Aus den Feuilletons

Die lange Wunschliste der Ex-Majestäten

04:21 Minuten
Burg Hohenzollern im Nebel.
Schon im Besitz der Adligen: Burg Hohenzollern bei Bisingen. © picture alliance/Sebastian Gollnow/dpa
Von Hans von Trotha · 30.01.2020
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Sieben Experten haben sich vor dem Kulturausschuss des Bundestages mit den Entschädigungswünschen der Hohenzollern befasst. "Die Hohenzollern fordern, der Staat hofft", schreibt die FAZ. Kein Wunder, dass die Forderungen immer dreister würden.
Neben vielem anderen ist das Feuilleton auch ein Speicherort für Verluste. Mit einer Glosse beklagt etwa Ariane Bemmer im TAGESSPIEGEL den Verlust der radiophonen Staumeldung, ja, sie "fährt fast aus der Kurve, weil der Deutschlandfunk keine Staumeldungen mehr senden wird", schließlich seien "Staumeldungen ja nicht nur ein Überblick über das Verkehrsgeschehen, sie (seien) – besonders morgens – auch Zeit zur Kontemplation. Das Radio läuft, die Moderatoren sprechen betonungslos, Information fließt, ist aber für die Mehrheit ohne praktischen Nutzen."
Es ist also ein ritualisiertes poetisches Moment, dessen Verlust Ariane Bemmer da in ihrem Feuilleton beklagt. Susan Vahabzadeh registriert in der SÜDDEUTSCHEN einen anderen Verlust, nämlich den der Nacktheit. "Seit einiger Zeit", stellt sie fest, "verschwindet Nacktheit aus Filmen, Fernsehen und Werbung". Aber auch aus dem Freibad.

Die nackte Haut ist verschwunden

Ist das nun, fragt sie, "Zeichen einer neuen Prüderie oder falsch verstandener Political Correctness? Fernsehen", meint sie, "wird von nackter Haut nicht besser oder schlechter. Aber sie ist nicht nur aus dem Fernsehen verschwunden und aus dem Freibad – sie wurde an düstere Orte im Netz verbannt. Und das", findet Vahabzadeh, "ist irgendwie nicht gut." – Also ein Verlust.
Einen ordentlichen Verlust musste auch die Familie Hohenzollern hinnehmen, als ihnen Macht und Krone abhanden kamen. Von dem, was damals verlorenging, wollen sie jetzt einiges wiederhaben – was dann allerdings für die Museen verloren wäre, in denen es derzeit zu sehen ist.
Klingt nach einer Lose-Lose-Situation. Die hat den Weg ins Feuilleton über den Kulturausschuss des Bundestages gefunden, der darüber befinden sollte, was kein Feuilleton unkommentiert lässt. Am Ausführlichsten berichtet Andreas Fanizadeh in der TAZ.

Baronesse von Düsterlohe ist empört

Er zitiert Charlotte Motschmann von der CDU, geborene Baronesse von Düsterlohe, die sich bereits zuvor über Kritik an den Hohenzollern-Forderungen empört habe: "Jan Böhmermann, Der Spiegel oder die taz – sie alle diskreditieren den Adel", hatte Motschmann sich beschwert.
"Kritik am Weißwaschen von früher braunen Adligen gilt hier noch als Majestätsbeleidigung", empört sich der TAZ-Autor. "Die von ihr als 'populistisch' bezeichneten Medien hatten den Kronprinzen mit Hakenkreuzbinde und im Nazirock gezeigt. Historische Aufnahmen, die es nun mal gibt, auch wenn sie nicht immer leicht zugänglich sind," wie die TAZ betont.
In der SÜDDEUTSCHEN kommentiert Jens Bisky. "Sehr deutlich", meint er, war in der Kulturausschusssitzung "zu erleben, dass Politik, Justiz und Geschichtsschreibung einer je eigenen Logik folgen und man gut daran tut, die Perspektiven zunächst auseinanderzuhalten."
In der FAZ zitiert Andreas Kilb Christoph Martin Vogtherr, Generaldirektor der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten, die den Großteil der zwischen Bund und Hohenzollern strittigen Objekte verwahrt: "Man könne nur hoffen, dass die Familie ihre geschichtliche Verantwortung erkennen und das öffentliche vor ihr privates Interesse stellen würde. Mit anderen Worten", so Kilb: "Die Hohenzollern fordern, der Staat hofft. Kein Wunder, dass die Forderungen dreister, die Wunschlisten länger" würden.

Der endgültige Brexit

Der Wunsch ist nicht selten die unmittelbare Antwort auf den Verlust. So wie der Ausruf des britischen Schriftstellers Julian Barnes in der SÜDDEUTSCHEN angesichts des Verlusts der Woche, des sich nun endgültig vollziehenden Brexit: "Wir", titelt Barnes, wenn das kein Wunsch ist, "kommen wieder".
"Ich werde nicht weinen und mich nicht betrinken", behauptet der Autor und zitiert aus dem Roman "England, England", den er 1998 schrieb, "der in einer Zukunft (ungefähr jetzt) spielt, in der das Vereinigte Königreich dafür stimmt, aus Europa auszusteigen, und es schafft, 'die Verhandlungen mit derart verbohrter Irrationalität zu führen, dass man ihnen für den Auszug am Ende noch Geld zahlte'."
Barnes zitiert außerdem den französischen Historiker Ernest Renan mit dem Satz: "Es gehört zum Wesen einer Nation, dass sie ihre Geschichte missversteht."
Verhandlungen von verbohrter Irrationaliät, bis man dafür Geld bekommt, dabei die Geschichte der eigenen Nation gründlich missverstehen – vielleicht sollte man die Sache mit den Hohenzollern doch noch einmal ausführlicher in den Feuilletons behandeln. Noch ist der Fall ja nicht ganz verloren.
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