Aus den Feuilletons

Die Klapperschlange wird 70

03:59 Minuten
Schauspieler Kurt Russel guckt auf seine Armbanduhr.
Wirklich schon so spät? Kurt Russel in "Die Klapperschlange" von 1981. © IMAGO / Granata Images
Von Gregor Sander · 16.03.2021
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Die "SZ" gratuliert dem Schauspieler Kurt Russel zum 70. Geburtstag und bedauert dabei, dass der Held aus "Die Klapperschlange" nie zu den ganz Großen gehört hat. Dafür macht er jetzt seinen eigenen Wein.
"Wir müssen uns derzeit vorkommen wie Autodidakten in einem globalen Labor, wobei wir Versuchstiere wie zugleich auch Forscher sind", stellt Roman Bucheli in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG fest und meint damit unser aller Rolle in der Pandemie.
"Vermutlich wussten wir nie zuvor so genau, wie viel wir nicht wussten. Und wahrscheinlich war es uns noch nie so schmerzlich bewusst geworden, was dieser wesenhafte Rückstand des Wissens auf die Wirklichkeit bedeutet", so Bucheli.

Der Lohn der Planlosigkeit

So langsam wissen wir dies ja leider nur zu genau und können jeden Tag verfolgen, wie das Virus uns immer mehrere Schritte voraus ist. Worin der NZZ-Autor, aber auch etwas Gutes erkennt:
"Dass wir derweil mit allen Ungewissheiten leben, ist der Preis dafür, weder von Experten noch Diktatoren beherrscht zu werden. Sie würden alle Fragen mit einem Federstrich lösen. Wir aber fliegen weiterhin mit dem Raumschiff Erde etwas planlos durch das All: als selbsternannte Experten und ratlose Laborratten in einem."
Womit also der Impfrückstand in Europa wenigstens zum Demokratiebeweis genutzt werden kann.
"Eine Zeitlang hatte man den Eindruck, Corona habe Metoo verdrängt", ist im Berliner TAGESSPIEGEL zu lesen, aber dann gibt das Autorentrio Julius Betschka, Frederik Hanssen und Christiane Peitz, Entwarnung: "Seit einigen Wochen steht es wieder auf der Agenda."
Gemeint ist, neben den Vorwürfen gegen BILD-Chefredakteur Julian Reichelt, auch der Rücktritt des Volksbühnenintendanten Klaus Dörr, wegen des Vorwurfs des wiederholten übergriffigen Verhaltens:
"Jeder macht halt mal Fehler – dieses Laissez-faire bei Führungspositionen ist keine Option mehr. Ein Paradigmenwechsel findet statt, die Gesellschaft ist mittendrin in diesem Prozess", ist man sich beim TAGESSPIEGEL sicher.

Keine Rechtfertigung für Angst

In der Tageszeitung DIE WELT hat Manuel Brug den Regisseur Ersan Mondtag gleich selbst gefragt, und der gesteht: "Auch ich habe mit Angst gearbeitet, ich habe das so gelernt, und bedauere das zutiefst. Für Angst gibt es keine Rechtfertigung."
Trotzdem betont Mondtag: "Ich nehme mir auch die Freiheit, auf einer Probe laut zu werden, ohne persönlich jemanden gezielt anzugehen. Manchmal muss sich Energie entladen, oder sie muss kanalisiert werden. Aber Übergriffiges habe ich nie wahrgenommen, später nur von anderen gehört. Und ich habe schnell gesehen, da gibt es einen Graubereich, vor allem, wenn man Intendant ist, wenn man Verträge macht. Da wird es sensibel."
Aber in diesem Gespräch in der WELT wird nicht nur zurückgeblickt. Der 34-jährige Regisseur macht auch einen konkreten Vorschlag für den Bühnenalltag: "Warum sollte nicht eine neutrale Person in den Proben sitzen und aufpassen, dass im Eifer des kreativen Geschäfts nichts aus dem Ruder läuft? Ich bin nicht sicher, ob ich das als Regisseur gut fände, aber damit die anderen glücklicher sind?"
Leider erklärt Mondtag nicht genau, wie so eine Aufpasserperson dann beispielsweise mit Frank Castorf umgehen würde, aber es ist ja auch erstmal nur eine Idee.

Der Söldner und der Präsident

"Kurt Russell, der stoische Einzelkämpfer des Kinos, wird siebzig", gratuliert Fritz Göttler in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG und erinnert sich vor allem gern an dessen Rolle in John Carpenters "Escape from New York" von 1981. In Deutschland hieß der Film "Die Klapperschlange", und Russell spielte einen einsamen Söldner, der den Präsidenten retten sollte.
"Kurt Russell ist nie der Superstar geworden, wie man es nach der 'Klapperschlange' erwarten hätte können, er war einfach nicht egomanisch genug", ist sich Göttler sicher. Die großen Kassenschlager blieben aus, und so ist Kurt Russell eine Karriere gelungen, "die er selbst einmal als 'seltsam' bezeichnet hat", wie Tobias Sedlmaier in der NZZ berichtet.
Was aber auch seine Vorteile hat, denn: "Statt Skandale kultiviert Russell seinen eigenen Wein oder findet als Pilot die Freiheit unter dem Horizont."
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