Aus den Feuilletons

Die Religion nicht dem Missbrauch überlassen

Das Wort "Religion" ist aus hellen Buchstaben-Holzplättchen auf ein dunkles Holzbrett gelegt.
Religion kann eine Gesellschaft spalten, aber auch verbinden. © imago/Photocase
Von Adelheid Wedel · 09.11.2018
Die "Süddeutsche Zeitung" befasst sich mit der Tagung des Parlaments der Religionen in Toronto. Die dortigen Erkenntnisse sind im besten Sinne profan: Es geht darum die Religion im emanzipatorischen Kampf in Stellung zu bringen.
"In Toronto hat das Parlament der Religionen getagt - und zum irdischen Widerstand aufgerufen" - berichtet Stefan Weidner in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG über die einwöchige, gut tausend Teilnehmer zählende Veranstaltung. Er zitiert einen Teilnehmer, Miguel De La Torre, ehemaliger Direktor der American Academy of Religion und Professor für Sozialethik in Denver, der sagte, "jede Religion sei satanisch zu bezeichnen, die Unterdrückung und Gewalt rechtfertigt. Nur durch Widerstand wahre man seine Menschlichkeit, entdecke den Glauben."

Einladung auch an Areligiöse

Und auch diese Aussage stammt von ihm: "Wenn die Selbstkolonisierung dazu führt, dass man sich mit den Augen des Unterdrückers sieht, sei es besser, sich eine andere Weltsicht zu suchen". Beherrschende Themen des Parlaments der Religionen waren der Klimawandel, die weltweite Geschlechterungerechtigkeit, die Flüchtlingskrise. "Wirtschaftliche Ungleichheit und die Verheerungen des Neoliberalismus standen ebenso auf dem Programm wie die Beschwörung, dass diese Krisen zusammengehören."
Die seiner Meinung nach zur Schau getragene Einigkeit könne gute Gründe geltend machen, meint Weidner in der SZ und erklärt: "Wer für Inklusion, Gewaltlosigkeit, soziale Gerechtigkeit, ökologisches Wirtschaften plädiert, gegen Rassismus ist und für Emanzipation, hat heute überall ähnliche Gegner. Die Religion in diesem Kampf in Stellung zu bringen, und sie nicht dem Missbrauch zu überlassen, ist folgerichtig." Weiterhin berichtet er: "Selbst wer von Religion nichts hält, war eingeladen, mitzureden, mitzuessen, mitzutanzen."

Hundert Jahre Kriegsende

Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG nimmt das Ende des Ersten Weltkrieges in den Blick. Zum Beispiel ein Videospiel. Axel Weidemann fragt: "Was soll das sein? Es versetzt den Spieler in die Schützengräben und lässt ihn keinen einzigen Schuss abgeben. Mit gutem Grund", fügt er hinzu. Hundert Jahre Kriegsende", schreibt er. "Und nun? Haben wir noch Fragen? Oft nur die ganz banale nach der Lücke zwischen dem 'nie wieder' und all der sprachlichen und tatsächlichen Aufrüstung dieser Tage". Als hätte es die Millionen Toten nie gegeben. Und dann kommt ein Videospiel daher, quasi "eine Übung in Erinnerung", die einen verleitet, authentische und hochinteressante Zeitdokumente in einer virtuellen Bibliothek aufzurufen.
Andreas Platthaus berichtet in der gleichen Zeitung, in der FAZ, dass "die Kultur im Ersten Weltkrieg schwere Schäden erlitt." Als Musterbeispiel dafür, aber auch für den mittlerweile versöhnlichen Umgang damit, ist das norditalienische Städtchen Possagno zu besichtigen. Dort wird an jene Verluste erinnert, "die neben den menschlichen Opferzahlen von Kriegen meist als nicht so schwerwiegend betrachtet werden, aber zentral sind für unser aller Selbstverständnis: die Zerstörung von Kultur."
In der Beilage der WELT, der LITERARISCHEN WELT, gibt Marc Reichwein einen Überblick über die neuesten Sachbücher zum Thema: Vor hundert Jahren ging der Erste Weltkrieg zu Ende. Und er belegt damit, "wie sehr uns das epochale Ereignis bis heute beschäftigt."

Die ideale Komplizin des Kinos

Die Tageszeitung TAZ nennt es "einen Pakt von Einsicht und Intuition." Astrid Kaminski beschreibt unter dieser Überschrift den Vorgang: "Das Land Berlin hat das Gebäude des Radialsystems V gekauft." Es gab in den vergangenen Monaten Visionen für die Immobilie, nun ist eine Bestandsaufnahme mit dem neuen künstlerischen Leiter Matthias Mohr fällig.
Andreas Kilb gratuliert in der FAZ "dem Kinoklangzauberer" Ennio Morricone zum 90. Geburtstag an diesem Sonnabend. Dabei erinnert der Autor an die Musiken zu Sergio Leones "Es war einmal in Amerika", an Bertoluccis "1900". Und an "Spiel mir das Lied vom Tod", "dieser größte aller Soundtracks, der von Tönen lebt, die jeder Bearbeitung spotten, dem Röcheln der Mundharmonika, dem Peitschen der Fender-Gitarre. Morricones Musik ist schon filmisch, bevor die sich über die Filmbilder legt. Ebendas macht sie zur idealen Komplizin des Kinos."
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