Aus den Feuilletons

Doktorand will Facebook Manieren beibringen

Auf dem Display eines iphone 6 wird die App des sozialen Netzwerks "facebook" angezeigt.
Auf einem iphone-Display wird die App des sozialen Netzwerks "facebook" angezeigt. © dpa / picture alliance / Britta Pedersen
Von Adelheid Wedel · 06.04.2015
Der 27-jährige Doktorand Maximilian Schrems hat in Wien eine Art Sammelklage gegen Facebook eingebracht, berichtet die "Süddeutsche". Er will verhindern, dass derartige Weltkonzerne weiter systematisch die europäischen Datenschutzgesetze unterlaufen.
"Das deutsche Theater hat einen neuen Lieblingsprotagonisten. Star auf den Bühnen der Gegenwart ist der Laie. Der Durchschnittsmann auf der Straße, der Mensch aus unserer Mitte oder, noch besser, vom Rand der Gesellschaft. Gern problembehaftet."
Das findet Christine Dössel heraus und schreibt über den "Auftritt Volk" in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG. "Laien sind diese Menschen nur im Theater, im Leben aber sind sie wahre Profis, Koryphäen ihrer Biografie."
Die Arbeit mit Laien ist mehr als eine Mode, sie firmiert bereits unter dem Namen "Bürgerbühne" und ist als eine Bewegung zu erkennen. Schon bildet die Bürgerbühne an Theatern eine eigene Sparte, beispielsweise am Staatsschauspiel Dresden. Dessen Intendant Wilfried Schulz hat den Begriff geprägt, er speist sich aus der dokumentarischen Performance von Rimini-Protokoll, dem Theater von Volker Lösch mit seinen Laienchören und nicht zuletzt aus den Inszenierungen von Christoph Schlingensief mit seiner Laien-Personage.
Es geht um Partizipation. Schulz hebt hervor, "es gebe eine neue fortschrittliche Art von Bürgerlichkeit, verbunden mit der Frage, inwieweit der Einzelne in unseren demokratischen Gesellschaften an den Willens- und Meinungsbildungsprozessen überhaupt beteiligt ist; die Bürgerbühne als Übung in gelebter
(Post-)Demokratie." Die Dresdner Bürgerbühne existiert seit 2009 und ist ein Erfolgsmodell. "Kein Wunder, dass das Schule macht."
"Kulturkampf im Norden"
Um die Theater gruppieren sich nicht nur erfreuliche Nachrichten. Ein Beispiel für das Gegenteil liefert das Rostocker Theater, das seinen Intendanten Sewan Latchinian fristlos entließ. Kerstin Decker rollt den Fall im TAGESSPIEGEL auf und untersucht, was dahinter steckt: "Lästerung des Mecklenburgischen Kultusministeriums sowie des Rostocker Oberbürgermeisters." Latchinian hatte im März über kulturell Unwiederbringliches gesprochen und dabei in einem Atemzug die Schleifung der uralten Städte Nimrud und Kurkuk durch den IS und die Zerstörung funktionierender Theaterstrukturen in Mecklenburg-Vorpommern genannt.
Wörtlich sagte er: "Ich setze das nicht gleich, aber vergleichen muss man das schon. Nun tobt ein veritabler Kulturkampf im Norden", so Decker. Latchinian wurde weggeschickt. Dagegen protestierten die Rostocker vor dem Rathaus, sie zeigten den Kulturpolitikern die rote Karte. Für den 13. April ist eine Sondersitzung der Rostocker Bürgerschaft einberufen.
Initiative "Europa versus Facebook"
Er könnte der Mann sein, der Facebook Manieren beibrachte, schreibt Cathrin Kahlweit in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG über Maximilian Schrems, Doktorand der Jurisprudenz in Wien, 27 Jahre alt. "Er brennt für eine Mega-Sache. Schrems will Facebook, Google oder Yahoo dazu zwingen, sich an Regeln zu halten." Die Weltkonzerne sollen nicht mehr sagen dürfen: "Das Gesetz, das sind wir." Sein Selbstbild und sein Kampf um Daten folgen derselben Maxime: "Ich kontrolliere, wie viel ich von mir zeige. Und ich bestimme, was die Welt von mir sieht", so beschreibt die Autorin den "Helden".
Vor knapp vier Jahren gründete er die Initiative "Europa versus Facebook". Er ist überzeugt davon, dass die europäischen Gesetze zum Datenschutz systematisch unterlaufen werden. Vom 9. April an verhandelt das Landesgericht in Wien über die Zulässigkeit einer Art Sammelklage, die Schrems dort eingebracht hat. 25.000 Unterstützer haben ihre Schadenersatz-Ansprüche an ihn abgetreten, die sie im Erfolgsfall gegen Facebook hätten.
Es gehe bei dem Zivilprozess darum, "dass Facebook rechtskonform agieren soll". Facebook behauptet, die Klage sei unzulässig. Da aber ist Schrems anderer Meinung. "Seit Jahren befasst er sich mit kaum etwas anderem als mit komplexen, schwer verständlichen Aspekten des Datenschutzes und der Frage, wie man Global Player zu Kompromissen oder gar zur Einsicht zwingen kann."
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