Aus den Feuilletons

Die Waffen der DDR gegen Israel

Die Ehrentribüne auf der Karl-Marx-Allee während der Militärparade am 7. Oktober 1989 in Ost-Berlin mit dem sowjetischen Staats- und Parteichef Michail Gorbatschow (2.v.l.), dem DDR-Staatsratsvorsitzenden und SED-Generalsekretär Erich Honecker (3.v.l.), Raissa Gorbatschowa (hinter Honecker), die Gattin des sowjetischen Präsidenten und Willi Stoph (3.v.r.), Ministerpräsident der DDR.
Als Satellitenstaat der Sowjetunion habe die DDR eine anti-israelische Politik durchgesetzt und sei dabei sogar mit stärkerem Eifer als erwartet vorgegangen. © picture alliance/dpa/adn
Von Arno Orzessek  · 10.07.2016
Bloß nicht zu milde sollten wir über die anti-israelische Politik der DDR urteilen, fordert ein Autor in der "Welt". Schließlich habe die SED-Führung arabische "Judenmörder" mit Waffenlieferungen unterstützt. Der Eifer sei über das hinausgegangen, was die Sowjetunion erwartet habe.
Wäre unsere Kulturpresseschau ein Comic, würden wir in die erste Sprechblase ein "Gääääähn" mit ganz vielen ä hineinschreiben. Die frischen Feuilletons strahlen nämlich keine Frische, sondern matte Montagmorgenmüdigkeit aus.
Der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG etwa ist "Der hilflose Anti-Populismus" einen Aufmacher wert, in dem Thomas Steinfeld etwas hilflos nach einem neuen Dreh in der populären Populismus-Debatte sucht, tatsächlich jedoch auf der Stelle tritt.

Populistische Kritik am Populismus

Und zwar auf der Gedankenstelle, an der in den letzten Wochen schon viele verweilt – um nicht zu sagen: mit den Hufen ihrer Begriffe gescharrt – haben. Und das klingt dann so:
"Widersprüchlich ist die populistische Kritik am Populismus: Sie argumentiert nicht. Vielmehr setzt sie allgemeine Zustimmung voraus, ein Einverständnis, das sich in einem Wort erschöpft, worauf die Verhältnisse geklärt sein sollen. Sie tut so, als erübrige sich jede weitere Auseinandersetzung, wenn man jemanden einen Populisten nennt. Sie beruft sich auf eine Volksmeinung, um sich eines Gegners zu erwehren, der sich seinerseits für eine Verkörperung der Volksmeinung hält."
Ja klar, stimmt schon! Trotzdem erweckt der SZ-Artikel von Thomas Steinfeld in uns den Verdacht, dass die Redaktion einen gewichtigeren Aufmacher vorgezogen hätte – hätte sie einen zur Hand gehabt.

Schlichter Dualismus ist doof

Endgültig mit 0,0-Promille Originalität kommt die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG aus, in der es heißt:
"Mit schlichten Dualismen ist dem israelisch-palästinensischen Konflikt nicht beizukommen."
Wir sind versucht zurückzufragen: Ach nee, echt nicht? Ist’n Ding!
Um vom schlichten Dualismus loszukommen, schlägt der israelische Schriftsteller Etgar Keret eine, sagen wir, auch nicht gerade unschlichte Alternative vor:
"Nennen wir sie 'ambi' [so Keret]. Der Begriff 'ambiisraelisch' oder 'ambipalästinensisch' würde dann einfach bedeuten, dass wir zwar eine prononcierte Meinung zu den Problemen des Nahen Ostens haben, dass sie aber komplex sind. Diejenigen, die sich dem 'ambi'-Lager zurechnen, dürfen ein Ende der Besetzung verlangen, aber die Hamas trotzdem ablehnen; sie können weiterhin die Ansicht vertreten, dass das jüdische Volk einen eigenen Staat verdient, jedoch auch den Finger darauf legen, dass Israel keine fremden Territorien besetzen soll."
So also will der NZZ-Autor Keret dem israelisch-palästinensischen Konflikt sprachlich-gedanklich beikommen. Uns lässt der Enthusiasmus, mit der Keret die Ambi-Idee vertritt, ambivalent zurück. Aber die NZZ-Überschrift finden wir ganz dufte. Sie lautet:
"Wenn die Wörter das Denken verstellen."

Der unerklärte Krieg der DDR gegen Israel

In der Tageszeitung DIE WELT setzt unterdessen Richard Herzinger einen Kampf fort, der für sein Blatt stilprägend ist: Den Kampf gegen allzu milde und für auf- und abschreckende Erinnerungen an die kommunistische Ära und namentlich an die DDR.
Dieses Mal beschäftigt Herzinger "der unerklärte Krieg, den der SED-Staat über Jahrzehnte gegen Israel führte" – und zwar insbesondere mittels Waffenlieferungen.
"Dass die DDR als Satellitenstaat der Sowjetunion verpflichtet war, deren anti-israelische Politik mitzutragen, kann nicht als mildernder Umstand ihres Engagements für arabische Judenmörder angeführt werden. Denn der Eifer, den die SED-Führer bei der Bekämpfung des jüdischen Staats an den Tag legten, ging über das von Moskau erwartete Maß hinaus."
Falls Sie sich fragen, liebe Hörer, woher der WELT-Autor das so genau weiß: Nun, Richard Herzinger hat das noch unübersetzte Buch "Undeclared Wars with Israel" aus der Feder des amerikanischen Historikers Jeffrey Herf gelesen.

Enzyklopädisches Projekt rund ums Essen

Völlig vorhersehbar, aber dank begleitender Sach-Informationen lesenswert ist die Eloge, die der Gastro-Kritiker Jürgen Dollase in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG auf "Bullipedia" anstimmt. So heißt das noch unfertige enzyklopädische Projekt rund ums Essen, das der Koch-Weltstar Ferran Adria verfolgt.
Weil unsere Zeit um ist, können wir Ihnen die Dollase-Ekstase nicht mehr zu Gehör bringen, liebe Hörer. Aber versprochen: Bald stürzen wir uns wieder in den Kampf, der in der TAGESZEITUNG Überschrift wurde – nämlich den "Zitatekampf".
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