Aus den Feuilletons

Die öden Wohnwelten der Superreichen

04:16 Minuten
Luxuswohnung in einem Wolkenkratzer in New York. Eine Treppe führt in einen weiträumigen, leeren Wohn- und Küchenbereich, der mit einer Terrasse ausgestattet ist. Die bodentiefen Fenster geben den Blick frei auf die Skyline von Manhattan.
Kaum auszuhalten hier drin, oder? Die Wohnstile der Gutbetuchten in Manhattan gleichen sich laut "SZ" in ihrer Langeweile. © imago-images / ArchPhoto / Eduard Hueber
Von Gregor Sander · 22.12.2020
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In den hoch gelegenen Wolkenkratzer-Luxusappartements in New York könne man tatsächlich sehen, dass die Erde rund ist. Die ewig gleiche Standardausstattung mit Marmor, Eichenfußboden und Rundum-Aussicht sei aber deprimierend, schreibt die "SZ".
"It’s modern but timeless", so lautet die häufigste Beschreibung in Wohnungsanzeigen für Superreiche in New York. Das lernen wir in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG, die ein Interview mit der ungarischen Künstlerin Andi Schmied geführt hat. Die wollte wissen, wie einem diese himmelnahen Lofts präsentiert werden.

Der tolle Ausblick nutzt sich ab

Also gab sie sich als ungarische Multimillionärin aus, buchte sich eine Assistentin und erschuf sich einen fiktiven digitalen superreichen Ehemann: Schon öffneten sich die Fahrstuhltüren der Wolkenkratzer. Aber was heißt nun: It’s modern but timeless?
"Das heißt: Standard Marmor-Ausstattung in Küche und Bad, Eichenfußboden, Rundum-Aussicht. Es ist immer das gleiche. Wirklich, deprimierend gleich", so die 34-Jährige, der es auch nicht schwer fiel die Bilder für ihren Fotoband "Private Views" zu schießen. Sie wurde sogar regelrecht eingeladen: "Ich sollte ja meinem Ehemann alles zeigen."
Gemeinsam mit SZ-Autorin Johanna Adorján, die das Interview führte, wollen wir nun aber wissen, wie es ist im hundertsten Stock über eine der aufregendsten Städte der Welt zu gucken: "Einerseits völlig verrückt. Man kann von dort das Meer sehen, alle drei Flughäfen. Und ja, man sieht, dass die Erde rund ist", so Schmied und:
"In jedem Apartment ist die Badewanne direkt am Fenster: Da sitzt du dann drin in deinem intimsten Moment, nackt, und guckst auf die Menschen runter, die da unten ihrer Arbeit nachgehen. Mir erscheint das symbolisch."

Clooney wird verrissen

Außerdem nutze sich der Ausblick ab, betont die Künstlerin. Was uns nun wieder beruhigt, und damit wir nicht auf die dezembergraue Hausfassade gegenüber schauen müssen, streamen wir uns lieber in eine Welt, die noch schlimmer ist als Corona-Lockdown UND das Wetter da draußen:
"Die große Leere", so überschreibt Andreas Busche im Berliner TAGESSPIEGEL seine Kritik zu George Clooneys Film: "The Midnight Sky". Auf Netflix erzählt er da von einer ausgelöschten Menschheit im Jahre 2049. Am Nordpol lebt noch ein robinsonartiger Forscher, gespielt von Clooney selbst. Sein Freitag ist ein schweigendes kleines Mädchen und im All schweben noch fünf weitere Menschen, die vor eine Rückkehr gewarnt werden sollen. Busche fühlt sich vom spielenden Regisseur nicht unterhalten:
"Was nach sieben Filmen verblüfft, ist Clooneys Hilflosigkeit, aus disparaten Ideen eine kohärente Dramaturgie zu entwickeln", stöhnt er und auch Jenni Zylka von der TAZ hat schon Besseres gesehen:
"Clooneys Inszenierung nach einem Drehbuch des 'The Revenant'-Autors Mark L. Smith verlässt sich von Anfang an weder auf seine Bilder noch auf seine Botschaft, und erst recht nicht auf seine Figuren. Mit einem anstrengend pompösen, manipulativ-untermalenden Score erschlägt der Oscarpreisgewinner Alexandre Desplat die Handlung fast und versucht redundanten Szenen eine Bedeutung einzuhauchen, die sie nicht haben", schimpft Zylka.

Eminem wird gelobt

Also versuchen wir in die Musik zu fliehen. Wobei die Musikkritik ja manchmal noch unterhaltender ist: "Fiebrig hingezitterte Trap-Hi-Hats, bis wenige Zentimeter über den Asphalt tiefergelegte Synthies. Ein Track, der durch die Szenerie gleitet wie ein Haifisch in Lauerstellung." So beschreibt Jakob Biazza das neue Album von Eminem in der SZ. Auch wenn das eigentlich nach Begeisterung klingt, stellt er erst einmal noch genüsslich fest:
"Eminem war jetzt ein paar Jahre lang ziemlich schlecht. Doch, man kann das wohl als Tatsachenbehauptung stehen lassen. Die Kritik war sich weltweit sehr einig", schulmeistert Biazza, um im Finale seiner Kritik dann doch wieder den Daumen zu heben:
"Den größten Spaß macht 'Alfred’s Theme'. Charles François Gounods 'Trauermarsch für eine Marionette' trällert im Hintergrund, die Drums krachen dreckig, und Eminem liefert, zwischen einer Tonne an verdrehtem Reimgut, diese Erkenntnis: 'Bitch, I still get the bag when I’m putting garbage out'. Frei übersetzt: Selbst, wenn ich Müll rausbringe, bekomme ich noch Geld."
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