Aus den Feuilletons

Eklat beim ESC - Kümmert kümmmert sich nicht

Andreas Kümmert beim ESC-Vorentscheid mit Moderatorin Barbara Schöneberger
Andreas Kümmert beim ESC-Vorentscheid mit Moderatorin Barbara Schöneberger © dpa / picture alliance / Peter Steffen
Von Adelheid Wedel · 06.03.2015
Wer war hier eigentlich eine Nummer zu groß? Der Eurovision Song Contest für Andreas Kümmert, oder Kümmert für den ESC? Im Vergleich mit der Zerstörung der historischen Stätten in Nimrud wiegt der "Eklat" von Hannover jedenfalls nicht ganz so schwer.
„Mit Nimruds Entdeckung Mitte des 19. Jahrhunderts begann die Orient-Begeisterung in Europa."
Nun wurde diese bedeutende Fundstätte der Antike von IS-Kämpfern vollständig zerstört. Mehrere Feuilletons vom Wochenende beschreiben diese Tragödie. Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG bittet Margarete van Ess, wissenschaftliche Direktorin der Orientabteilung des Deutschen Archäologischen Instituts, um einen Kommentar.
"Nimrud war eine der Hauptstädte des assyrischen Reiches und quasi die Wiege unseres Faches", sagt die Wissenschaftlerin. Dennoch sei es ihr wichtig zu betonen, "dass die Zerstörung von Kulturstätten für uns zwar eine Katastrophe ist, man aber immer auch sehen muss, was dort sonst noch alles zerstört wird." Es störe sie gewaltig, "dass es nun einen Aufschrei wegen der archäologischen Stätten gibt", es dazu aber nicht komme, "wenn Menschen ermordet werden, flüchten müssen, ihre persönliche Geschichte verlieren, weil ihre Manuskripte und Bücher vernichtet werden."

Markus Hilgert, Direktor des Vorderasiatischen Museums der Staatlichen Museen zu Berlin, macht in seinem Artikel, ebenfalls in der FAZ, darauf aufmerksam:
"Wer in diesen Tagen entsetzt die Auslöschung hochwertiger Bildwerke aus vorchristlicher Zeit beklagt, sollte auch erfahren, dass solche Verluste dem Land zwischen Euphrat und Tigris in den letzten beiden Jahrzehnten abertausendfach beigebracht worden sind."
UNESCO spricht von Kriegsverbrechen
Und so sei es auch zu beklagen, dass über aller Trauer um das Unfassbare eine hoffnungsvolle Nachricht medial kaum ausgewertet wird: "Nach zwölfjähriger zwangsweiser Schließung öffnet das Irakische Nationalmuseum wieder für die Öffentlichkeit."
Unesco-Chefin Irina Bokowa nannte die Zerstörung Nimruds ein Kriegsverbrechen. Dieter Bartetzko macht in der FAZ deutlich warum:
"Die Kunstwerke Assyriens und Babylons weisen ein Höchstmaß an Konzentration und Stilisierung auf. Sie sind Hervorbringungen eines allumfassenden Denkens, Konzentrate dessen, was eine Hochkultur über sich, über den Menschen und seine Beweggründe herausfand."
Diese assyrischen Kunstwerke, die nun dem entfesselten Mob zum Opfer fallen, "sind derzeit nur sicher, wenn sie sich nicht an ihren Ursprungsorten befinden, sondern in den europäischen Museen, denen man hierzu-lande vor nicht allzu langer Zeit Kulturkolonialismus vorgeworfen hat."
Kleines großes Drama in Hannover
Ein vergleichsweise kleines Drama, aber eben doch ein Drama, spielte sich bei der Hannoveraner Vorauswahl-Show zum Eurovision Song Contest 2015 ab. Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG ist sehr angetan davon, wie Moderatorin Barbara Schöneberger den nationalen Vorentscheid trotz erheblicher Turbulenzen souverän über die Runden brachte. Was war passiert? Der Sieger Andreas Kümmert überließ seinen Platz 1 im Finale der nächst platzierten Sängerin Ann Sophie, die nun nach Wien delegiert wird. Autor Hoff fragt nach dem Grund:
"Bekanntermaßen lebt der ESC von der schillernden Kulisse. Schrille Show mit größtmöglichem Effekt ist alles bei dieser Veranstaltung. Die Musik ist nichts. Sie spielt allenfalls eine untergeordnete Rolle. Kümmert ist der exakte Gegensatz zu diesem Entwurf. Bei ihm ist Musik alles, er lebt auf der Bühne, er blüht auf, wenn er singt, er meint ernst, was seine Lieder sagen. Das ganze Nebenbei scheint ihm herzlich egal zu sein."
Und so gab er seinen Entschluss bekannt: Seine Konkurrentin sei für den Wettbewerb besser geeignet als er. Hoff bedauert, dass ARD-Show-Chef Schreiber nicht erkannt hat, dass dieser bescheidene Sänger "einem in die Belanglosigkeit abdriftenden Wettbewerb gerade den Hauch von ganz großem Interesse zugeweht hatte." Stefan Niggemeier findet in der FAZ einen bedenkenswerten Vergleich:
"Da ist jemand, dem Sympathien zufliegen, weil er ein großer kleiner Sänger ist. Aber die großen Bühnen und das öffentliche Interesse machen es ihm unmöglich, genau das zu bleiben."
Mehr zum Thema