena Gorelik im FREITAG geht es um eine solide Beschreibung – worum geht es dem anderen Wochenblatt, dem aus Hamburg? DIE ZEIT sieht den "oft beschworenen Querschnitt der Gesellschaft" angetreten: "Lehrerinnen, Angestellte, Schwabinger Rechtsanwalts-Gattinnen, Männer in Tracht, alle da", wie Moritz von Uslar schreibt – der ausgerechnet bei einer Demonstration gegen Vorurteile offenbar sämtliche Klischees aus seiner verstaubten Schublade holt, die er darin nur finden kann. "Da drängen sich die bescheuerten Jusos mit ihren roten Fahnen wieder ganz nach vorn vor die Bühne. Was man als Großdemonstration, die möglichst viele politische Positionen einschließen möchte, auf einem großen Platz halt so macht: Schweigeminute für die Opfer von Hass, Hetze, Rassismus und Gewalt. Das Wort 'welcome' wird in zwanzig Sprachen verlesen. Uff." Früher hätte DIE ZEIT solche Demonstrationen noch ernst genommen. Uff.
"Wir lieben die Natur, und darum lieben wir den Ort, wo sie vorkommt, also das Land." Die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG, auf die doch meistens Verlass ist, bietet uns da die nötige Erholung in sommerlichen Zeiten. "Die Landlust scheint so etwas wie der Alterssex zu sein", analysiert Daniele Muscionico. "Er ist eine einsame Sache. Immerhin bewegt man sich dabei und kann seinen Körper neu und positiv erleben. Wenn dieser denn die Übung bloss durchhält!"
Zweimal Uff.
Mehr zum Thema