Aus den Feuilletons

"Die Urenkelin wirkt angezählt"

Szenenbild aus "Tristan und Isolde" unter der Regie von Katharina Wagner bei den Bayreuther Festspielen 2016, 2. Aufzug: Georg Zeppenfeld (König Marke), Stephen Gould (Tristan), Statist.
Szenenbild aus "Tristan und Isolde" unter der Regie von Katharina Wagner bei den Bayreuther Festspielen 2016, 2. Aufzug: Georg Zeppenfeld (König Marke), Stephen Gould (Tristan), Statist. © Bayreuther Festspiele/Enrico Nawrath/dpa
Von Tobias Wenzel · 02.08.2016
Die Bayreuth-Premiere von "Tristan und Isolde" bei den Wagner-Festspielen kam nicht gut an. Regisseurin Katharina Wagner, Urenkelin des Komponisten und Festivalleiterin, wurde ausgebuht. Die "Welt" zeigt sich schockiert über ihr "Regietheater".
"Achten Sie (... ) lieber darauf, beim nächsten Türkei-Urlaub auch eine türkische Fahne mit in den Koffer zu packen",
schreibt Bülent Mumay in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG und erklärt das mit dem Fall eines Mannes, der auf einem öffentlichen Platz in Ankara verprügelt wurde, weil er keine türkische Fahne dabei gehabt habe.
Vor einer Woche wurde der Journalist Bülent Mumay verhaftet, angeblich, weil er die Putschisten unterstützt habe. Nach drei Tagen in einer winzigen Gemeinschaftszelle sei er dem Staatsanwalt vorgeführt worden:
"Am Ende der Befragung verstand ich, dass er nur Google für seine Recherchen benutzt hatte."
Mumay wurde dann freigelassen.
"Das Ziel der Aktion war eindeutig, die Methode hat schon lange System", schreibt er weiter. "Ein oppositioneller Journalist wird in einen schmutzigen Sack gesteckt, um ihn zu diskreditieren."
So habe die regierungsnahe Zeitung "Star" ein Foto von ihm, Bülent Mumay, in Form eines Steckbriefes veröffentlicht, "wie man ihn aus Westernfilmen" kenne.
"Längst stimmen die Medienkonzerne in den Chor der Regierungsverlautbarungen ein – immer neue Schuldzuweisungen brechen über die sogenannten westlichen Medien herein",
schreibt Yavuz Baydar in seinem "Türkischen Tagebuch" für die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG. Die Schelte der ausländischen Medien und des Auslandes sei nur "ein perfekter Vorwand", um von den wichtigen innenpolitischen Fragen und Problemen der Türkei nach dem Putschversuch abzulenken:
"Finde einen Schuldigen und du kommst mit dem Rest davon."
Apropos Türkei, Schuld und Medien:
"Wir Journalisten in Deutschland schreiben den Sachverhalt auf. Wir berichten darüber. Und weiter?",
fragt Silke Burmester in der TAZ selbstkritisch mit Blick auf die vielen Journalistenkollegen in der Türkei, die gerade "mundtot gemacht" werden.
"Bericht zu erstatten muss reichen. Sich engagieren, 'Halt' rufen – das sollen die anderen tun. Selbst wenn es das zu verteidigen gilt, wofür wir angeblich stehen: die Pressefreiheit."

DDR-Gutachten zu Berliner Stadtschloss

Von Journalistenkritik zum "Reporterglück": Eigentlich wollte Alex Rühle nur ein Klavier abholen, das ein Mann aus Garching zu verschenken hatte. Aber dann wurde der Redakteur der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG in derselben Wohnung auf ein Konvolut aufmerksam. Es entpuppte sich als ein 1950 im Auftrag der DDR erstelltes Gutachten zur Frage, wieviel der Wiederaufbau des Berliner Schlosses kosten würde. Ergebnis: 32 Millionen DM. Einiges an dem Gutachten sei aber seltsam, schreibt Rühle. Es sei zum Beispiel just in der Zeit erstellt worden, als die größten Sprengarbeiten am Schloss vorgenommen worden seien.
Außerdem habe es ein zweites, mittlerweile verlorenes Gutachten gegeben, das auffälliger Weise exakt dieselben Kosten für den Wiederaufbau veranschlagt habe. Rühle referiert die Vermutung von Wilhelm von Boddien, dem Vorsitzenden des Fördervereins für den Wiederaufbau des Berliner Schlosses: Die beiden DDR-Gutachten seien nur angefertigt worden,
"um der Regierung ein weiteres Argument für den Abriss an die Hand zu geben: 32 Millionen, wo soll das Geld herkommen, wir müssen abreißen."

Regietheater in Bayreuth

"Der Nimbus schwindet", schreibt Barbara Möller in der WELT über die Bayreuther Festspiele.
"Das liegt nicht an Wagner. Es liegt an denen, die sich an ihm verheben."
Möller ist merklich schockiert vom dortigen "Regietheater", das "keine Rücksicht" auf die Musik nehme. Christian Thielemann habe den "Tristan" grandios dirigiert. Katharina Wagner sei aber für ihre Regieleistung zu Recht ausgebuht worden. "Die Urenkelin wirkt angezählt", schreibt Barbara Möller. 2020 werde es eine neue "Ring"-Inszenierung geben:
"Wer Regie führt, weiß man noch nicht ( ...), man weiß nur, wer es nicht tun wird: Katharina Wagner. Die hat schon erklärt, dass sie keine Zeit dafür hat. Da ist man schon mal erleichtert."
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