Aus den Feuilletons

Ein wattigweiches Wolkendeckenkino

Ein festgezurrtes französisches Bett auf einem Luxusdampfer
Das klassische französische Bett wehrt sich, wenn man ihm die Decke lockern will... © imago stock&people
Von Ulrike Timm · 16.07.2018
Über Waffen, französische Betten und den Charakter von Trollen diskutieren die Feuilletons dieses Tages. Die "Welt" löst dabei das größte Rätsel auf und beschreibt den Ort, wo "die Schlafenden sich naturwüchsig nahe kommen".
"Lachende Verschwörer" – der TAGESSPIEGEL widmet sich den Trollen, und meint natürlich nicht die verschroben-verstrubbelten skandinavischen Biesterkobolde, die ordentlich pieksen, die aber mit einer Portion Grütze meist ganz gut zu besänftigen sind, sondern die hyperfiesen Netzgeister, Trolle als "Kultur-Hacker": Beleidigen, verleumden, lügen – das ist ihr Handwerk. So nimmt die anonyme Trollszene Einfluss auf das politische Alltagsgeschehen, beeinflusst amerikanische Wahlen, unterstützt Rechtspopulisten und verbreitet gezielte Fake News. Manchmal, in harmloseren Fällen, machen Trolle auch einfach Klamauk, schreibt TAGESSPIEGEL-Autor Frederic Jage-Bowler:
"Der Troll von heute bewegt sich im Spannungsfeld einer Politik des Karneval und einer Politik der Manipulation. Inwiefern seiner Rhetorik eine ideologische Motivation zugrunde liegt, ist nicht immer leicht zu erkennen. Auch deshalb tut sich die liberale Öffentlichkeit im Umgang mit ihm so schwer. Wirklich erfolgreiche politische Influencer – hier darf man auch an die Tweets von Donald Trump denken – bedienen übrigens stets beide Register."

Cohen bewaffnet die Kleinkinder

"Schusswaffen für Kinder? Prima Idee!" – Das postete kein Troll, so titelt die WELT. Hintergrund: Der höchst kreative, dabei auch umstrittene amerikanische Satiriker Sacha Baron Cohen führt für seine neue Sendung derartig hintersinnige Interviews, dass er zum Beispiel Vertreter der Waffenlobby bis zur Kenntlichkeit enttarnt.
Sie erinnern sich, nach einem Attentat in einer Schule war es, als sich der Präsident zur Aussage verstieg, man müsse halt die Lehrer bewaffnen. Und Cohen dreht diesen Irrsinn einfach weiter, sein Trick: Er bedient ein Klischee. Viele Waffenlobbyisten nämlich halten Israelis grundsätzlich für "tough guys" - Cohen "behauptet also, im jüdischen Staat würden schon Kleinkinder an der Waffe ausgebildet, was natürlich ausgemachter Quatsch ist. Aber seine Gesprächspartner reagieren mit Begeisterung." Eben à la "Schusswaffen für Kleinkinder? Prima Idee." Und dafür braucht’s nicht mal Trolle! Wir verlassen die WELT mit einigem Grusel.
"Wir basteln uns eine Erde" heißt es in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG, und das wünscht man sich ja oft genug mit Blick auf die Art und Weise, wie wir auf unserem Planeten herumkrebsen und ihm zusetzen – die Erdbastler im Artikel von Gerhard Matzig sind Geoingenieure, die hoffen, mit ihren Maßnahmen z.B. die Klimaerwärmung noch aufhalten zu können.
"Es gibt das Vermeidungs-Prinzip 'Großer Schirm' oder das Verarbeitungs-Prinzip 'Suppe auslöffeln'. In beiden Fällen wollen Ingenieure die Erde retten, indem sie den Planeten im ganz großen Stil manipulieren. Den XXL-Schirm gibt es übrigens auch in einer sozusagen natürlichen Form: Nämlich als dramatischen Vulkanausbruch". Allerdings: auch Geo-Ingenieurtum ist ein Medikament mit schwerwiegenden Nebenwirkungen. Aber das Foto dazu ist großartig: ein wonnewattigweiches Wolkendeckenkino, wie es wohl doch nur die Natur hinkriegt.

Fügsamkeit, Eroberung oder Ignoranz

Wolkendecke? - Kleiner Ausflug noch in die FAZ. Es ist Sommer, und so darf sich Tilman Allert mit den wirklich wichtigen Dingen des Lebens beschäftigen, also zum Beispiel mit dem französischen Bett. Nach drei Vorschlägen, wie man der festgezurrten Laken-Decken Konstruktion beikommt – nämlich durch Fügsamkeit, Eroberung oder Ignoranz, aber das lesen sie besser selbst – nach drei Versuchen, also, in diesem kunstvollen Konstrukt tatsächlich schlafen zu gehen, lesen wir als Hymne aufs französische Bett tatsächlich das hier:
Hier "kommen die Schlafenden sich naturwüchsig nah, ohne eigenes Zutun und beinahe ohne ein Dazwischen, schicksalhaft wie in einem a propos und ohne dass zarte Initiativen der Annäherung irgendjemandem zurechenbar wären – sind etwa die demographischen Befunde unseres Nachbarn, die hierzulande nichts als Staunen und gelegentlich sogar Bewunderung auslösen, aus dem Nichts entstanden?"
Meine Güte, was für ein Wörterverbrauch - für das eine...
Mehr zum Thema