Aus den Feuilletons

Die nächste Gruselwelle in Sachen Abendland

Eine Frau liest in Michel Houellebecqs Roman "Soumission".
Ein muslimischer Präsident und gesellschaftlicher Großumbau: Darum geht es in Michel Houellebecqs neuem Roman "Soumission". © BERTRAND GUAY / AFP
Von Burkhard Müller-Ullrich · 02.01.2015
"Schrecklich" findet die "SZ" das neue Buch des französischen Schriftstellers Michel Houellebecq. In "Soumission" wird ein Muslim Präsident, um die Machtübernahme durch den Front National zu verhindern. Es folgen "schlimmstmögliche Wendungen" am laufenden Band, findet die Zeitung.
Nun, da die Islamisierung des Abendlands zumindest in Köln durch Ausschalten der Dombeleuchtung abgewehrt wird (oder war es andersherum?), kommt die nächste schaurige Gruselwelle in Sachen islamisches Abendland von jenseits des Rheins: aus Paris. Dort hat der unzähm- und unberechenbare Skandalschriftsteller Michel Houellebecq ein neues Buch mit dem Titel "Soumission" veröffentlicht, das Sandra Kegel im ersten Satz ihrer Rezension in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG "schrecklich" nennt und das sie im letzten Satz "mit kühlem Kopf" zu lesen empfiehlt. Vor allem so schreibt sie:
".... wünscht man sich angesichts der Lektüre von 'Soumission', dass Pegida-Anhänger sich nicht für französische Romane interessieren. Sie könnten sich von diesem neuesten, schon vor Erscheinen heftig diskutierten Buch in ihren dumpfen Ressentiments fatal bestätigt fühlen."
"Soumission" bedeutet Unterwerfung, was die wörtliche Übersetzung von "Islam" ist. Der Roman spielt im Jahr 2022 und wird aus der Perspektive eines grüblerischen und unsicheren Literaturwissenschaftlers erzählt.
In Frankreich wird ein Muslim zum Präsidenten gewählt, weil die bürgerlichen Parteien und die Sozialisten nur so glaubten, die Machtübernahme durch den Front National verhindern zu können. Und der gesellschaftliche Großumbau beginnt; Tag für Tag ändert sich das Stadtbild, die Juden fliehen nach Israel, aber die Arbeitslosigkeit geht zurück, weil die Frauen ins Haus verbannt werden.
Houellebecq bietet keine Alternative
"Houellebecq geht dorthin, wo es hässlich wird, und kein politisch korrekter Wille kann ihn aufhalten. Die Bestürzung muss jeder für sich aushalten. Houellebecq bietet keine Alternative, keinen Halt und auch keine Bewertung der Ereignisse, allenfalls grinsende Ironie über seine bösen Einfälle; zuverlässig verpasst er jeder Situation ihre schlimmstmögliche Wendung",
... schreibt Sandra Kegel, sichtlich erschüttert davon, dass sich die Houellebecqschen Fantasien nicht einfach als "dumpfe Ressentiments" abtun lassen – und zwar aus einem Grund:
"Seine Kritik an der eigenen Kultur fällt mindestens so vernichtend aus wie die an der islamischen."
Als Kritik an der eigenen Kultur ist es wohl auch zu verstehen, dass die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG einen Artikel ihres New Yorker Mitarbeiters Peter Richter bringt, der sich gegen Großraumbüros wendet – Großraumbüros wie diejenigen, in denen zum Beispiel das Feuilleton der SZ gemacht wird. Anlass der Berichterstattung ist die Tatsache, dass Michael Pietsch, der Chef der amerikanischen Verlagskette Hachette nicht nur alle seine Mitarbeiter in den berüchtigten Cubicles - 1,80m lang, 1,50m breit - arbeiten lässt, sondern seinen eigenen Schreibtisch auch in eine solche Kabine stellen ließ. Zufällig ist in den USA gerade ein Sachbuch über diese Cubicle-Kultur erschienen, das Peter Richter zitieren kann:
"Interaktion und Kommunikation wurden als Normen in den verlandschafteten Büros begriffen; Introspektion und Konzentration wurden zu Nebensachen. In dem Rausch, die Welt mit offenen Grundrissen zu überziehen, gingen so ein paar entscheidende Werte der Arbeitsleistung verloren."
Parallelgesellschaftliche Verhältnisse auf Mallorca
Angesichts solcher Entwicklungen ist es irgendwie tröstlich, dass das Rad der Geschichte manchmal auch zurückgedreht wird. Über einen solchen Versuch berichtet Paul Ingendaay in der FAZ von der Insel Mallorca. In deren Hauptstadt Palma gab es bis 2012 ein Programmkino, das einzige der Balearen, das Filme in der Originalfassung mit Untertiteln zeigte. Nach der Schließung bildete sich ein Verein, der das Kino mit einem Heer von Freiwilligen weiterbetreibt.
"Hier haben sich 1300 Menschen zusammengetan, um einen kulturellen Wert zu erhalten und ihn mit anderen zu teilen. Hier haben Bürger die Initiative ergriffen, statt auf großsprecherische Repräsentationskultur zu setzen oder auf die pleite gegangene Kommune zu warten",
... schreibt Ingendaay und es wird einem mitten im Winter ein wenig warm uns Herz. Dies auch weil man selten so scharfe Beobachtungen über die parallelgesellschaftlichen Verhältnisse auf der Insel in einen nüchternen Zeitungsbericht eingeflochten findet.
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