Aus den Feuilletons

Eine gute Messe ganz ohne Aufreger

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Ein Besucher der Leipziger Buchmesse studiert das Angebot am Stand von Litauen.
Ein Besucher der Leipziger Buchmesse studiert das Angebot am Stand von Litauen. © dpa / picture alliance / Jan Woitas
Von Klaus Pokatzky · 23.03.2019
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Die Buchmesse steht im Fokus der Feuilletons. Die "Welt am Sonntag" stellt fest, dass von rechten Verlagen kaum etwas zu spüren sei, die "FAS" freut sich über die Autoren-Messe, der "Tagesspiegel" registriert fehlendes Spektakel und Promi-Aufkommen.
"Leipzig ist, das ist das Schöne, eine Autorenmesse", steht in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN SONNTAGSZEITUNG. "Um sie geht es in den Hallen und abends in der Stadt", schreibt Julia Encke - und "überall präsent" ist Masha Gessen, die zur Eröffnung der Buchmesse den Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung bekam: "Als Kind jüdischer Eltern 1967 in der Sowjetunion geboren", so die WELT am SONNTAG, "ging Anfang der Achtzigerjahre in die USA, kam Anfang der Neunziger zurück, verließ Russland 2013 wieder wegen eines neuen homosexuellenfeindlichen Gesetzes und lebt seither mit ihrer Frau und drei Kindern in den USA."

Kein erhöhtes Promi-Aufkommen

Was sagen da nur die völkischen Frauen aus der alten Germanenecke? "Von rechten Verlagen war auf der Messe selbst kaum etwas zu spüren. Vielleicht hatten sich ihre Aktivitäten schon eine Woche zuvor in Halle an der Saale erschöpft, wo man sich konspirativ getroffen hatte, als Gegenprogramm zu Leipzig", stellt die WELT am SONNTAG in ihrem Messerückblick fest.
"Aufreger gab es nicht", bilanziert der TAGESSPIEGEL vom Sonntag: "Wirkliche Höhepunkte oder erhöhtes Promi-Aufkommen genau so wenig", schreibt Gerrit Bartels, "und am Ende ist das vielleicht das Beste, was einer Messe wie der Leipziger passieren kann. Auch Bücher sind schließlich immer dann die besten, wenn sie nicht auf Spektakel aus sind."

Wasserdichtes Buch in Paris vorgestellt

Aber worauf sollten Bücher aus sein, damit sie sich möglichst gut verkaufen? "In Frankreich wird in diesen Tagen nicht nur wild gewütet und zerstört", klärte uns die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG auf. "Nein, auch schicke neue Dinge werden dort zurzeit entworfen" - und präsentiert beim Salon du Livre in Paris, der Buchmesse unserer französischen Nachbarn.
"Der kleine Verlag Adespote hat an seinem Stand ein wasserdichtes Buch vorgeführt", so Claudia Mäder in der NEUEN ZÜRCHER. "Seine Seiten sind aus Steinpapier, einem Erzeugnis aus Calciumcarbonat und Polyethylen, und diese Mischung ist laut Hersteller einerseits äusserst umweltschonend (kein einziger Baum fällt ihr zum Opfer) und andererseits eben auch absolut wasserabweisend."

Instagram befördert Absatzzahlen

Das könnte dem gedruckten Buch in unseren digitalen Zeiten doch erst einmal wieder einen großen Vorteil gegenüber dem elektronischen Buch verschaffen; das sollte man schließlich besser nicht mit in die Badewanne nehmen. Der Pariser Buchmesse verdanken wir in diesem Jahr aber noch mehr: Leserreaktionen, die einfach "unberechenbar" sind, wie es in der SÜDDEUTSCHEN hieß.
"Da kommen einer Bloggerin beim Durchblättern des in der Buchhandlung zufällig aufgegriffenen Buchs 'Die Wand' von der ihr völlig unbekannten Autorin Marlen Haushofer plötzlich die Tränen. Sie schreibt das auf Instagram - und die Absatzzahlen schnellen in die Höhe", beschreibt Joseph Hanimann, wie Buchmarketing heutzutage funktioniert. "Der Verlag Actes Sud musste in einer Notaktion den 1963 erschienenen Roman der Österreicherin nachdrucken."
Wie lange wird es da den professionellen Literaturkritiker überhaupt noch geben? "Bücher haben nicht zwangsläufig mit Schriftstellern zu tun. Literarischer Esprit ist tendenziell kränkend." Das stellte die NEUE ZÜRCHER erst einmal ganz grundsätzlich fest, wenn es um einen neuen Förderer unserer Literatur geht: "Deutschlands ranghöchster Fernsehunterhalter", so die Wochenzeitung DIE ZEIT, also Thomas Gottschalk, der nun viermal im Jahr im Bayerischen Rundfunk "die Literatur zu den Menschen da draußen bringen soll", wie Lars Weisbrod schrieb.

Wie ein Kindergeburtstag mit Thomas Gottschalk

"Die Gäste rücken im 8-Minuten-Takt auf der Sitzgruppe weiter wie auf 80er-Jahre-Kindergeburtstagen mit Reise-nach-Jerusalem." So wirkte die neue Literatursendung auf die Tageszeitung DIE WELT. "Als Soundtrack läuft der quasselnde Gottschalk, sein Outfit ist eine Mischung aus Pyjama und Perserbrücke", meinte Marc Reichwein. "Eingeladen hat Gottschalk die ehemalige TV-Moderatorin Sarah Kuttner", zählte DIE ZEIT auf, "den ehemaligen Anwalt Ferdinand von Schirach und die ehemalige Altphilologie-Studentin Vea Kaiser, sie alle erzählen etwas über ihre neuen Romane in die Bügelmikrofone."
Und dabei haben immerhin fast eine halbe Million Menschen zugesehen. "Das Parlando ist streckenweise derart banal, dass sich ein paradoxer Werbeeffekt einstellt", konnte da auch die NEUE ZÜRCHER bemerken: "Man möchte dann doch wissen, worum es eigentlich geht in diesen Werken", fand Daniel Haas. "Das Problem", so die Tageszeitung TAZ: "Mit fünf oberflächlichen Fragen kann man vielleicht einen Hollywood-Star abspeisen, der seinen Film bewerben will; wenn es allerdings um Literaturbesprechungen geht, reicht das nicht aus", bemängelte Carolina Schwarz.
Aber was erwarten wir denn eigentlich vom Fernseher? "Was sich das Publikum vom Rundfunk wünscht", fragt die SÜDDEUTSCHE im Moment in einer kleinen Serie "Wunschfunk". "Welche Sendungen sehen / hören Sie gerne?", wurde etwa der Autor und Moderator Raúl Aguayo-Krauthausen gefragt. "Sendung mit der Maus", so seine Antwort: "Nachrichten sowie ein paar Comedy-Formate. Das gesamte Programm des Deutschlandfunk." Das hören wir genauso gern wie den Profibergsteiger Alexander Huber. "Wann und wie viel schauen Sie fern?" - Seine Antwort: "Ich habe keinen Fernseher."
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