Aus den Feuilletons

"Die Politik hat weggeschaut und verharmlost"

Man sieht eine große Halle mit Kartons voller Kleidung, an Tischen stehen Menschen und sortieren die Spenden.
Keine Unterstützung durch das Land Sachsen: Ehrenamtliche Helfer sortieren Kleidung für Flüchtlinge - hier in Leipzig. © picture-alliance / dpa / Jan Woitas
Von Adelheid Wedel · 28.03.2016
"Es ist kein Zufall, dass Pegida sich 2014 in Dresden gegründet hat", sagt Ali Moradi vom Sächsischen Flüchtlingsrat. In der TAZ wirft er der Landesregierung vor, in den letzten Jahren viel zu wenig gegen Fremdenhass unternommen zu haben.
"Heute, nach der Rückeroberung Palmyras durch die syrische Armee", schreibt Michael Rohlmann in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG, "ist das Schicksal der Ruinenstadt erneut offen." Nach der gewaltsamen Zerstörung und Sprengung der antiken Bauten durch den IS sorgt aber die Nachricht von der Kölner Ausstellung "Palmyra. Was bleibt"? für Freude.
Das Wallraf-Richartz-Museum stellt Zeichnungen und Skizzen des Franzosen Louis-Francois Cassas aus, die der Künstler 1783 anfertigte und die "die Bauten der einst kosmopolitischen Oasenstadt in der syrischen Wüste festhalten: Die monumentalen, mit unglaublicher Sorgfalt entworfenen Blätter sollten in einem riesigen Werk publiziert werden, einer ‚Voyage pittoresque‘ des antiken Orients. Doch das von Cassas über Jahre verfolgte Druckprojekt der Ruinen blieb selbst Torso." Mehr als 200 Jahre nach ihrer Entstehung können die Zeichnungen heute als Quelle für den Wiederaufbau des Weltkulturerbes dienen.

Die Biografien der Attentäter

Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG stellt eine soeben publizierte Studie über die "Bildungskarrieren islamischer Terroristen" vor. "Diego Gambetta, Soziologe in Oxford und Florenz, hat zusammen mit Steffen Hertog, Politikwissenschaftler an der London School of Economic, ein biografisches Muster des islamischen Terrors untersucht."
Ihre These, die nun in Buchform vorliegt: "Unter den muslimischen Terroristen finden sich überzufällig viele Ingenieure und Studenten technischer Disziplinen. Von den mehr als 200 radikalen Muslimen, die an Terrorangriffen teilgenommen haben, waren 45 Prozent Ingenieure." Die Wissenschaftler erklären ihre These und ziehen Schlussfolgerungen daraus, nachzulesen in der F.A.Z. vom Dienstag.

Die Frustration des Flüchtlingsrats

Eine Reportage in der Tageszeitung TAZ berichtet über zwei Zeitungsseiten vom Wirken des Sächsischen Flüchtlingsrates und lässt dabei dessen Geschäftsführer und Projektleiter Ali Moradi zu Wort kommen.
Gabriele Goettle hat sich mit dem Iraner getroffen und ihn nach seinem Leben und seinen Ansichten gefragt. Da kommen erschreckende Details zur Sprache. Moradis jahrelanges Warten auf Asyl haben ihn darin bestärkt, einen Hilfsverein für Flüchtlinge in Zwickau zu gründen. Seit 2006 ist Moradi nun eingebürgert und lebt in Dresden.
Er beobachtet die politische Entwicklung in Sachsen genau und sagt: "Die Situation, so wie wir sie heute haben, hat sich systematisch entwickelt und zugespitzt, weil die Politik versagt hat. Sie hat bereits versagt bei den schlimmsten rassistischen Ausschreitungen der deutschen Nachkriegszeit, damals in den 90er Jahren in Rostock-Lichtenhagen und in Hoyerswerda."

Die Politik hat weggeschaut

Enttäuscht und anklagend meint er: "Die Politik hat weggeschaut und verharmlost. Es ist kein Zufall, dass Pegida sich 2014 in Dresden gegründet hat", und er fordert die Redakteurin auf: "Fragen Sie mal die Landesregierung, was sie in den letzten Jahren unternommen hat gegen das Hochkommen dieses großen Fremdenhasses?"
In Sachsen habe man die restriktivste Asylpolitik von ganz Deutschland mit der zentralen Unterbringung als herrschendes Konzept. "Viele Menschen müssen zu lange Zeit in zentralen Übergangseinrichtungen leben", so Moradi. "Die meisten Wohnheime liegen in der Pampa, am Arsch der Welt, wo es keine Infrastruktur, keine Arbeit, keine Sprachschulen und nichts gibt."

Aufklärungsarbeit in der Bevölkerung

Er habe Familien besucht, die 15 Jahre in solchen Einrichtungen gelebt haben. Die Kinder waren drei Jahre alt bei der Ankunft, und mit 18 saßen sie immer noch im Wohnheim. Am Ende sind sie dann abgeschoben worden. Gegen Ausländerfeindlichkeit und Rassismus versucht der Flüchtlingsrat anzukämpfen. "Für uns ist es ganz besonders wichtig, dass wir Aufklärungsarbeit innerhalb der Bevölkerung machen. Wir versuchen, möglichst viele Ehrenamtliche zu gewinnen und zu schulen." Dann stellt Moradi die Frage: "Was glauben Sie, was wir zur Bewältigung unserer Aufgaben an Geldmitteln bekommen? Der Sächsische Flüchtlingsrat erhält keinen einzigen Pfennig aus Landesmitteln."
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