Aus den Feuilletons

Eltern als vermeintliche Helden

04:19 Minuten
Marina Abramovic steht im Publikum, Hand auf dem Bauch und Augen geschlossen. Sie trägt schwarz.
Weil die Künstlerin Marina Abramović die Rolle ihrer Eltern umgedeutet haben soll, spricht ihr Bruder vom "Falsifikat des eigenen Lebens". © Alte Oper Frankfurt, Norbert Miguletz
Von Tobias Wenzel · 04.08.2019
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Die Künstlerin Marina Abramović kehrt nach 45 Jahren mit einer Ausstellung in ihre Geburtsstadt Belgrad zurück. Dass sie es mit der Wahrheit nicht so genau genommen hat, könnte sich nun rächen, lesen wir in der "Faz".
"Unsere Welt ist auf Sand gebaut", schreibt Gerhard Matzig in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG. Sand steckt nämlich im Smartphone-Bildschirm, in Zahnpasta und auch und vor allem im Beton, also in Gebäuden. Aber der Rohstoff Sand, jedenfalls derjenige, der sich für das Bauen eignet, wird knapper und bald nicht mehr reichen.

Auf der Suche nach alternativen Baustoffen

Einerseits könne man sich in Zukunft vermehrt alternativen Baustoffen zuwenden. So ließen sich Bambus und Pilze zu einer "selbsttragenden Struktur" verbinden. Andererseits würden einige Baustoff-Experten Sand-Ersatz im All suchen. In Frank Schätzings Weltraum-Thriller "Limit" werde ein Luxus-Hotel auf dem Mond gebaut, und zwar aus "Mondstaub":
"Genauer gesagt aus Regolith, den man tatsächlich, das haben Versuche der Nasa bereits in der Realität gezeigt, mit Kohlenstoff und Epoxidharz zum 'Mondbeton' verdichten könnte. Theoretisch", schreibt Matzig. "Leider ist noch zu klären, wie man die bald 400.000 Kilometer kostengünstig überwindet, die den Mond von den Großbaustellen in Dubai, Moskau oder dem Münchner Paketposthallenareal trennen."

Abramovićs riskante Rückkehr

Um Zement geht es in Michael Martens' Artikel für die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG nur ganz beiläufig, wenn er über die Performance-Künstlerin Marina Abramović schreibt: "Dass Abramović, die ihren Körper zu ihrer einzigen Heimat erklärt hat, eine 'serbische Künstlerin' sei, ist zwar ungefähr so aussagekräftig wie die Behauptung, etwas sei ein litauisches Kugellager oder mongolischer Zement, soll aber wohl Respekt für ein Werk ausdrücken, für das sich Serbien lange nicht interessierte."
Nach 45 Jahren kehrt Abramović in ihre Geburtsstadt Belgrad zurück, mit einer Ausstellung. Ein Risiko sei das, urteilt Michael Martens. Die Künstlerin habe es nämlich mit Blick auf ihre eigene Kindheit in Serbien und auf ihre Eltern nicht so genau mit der Wahrheit genommen. Ihre Eltern seien mitnichten, wie sie behauptet hat, Nationalhelden gewesen: "Im Ausland kann Abramović ihre Version meist unwidersprochen verbreiten, in Belgrad aber erntet sie Widerspruch." Der Bruder der Künstlerin spricht gar vom "Falsifikat des eigenen Lebens".

Trägt der "Spiegel" Mitschuld am Tod der Bloggerin Hingst?

Da muss man einfach auch an Marie Sophie Hingst denken, die sich wider die Tatsachen als Jüdin und Nachfahrin von Holocaust-Opfern ausgegeben hatte, was der "Spiegel" aufdeckte, und die danach tot in ihrer Wohnung aufgefunden wurde. Der Verdacht: Selbstmord als Reaktion auf die Enttarnung.
Die Frage: Hat Hingst sich eine jüdische Identität aufgrund einer psychischen Krankheit erdichtet? Lea Rosh, die für das Holocaust-Mahnmal in Berlin erfolgreich gekämpft hatte, hat nun dem TAGESSPIEGEL geschrieben und sowohl die Berichterstattung dieser Zeitung als auch des "Spiegel"-Autors Martin Doerry kritisiert. Doerry habe Hingsts Krankheit verschwiegen: "Das hätte seine Geschichte von der Hochstaplerin, der Lügnerin und Quasi-Verbrecherin schließlich kaputt gemacht."
Außerdem schrieb Rosh: "Sophie war für mich eine Schwester, eine Tochter, eine Enkelin, eine Freundin – alles zusammen und unersetzlich." Schade, dass man nicht den ganzen Brief an die Zeitung lesen kann. Denn so wirken die Aussagen von Rosh doch etwas befremdlich. Ob Hingst wirklich komplett unzurechnungsfähig, also nicht verantwortlich für ihre erfundene Familiengeschichte war, wie Rosh suggeriert, die Beantwortung dieser Frage sollte man doch lieber Psychologen oder Psychiatern überlassen.

Zur tödlichen Attacke im Frankfurter Hauptbahnhof

Zum Schluss noch ein Schuss Stuss: "Als Reaktion auf die tödliche Attacke im Frankfurter Hauptbahnhof meldete sich die AfD-Vorsitzende Alice Weidel bei Twitter: 'Schützt endlich die Bürger unseres Landes – statt der grenzenlosen Willkommenskultur!' Was möchten Sie antworten?", fragt die taz Friedrich Küppersbusch. "'Wrstl!?' Der Mörder von Frankfurt ist Schweizer Staatsbürger, Frau Weidel ist Schweizer Steuerzahlerin – müssen die Ausländer ihre Konflikte unbedingt bei uns austragen?"
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