Aus den Feuilletons

Die Postkarte scheint unsterblich

06:26 Minuten
Eine alte Postkarte von 1896 zeigt ein Panorama von Bad Neuenahr (damals Neuenahr)
Ein Postkartengruß aus Bad Neuenahr (damals Neuenahr) aus dem Jahre 1896. Die Postkarte erfreut sich immer noch hoher Beliebtheit in Deutschland. © Arkivi / imago-images
Von Klaus Pokatzky · 24.08.2019
Audio herunterladen
Der "Tagesspiegel" und die "taz" feiern den 150. Geburtstag der Postkarte. Die "taz" prognostiziert ihr ein weiteres langes Leben und der "Tagesspiegel" stellt fest, dass immer noch 55 % der Deutschen mit ihr aus dem Urlaub grüßen.
"Ich stehe immer um vier Uhr Ortszeit auf." Das lesen wir in der WELT AM SONNTAG. "Lesen heißt, dass man allein ist und in diesem Zustand des Alleinseins den anderen trifft", sagt Amélie Nothomb auch noch im Interview - und das ist für den Kulturpressebeschauer dann schon sehr viel nachvollziehbarer als das frühe Aufstehen morgens um vier.
"Ich bin ein zu 100 Prozent analoger Mensch", erzählt die belgische Schriftstellerin, die "weder Handy noch Internet" braucht: "Heute beglückwünsche ich mich jeden Tag dazu. Es gibt mir mehr Freiheit, kein Handy zu haben, nicht im Netz zu hängen. Für mich wäre es toxisch gewesen." Ein Lob also für das Analoge.

Die Liebe der Deutschen zu einem alten Medium

"Das Pergament, das handgeschriebene Manuskript, das gedruckte Buch, die Tageszeitung auf Papier", so die Tageszeitung TAZ, "all diese Dinge braucht heute niemand mehr unbedingt, aber sie existieren doch noch, zumindest als Liebhaberei", schrieb Ambros Waibel, "und so wird die Postkarte möglicherweise auch die elektronischen Grußformen überleben, Mail, SMS, Postkarten-App und so weiter." Sie kann nämlich in diesem Jahr ihren 150. Geburtstag feiern: die gute alte Postkarte.
"Postkarten spiegelten als Medium stets auch die Gesellschaft", so der Berliner TAGESSPIEGEL. "Dazu gehört Erotik ebenso wie zensierte Lebenszeichen aus Konzentrationslagern", erinnerte Alexander Riedel.
"Inzwischen ist die Bedeutung der Postkarte jedoch gesunken. Beförderte die Bundespost 1982 noch 877 Millionen Stück, waren es zuletzt meist deutlich weniger als 200 Millionen im Jahr. Doch auch in Zeiten von Messenger-Apps schicken einer Bitkom-Umfrage zufolge noch 55 Prozent der Deutschen aus dem Urlaub eine Karte."
So wie vor fast einem Jahrhundert "der schärfste Kritiker, den es in Deutschland je gab", wie die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG ihn nannte. "Alles, was hier ist, würden Sie sehr genießen. Es ist ein menschenwürdiges Leben, im Weltsommer", malte Alfred Kerr in großen, großen Buchstaben auf schöne Postkarten, die er aus den USA heim nach Deutschland sandte: wenige Jahre nach dem Ersten Weltkrieg - und nun liebevoll wiedergegeben in der SÜDDEUTSCHEN.
"Der Mensch fühlt ein wunderbares Erschüttertsein, wenn er nach dem Weltunglück aus dem verzwisteten, siechen Europa hier landet." Was würde Alfred Kerr heute aus den USA wohl schreiben?

Geostrategische Interessen um Grönland

"Es ist kaum etwas leichter und langweiliger, als sich über Donald Trump zu mokieren oder zu echauffieren", steht in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN SONNTAGSZEITUNG. "Will der Mann doch tatsächlich Grönland kaufen - und ist beleidigt, wenn die Dänen nicht verkaufen wollen und die Grönländer auch nicht", schreibt Peter Körte - der die Kaufpläne allerdings nicht einfach so als üblichen Trumpschen Twittergag begreift.
"Die geostrategischen und sonstigen Vorteile von Grönland werden ja überall betont. Man rückte Putin näher, der sicher auch sofort Alaska kaufen würde, wenn man es ihm anböte." Immerhin war Alaska ja auch schon mal russisch - bis 1867. Wie auch das bierselige Jever bei Ostfriesland russisch war - bis 1818. Hoffentlich stellt Putin da nicht noch mal seine Krim-Ansprüche.
"Es wird ein Ringen zwischen Großmächten wie China, Russland und Amerika um das Land und seine Ölvorkommen geben", war in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG zu Grönland zu lesen. "Die Chinesen engagieren sich sehr stark. Sie bauen Mineralien und seltene Erden ab und beliefern Grönland mit Maschinen. Das sind die Dinge, um die es geht. Vor allem Erdöl", sagte im Interview der gebürtige Südtiroler Robert Peroni, der seit vielen Jahren ein Hotel in Grönland betreibt. Friedlich ist es da, solange Trump und Putin nicht die Landesherren sind.

Pessimismus im Hinblick auf Ostdeutschland

"Dass wir Lichtjahre von diesem großen Wunschdenken einer weltoffenen, multikulturellen Gesellschaft entfernt sind", wurde in einem Interview im TAGESSPIEGEL festgestellt: aber nicht im Hinblick auf Russland oder die heutigen USA - sondern auf den Osten Deutschlands, wo ja am kommenden Wochenende in Brandenburg und Sachsen neue Landtage gewählt werden.
"Schlimm genug, keinen anderen Ausweg zu sehen, als rechts zu denken oder gar zu wählen", meinte die Schauspielerin Simone Thomalla im TAGESSPIEGEL-Interview noch - die sich gegen Stimmen für die AfD engagiert.
Wie sagte noch die belgische Schriftstellerin Amélie Nothomb in der WELT AM SONNTAG? "Heute haben wir wirklich alle Mittel, alles zu recherchieren, was allein beweist, dass das Internet überhaupt nichts bringt. Denn Internet zu haben und nicht den Zusammenhang zwischen den 30er-Jahren zu sehen und dem, was heute passiert, das ist schon eine echte Leistung!"

Die AfD-Pläne für den Kultursektor

Und welche Leistung wird der Wähler erbringen? "Die AfD könnte stärkste Kraft werden", lasen wir in der Tageszeitung DIE WELT - die uns aufklärte, "was diese Partei mit Kunst und Kultur vorhat." Und da kann sich dann manch einer warm anziehen.
"Würde die AfD an die Regierung kommen, müssten die Kulturstiftungen der Städte und Länder demnach sofort einen Großteil ihrer Unterstützung für Künstlerinnen und Künstler, die etwa mit Toleranzprojekten an Schulen eingesetzt werden, zurückziehen", schrieb Swantje Karich - und zählt auf, was so alles auf der Verbotsliste der AfD steht:
"Kopftücher an Schulen, der Bau neuer Moscheen, ‚besonders mit Minaretten‘, die Frauenquote und eine angebliche Frühsexualisierung an Schulen. Das ist nur eine sehr kleine Auswahl." Und welche Kultur ist der AfD genehm? Swantje Karich zitiert aus dem sogenannten "Regierungsprogramm": "Wir wollen die DDR-Kunst aus dem Depot holen und dauerhaft ausstellen. Dazu soll es auch ein neues Museumsgebäude der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden geben."
Da dürfte Ex-Volksbildungsministerin Margot Honecker aber freudig um ihr Fegefeuer tanzen.
Mehr zum Thema