Aus den Feuilletons

Die Welt nach ihrem Untergang

Donald Trump während seiner Rede in New York nach seinem Wahlsieg bei der US-Präsidentschaftswahl
Donald Trump während seiner Rede in New York nach seinem Wahlsieg bei der US-Präsidentschaftswahl © AFP/ Mandel Ngan
Von Gregor Sander · 10.11.2016
Ohne Donald Trump kommen die aktuellen Feuilletons auch heute nicht aus. Sind es nur die Intellektuellen in Europa, die entsetzt sind über den Wahlsieg des Populisten? Oder waren seine "Wahlversprechen" nur Sprüche, die nichts zu bedeuten haben?
Jammerspiele titelt die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG und meint damit natürlich die Münchner Kammerspiele, die spätestens seit der Kündigung von Brigitte Hobmeier zum Ende dieser Saison unter besonderer Beobachtung stehen. Die ganze erste Seite nimmt sich das Münchner Blatt, um dem Intendanten Matthias Lilienthal die Meinung zu geigen:
"Als der ehrgeizige Münchner Kulturreferent Hans-Georg Küppers 2013 Lilienthal als Überraschungskandidaten für die Nachfolge von Johan Simons aus dem Hut zauberte, lobte er ihn als den 'zukunftsweisendsten und wandlungsfähigsten Theatermacher unserer Zeit' und wurde seinerseits für diese Entscheidung gelobt."
Auch von Christine Dössel, der Autorin dieses Textes. Ein Jahr später stellt sie nun ernüchtert fest:
"Dass die Performeritis an dem Haus derart um sich greift, dass sie jegliches traditionellere Sprechtheater hinwegrafft, ist das eine. Dass sie keine großen, wichtigen, dem einstigen Niveau des Hauses würdigen Arbeiten hervorbringt, das andere."
Auch der Gestus mit dem nun vom ehemaligen Berliner HAU-Intendanten in München Theater gemacht wird, trifft offensichtlich ins bayrische Mark,
"...als hätte München gehörig was nachzuholen. Als würde jetzt hier das Theater neu erfunden",
stellt Dössel in der SZ entnervt fest und vergibt folgendes Jahreszeugnis für die Kammerspiele:
Pipifax-Theater mit dem Anspruch, erklärend, belehrend und gerne auch migrationshintergründig sozial, global und politisch korrekt zu sein.

Die Bedeutung für den französischen Film

All das war die Nouvelle Vague natürlich nie, als sie in den späten fünfziger Jahren das französische Kino revolutionierte. Regisseure wie Jean-Luc Godard oder François Truffaut fallen einem da sofort ein. Hinter deren Kamera stand meistens Raoul Coutard, der nun mit 92 Jahren gestorben ist. Jan Schulz-Ojala hebt im Berliner TAGESSPIEGEL dessen Bedeutung für den französischen Film hervor:
"Raoul Coutard hat über 60 Filme mit höchst unterschiedlichen Regisseuren gedreht, und er war in erster Linie deren geschmeidiges Auge. Wild und unruhig beim frühen Godard, gelasseneren Blicks bei Truffaut."
Hanns-Georg Rodek betont in der Tageszeitung DIE WELT die Eigenständigkeit des Kameramannes in den verschiedenen Meisterwerken:
"Die Offenheit des Blicks, wenn Belmondo und Seberg in 'Außer Atem' die Champs-Élysées entlangschlendern – Coutard. Die üppigen, satten Farben von 'Elf Uhr nachts' – Coutard. Die 300 Meter lange Kamerafahrt entlang des Riesenstaus von 'Weekend' – Coutard. Der Mix aller möglichen Stilmittel in 'Jules und Jim' – Coutard."

Ist der amerikanische Präsident ein Diktator oder Terrorist?

Ganz ohne Donald Trump kommen die Feuilletons auch am Tag zwei nach dessen Wahl zum Präsidenten nicht aus. So schreibt die britische Autorin Zadie Smith in der WELT:
"Gestern meldete die 'New York Times', dass sieben von zehn Trump-Unterstützern ein Amerika wie in den Fünfzigerjahren bevorzugten, eine Nostalgie, die einem Menschen wie mir natürlich vollkommen abgeht, denn damals konnte ich nicht wählen, meinen Mann nicht heiraten, Kinder haben, in der Universität arbeiten, in der ich arbeite, oder in meinem Viertel wohnen. Die Kunst des Zeitreisens unterliegt dem Ermessen: Sie sind eine Vergnügungsreise für die einen und eine Horrorstory für die anderen."
In der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG klingt Jan Wiele fast verkatert:
"Nach dem Weltuntergang geht einfach die Sonne wieder auf. Waren Trumps Äußerungen also nur Sprüche, die jetzt nichts mehr bedeuten, und waren wieder nur die (europäischen) Intellektuellen verrückt, die gern mal einen amerikanischen Präsidenten vorschnell als Diktator oder als Terroristen bezeichnen? Das wäre für die Welt zu hoffen."
Auffallend ist die Nüchternheit mit der die Feuilletons diese vorher noch als Supergau bezeichnete Trump-Wahl angehen. Außer vielleicht die TAZ, in der Hengameh Yaghoobifarah auch vor einem Namenswitz nicht zurückschreckt:
"Trump bedeutet im englischsprachigen Slang auch so viel wie ein feuchter, ekliger Furz."
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