Aus den Feuilletons

"Eine intellektuelle Vaterfigur"

Umberto Eco
Der italienische Schriftsteller Umberto Eco im Mai 2012 © picture alliance / dpa / Foto: Piroschka Van De Wouw
Von Adelheid Wedel · 21.02.2016
Wegbegleiter und Fans verbeugen sich in den Feuilletons vor dem verstorbenen italienischen Schriftsteller Umberto Eco. So schreibt Orhan Pamuk in der "FAZ" : "Wissen bedeutete für ihn nicht Macht, sondern Freiheit."
"Umberto Eco war ein Genie der Gleichzeitigkeit."
Dieser Satz von Maike Albath in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG ist nur einer aus den zahlreichen Nachrufen auf den Tod des italienischen Schriftstellers, die in den Montagszeitungen nachzulesen sind. Vielleicht gelingt es Maike Albath dabei am besten, die Besonderheit dieses Mannes mit Blick auf seinen Alltag zu charakterisieren:
"Eco beherrschte das Kunststück, vormittags an einem wissenschaftlichen Essay über die Sterblichkeit zu arbeiten, nachmittags sein Institut in Bologna und die Universität von San Marino zu betreuen, zwischendurch an einem Roman zu arbeiten, Übersetzungen seiner Bücher zu begutachten und auch noch eine halbe Stunde für seine wöchentliche Glosse im ´Espresso` abzuzwacken."
Die Autorin verweist auf seine Vielseitigkeit:
"Bahnbrechend war, dass Eco die Kultur insgesamt in sein Verständnis von Text mit einbezog. Comics, Fernsehserien, Kinofilme und Werbung wurden ebenso untersucht wie Literatur, Objekte der bildenden Kunst oder die Kompositionen seines Freundes Luciano Berio. Kein italienischer Philosoph stand mit der Massenkultur auf so vertrautem Fuß wie er. Elitäre Hochnäsigkeit war ihm fremd."
Das bestätigt auch Marc Reichwein, der in der Montagsausgabe der WELT schreibt:
"Zwischen der klassischen und der Genreliteratur, zwischen High und Low Culture sah Eco nie einen Unterschied, und Berührungsängste mit der Massenkultur hatte er keine."
In der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG verweist Andreas Platthaus auf jene Besonderheit, dass der Roman "Der Name der Rose", ein Debüt mit 48 Jahren, "Ecos frühere Bedeutung überlagert, ja fast ausgelöscht hat".
Bis dahin galt er als einer der einflussreichsten akademischen Semiotiker, "der die Errungenschaften des französischen Strukturalismus virtuos mit seinen Kenntnissen über mittelalterliche Logik und Rhetorik verband. Er war das gute Gewissen seines Landes," so Platthaus. Für Orhan Pamuk war er "eine intellektuelle Vaterfigur".
Pamuk weiter in der FAZ:
"Er war so brillant und geistreich, dass jede Begegnung mit ihm ein großes Vergnügen war. Wissen bedeutete für ihn nicht Macht, sondern Freiheit. Er verstand Wissen als schönstes Mittel zu einer fröhlichen, freudvollen Befreiung des Menschen. Dafür habe ich ihn mehr gemocht und bewundert als für alles andere."

In der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG formuliert sein langjähriger Verleger Michael Krüger voller Zuneigung:
"Als ich von seinem Tod hörte, dachte ich, dass solche großen klugen Kinder, wie er eines war, nicht sterben dürfen."

Autor Adonis erhält Erich-Maria-Remarque-Friedenspreis

Am Wochenende wurde der syrisch-libanesische Autor Adonis mit dem Erich-Maria-Remarque-Friedenspreis der Stadt Osnabrück ausgezeichnet. In seiner Dankesrede, die gekürzt im Feuilleton der WELT abgedruckt wird, zeichnet er mit Trauer das Bild "seiner arabisch-islamischen Welt, deren politische, kulturelle und soziale Tiefenstruktur", wie er sagt, "noch immer von Religion und Stammesdenken geprägt ist – als stünde sie in einem Kontinuum mit der Kultur des Mittelalters. Der religiöse Monotheismus blieb stets eine Dominante als Identität, Gedächtnis, Geschichte und Gesetz".

Adonis klagt Europa an:
"Dass die Flüchtlingsströme nach Europa drängen, ist nur natürlich – vielleicht erinnern sie Europa an seine große historische und auch aktuelle Verantwortung für die Entstehung neuer Tyranneien in der arabischen Welt: der bestehenden Regime und ihrer Oppositionen. Europa tat sich mit den rückständigen arabischen Kräften zusammen."
Verbittert und enttäuscht fasst er zusammen:
"Wir müssen mitanschauen, wie der sogenannte arabische Frühling nichts als kaputte Länder hinterlässt."
Adonis fordert die arabischen Intellektuellen auf, "endlich einen Ausweg aus diesem tödlichen Teufelskreis zu suchen. Sie müssen die religiösen und sonstigen Strukturen, aus denen diese Tyrannei hervorging, bekämpfen".
Der Lyriker meint:
"Wir Araber müssen endlich etwas Neues begründen."
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