Aus den Feuilletons

Die Optimierung der Assistenten

04:19 Minuten
Auf dem Bildschirm eines iPhones ist die Spracherkennungs-Software Siri zu sehen, die mit einer Einladung zum "Klönen" nichts anzufangen weiß. Siri schlägt vor, das Wort "Klönen" im Internet nachzuschlagen.
So mancher wird sauer, wenn Siri nicht reden will. Oft kommt es gar zu Beschimpfungen. © Daniel Reinhardt / picture alliance
Von Tobias Wenzel · 07.08.2019
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Die digitalen Sprachassistenten sollen uns den Alltag erleichtern. Dabei brauchen sie aber Hilfe. Und deshalb hören sich Menschen an und analysieren, wie die Nutzer mit Siri und Co. sprechen. Manchmal auch beleidigend, berichtet die "taz".
"Siri ist keine Fotze", so lautet die Überschrift zu Ulrike Sellmanns Artikel für die TAZ. Denn mit diesem Wort beschimpfen einige Männer die digitale Sprachassistentin. Nur: Woher weiß das Sellmann? Siri und Alexa zeichnen auf, was die Nutzer dieser Geräte so alles von sich geben. Ulrike Sellmann und ihre Kollegen hören und analysieren das dann alles in einem Großraumbüro in Barcelona.

Überwachung? Nö. Softwareoptimierung!

Sellmann ist für die deutschen Nutzer zuständig. Es gehe nicht um Überwachung, sondern um Softwareoptimierung, versichert sie und gibt ein Beispiel: Siri habe erst "Code", im Sinne von "Codewort", als "Kot", also "Ausscheidung", fehlinterpretiert.
Ulrike Sellmann hat das dann korrigiert. Mittlerweile erkenne Siri in diesem Fall das Gemeinte. Siri ist für Sellmann also keine "Fotze", sondern lernfähig.
Als herauskam, dass polnische Leiharbeiter die Sprachassistentin Alexa optimieren, also das mit Alexa auf Polnisch tun, was Sellmann mit Siri auf Deutsch macht, habe die Leiharbeitsfirma sofort ihre Stellenangebote im Internet gelöscht, berichtet Jens Jessen in der ZEIT und deutet das so: "Der Mensch will den Roboter – ein Geschöpf von seinen Gnaden –, und wenn es ihn noch nicht gibt, so will er ihn doch zumindest als Lookalike. Steckt darin am Ende die alte prometheische Sehnsucht, sich an die Stelle Gottes zu setzen und als Schöpfer neuer Wesen aufzuspielen?"

Twitter-Gewitter in New York

Um Anmaßung geht es auch in zwei Artikeln der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG.
"Die 'New York Times' hat eine Überschrift geändert", berichtet Michael Hanfeld in der FAZ. "Trump fordert Einigkeit gegen Rassismus", stand da erst zu der Rede, die der US-amerikanische Präsident zum rassistisch motivierten Massenmord in El Paso gehalten hatte. Es folgte ein Twitter-Gewitter: Trump meine das ja nicht ernst, deshalb dürfe man so etwas nicht als Titel bringen.
Die New York Times ließ sich beeindrucken und änderte die Überschrift, was Michael Hanfeld bedauert. Diesen Kritikern fehle "das Grundverständnis dafür, was unabhängiger Journalismus für die Demokratie leisten kann und soll und muss. Sie verwechseln Journalismus mit Aktivismus", schreibt Hanfeld. "Sie wollen, dass man ihre Sicht der Dinge, dass man ihre Meinung zur Grundlage von Berichterstattung zu allem und jedem macht. Mit Journalismus hat das Ergebnis nichts mehr zu tun, das nennt man vielmehr Propaganda."

Zerwürfnis über Zentrum für Diktaturforschung

Auch die Leitung der Berliner Humboldt-Universität scheint eingeknickt zu sein, folgt man Hannah Bethkes Interpretation in ihrem Artikel für die FAZ. Der Historiker Jörg Baberowski hatte die Idee, ein Interdisziplinäres Zentrum für Diktaturforschung an eben dieser Universität zu etablieren, und hat deshalb einen Antrag dafür gestellt. Der soll nun passé sein. Dabei hat Baberowski ihn nach eigener Auskunft gar nicht zurückgezogen.
Hannah Bethkes Vermutung: Die Universitätsleitung habe in "vorauseilendem Gehorsam" gegenüber einigen Studentenvertretern gehandelt. Der Historiker war mit Worten wie "rechtsradikaler Professor" und "Nazi-Apologet" diffamiert worden, so Bethke; die Studenten hätten sich mit Baberowskis "Antikommunismus" und seiner Kritik an Merkels Flüchtlingspolitik gerade nicht "argumentativ" auseinandergesetzt.
Hannah Bethke sieht eine Verbindung zwischen dem vermutlichen Kuschen der Universität und der Tatsache, dass die HU Berlin jüngst wieder das Prädikat "Exzellenz-Universität" erhalten hat:
"Gerede über schwerwiegende Verfahrensfehler, Diskreditierungen anerkannter Wissenschaftler und politische Zerwürfnisse käme dem Begehren, im von Rankings besessenen Wissenschaftsbetrieb möglichst gut dazustehen, nicht gerade zupass", schreibt Bethke:
"Exzellent ist, wer es vermeidet, in der Öffentlichkeit anzuecken."
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