Aus den Feuilletons

Einordnen, bitte!

04:04 Minuten
Dr. Seuss' englischsprachige Kinderbücher auf einem Ständer in einem Buchladen. Einige der beliebten Kinderbücher sollen nicht mehr verlegt werden, da sie Menschen in verletzender und falscher Weise darstellen, sagte der Konzern, der das Erbe des Authors verwaltet.
Gegen Cancel Culture: Die "FAZ" hält nichts davon, die fraglichen Bücher von Dr. Seuss nicht mehr zu drucken. © imago images/UPI Photo/John Angelillo
Von Paul Stänner · 03.03.2021
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In der Diskussion um die Bücher von Dr. Seuss verweist die "FAZ" darauf, dass der Autor "grassierende Rassenideologie" bekämpft und dabei "zeittypische Klischees" verwendet habe. Man solle daher sein Werk lieber erklären, als verschwinden lassen.
Die Themen dieser Wochen und Monate bündeln sich in den Feuilletons vom Donnerstag. Schauen wir mal: Die FAZ berichtet vom Verschwinden von sechs Titeln des weltweit beliebten amerikanischen Kinderbuchautors Dr. Seuss, weil sie anrüchig erschienen.
Da wird zum Beispiel ein Chinese gezeichnet "als kleiner Mann mit kahlem Kopf unter einem Kegelhut, Stupsnase und etwas, das man ‚Schlitzaugen‘ nennen könnte, wenn der fröhliche Chinese nicht in seiner Lebensfreude die Augen geschlossen hätte – und man zeichnet geschlossene Lider nun einmal als Striche."

Seuss' Werk ausleuchten statt ausblenden

Anders als die Cancel-Verantwortlichen verweist die FAZ auf Dr. Seuss' jüdische Herkunft und darauf, dass er die "in den 30er-Jahren grassierende Rassenideologie bekämpfte und dabei auch zeittypische Klischees verwendete."
Vorschlag der FAZ: "Diese Werke sollen selbstverständlich weiter verlegt werden, aber wie viel eindrucksvoller noch sind sie im Wissen um das, was ihr Autor selbst aus seinem Leben gelernt hat! Das aber wird nicht durch Ausblendung vermittelt, sondern durch Ausleuchtung – wie es kürzlich der Disney-Konzern vorgemacht hat, als er alte(n) Filme(n)… Kommentare voranstellte. So macht man eine Gesellschaft klug."

Zuviel Einheitsbrei im deutschen TV-Krimi

Was noch verschwunden ist: laut TAGESSPIEGEL die Vielfalt im deutschen TV-Krimi und der Reichtum der Sprache. Der spiele immer nur bei bedecktem Himmel, unter kahlen Bäumen und vor allem:
"Im öffentlich-rechtlichen Krimi wird vom Hanseatischen bis zum Oberbayrischen fast alles gesprochen. Nur ostdeutsche Akzente sind tabu. In der ‚Soko Leipzig‘ redet niemand je sächsisch."

Wer darf wen übersetzen?

Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG greift die Kontroverse um die Übersetzung des Gedichts auf, das Amanda Gorman zur Amtseinführung von Präsident Biden gehalten hat. Ein niederländischer Verlag hatte dafür eine preisgekrönte Autorin gefunden. Aber dann brach eine Empörungswelle los, weil diese Übersetzerin weiß und somit ungeeignet sei.
Subtil der Hinweis der SZ: "Dass sich die Szene genötigt sah, im Lauf der Auseinandersetzung darauf hinzuweisen, die Autorin ‚sei immerhin nicht-binär‘, macht die Sache nicht besser – Ausgrenzungserfahrung allein garantiert noch keine schönen, starken Reime."
Die Frage bleibt, wie es dann weitergehen soll? Welche Voraussetzungen muss jemand mitbringen, um berechtigt zu sein, Texte zu übersetzen? Die SZ würde sich wünschen, dass schwarze Autorinnen dazu eingeladen würden, Shakespeare zu übersetzen, beispielsweise ins Deutsche. Denn:
"Ästhetische Bildung war immer auch aufgefasst worden als ein Vehikel zur Emanzipation, gerade zur Überwindung identitärer Verhältnisse."

SPD-Streit um Thierses Äußerungen

Das wäre jetzt das Stichwort, um über den Streit in der SPD zwischen Wolfgang Thierse, Saskia Esken und Kevin Kühnert zu berichten, den das Feuilleton der WELT ausführlich nachzeichnet. Während die WELT fragt, wie sich die Anhänger von Thierse unter dieser Führung noch zurechtfinden, erscheint die Antwort schon in der TAZ, geschrieben vom Landesvorsitzenden von SPDqueer Berlin, der nicht fassen kann, dass über dieses Thema der Minderheiten noch diskutiert wird.
Unter der Parole: "Wir erheben heute also unsere Häupter" kündigt er an: "Wir werden unseren Platz weiter einfordern, weil auch wir Teil des großen Wirs sind." Womit uns klar ist, dass die SPD noch lange über ihr Verständnis von Solidarität diskutieren wird.
Als Absacker noch ein weiterer Hinweis aus der TAZ, die sich über das "Schlaffe Deutschland" mokiert und sarkastisch konstatiert: "Wir kriegen ihn einfach nicht mehr hin, den Blitzkrieg, nicht einmal gegen das Virus." So sieht es wohl aus.
Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer - nun haben sie einen Überblick über die wichtigsten Fragen der Zeit. Haben Sie viel Vergnügen damit – mit der Zeit und ihren Fragen.
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