Aus den Feuilletons

Die Handgranate des Wahnsinns

US-Präsident Donald Trump an Bord der Air Force One
Sieht so die Handgranate des Wahnsinns aus? Für den dänischen Regisseur Nicolas Winding Refn schon. © AFP/ Saul Loeb
Von Klaus Pokatzky · 07.07.2018
In den Feuilletons der Woche ging es um den wirkungsmächtigen Zurücktreter, der am Ende vom Rücktritt zurücktritt, um Mode beim Bachmann-Wettbewerb, um "die Handgranate des Wahnsinns" namens Donald Trump sowie um Reaktionen auf Deutschlands Vorrunden-Aus.
"Das wird bestimmt groß", warf die Tageszeitung TAZ einen Blick auf den Sonntag. "Preisvergabe, die Jury stimmt vor laufender Kamera ab", nämlich beim Vorlesewettbewerb in Klagenfurt. "Kameraleute geben ihr Bestes mit schönen Detailaufnahmen und waghalsigen Schwenks." So schön kann Literatur sein. "Beim Klagenfurter Bachmann-Wettbewerb", beobachtete die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG, "ist bei den Juroren das Ruderleiberl in Mode gekommen", so Paul Jandl. "Ein Ruderleiberl ist ein T-Shirt, bei dem der Sport, den man darin treiben könnte, ans Textile delegiert ist." So sportlich kann Literatur sein.
"Der Begriff der ‚Sauregurkenzeit‘ blickt auf eine bemerkenswerte Karriere zurück", klärte uns die TAZ auf – über "eine Phase, in der die Geschäfte zu, die Zeitungen voller drittrangiger Nachrichten und die Politiker im Urlaub sind, also kurz gesagt: wenig los ist", so Nils Schuhmacher. Das war einmal: tempi passati. Wir haben schließlich ihn – den wirkungsmächtigen Zurücktreter, der am Ende vom Rücktritt zurücktritt.

Über das Wort "wirkungsgleich"

"Ein paar Tage sah es so aus, als könnte an einem Wort die Regierung zerbrechen", hieß es in der Tageszeitung DIE WELT. "Der CSU-Vorsitzende und Bundesinnenminister Horst Seehofer hatte Ende Juni ultimativ verkündet, Kanzlerin Angela Merkel habe bis zum EU-Gipfel in Brüssel Zeit, um mit den Partnerländern eine Lösung zu finden, die ‚wirkungsgleich‘ sei mit seinem Plan" – nämlich, dass Asylsuchende bereits an der Grenze zurückzuweisen seien.
Horst Seehofer (CSU), Bundesminister des Innern, für Bau und Heimat, spricht nach dem Koalitionsausschusses von CDU/CSU und SPD vor dem Reichtagsgebäude zu den Medienvertretern (5.7.2018)
Der wirkungsmächtige Zurücktreter, der am Ende vom Rücktritt zurücktritt: Horst Seehofer.© dpa-news / Kay Nietfeld
Dann lassen wir das geheimnisvolle Wort gleich mal wirken. "Die frühesten Belege in den Zeitungen Mitte der Neunzigerjahre stehen alle im Zusammenhang mit Reformen des Gesundheitswesens, die Seehofer in seiner Amtszeit 1992 bis 1998 anschob. Damals wurde erstmals vorgeschrieben, dass Ärzte, wenn mehrere Medikamente mit dem gleichen Wirkstoff zur Auswahl stünden, das billigste verordnen sollten", hat Matthias Heine das Wort für die WELT recherchiert.
"Es ist allein auf den Wortschatz von Politikern beschränkt. Horst Seehofer verrät sich damit als Vertreter jener Kaste, als deren Gegenüber er sich so gerne inszeniert." Politiker sprechen eben ihre ganz eigene Sprache. "‘Die Tonart verschärfen‘, so ließ sich bis zum Wochenende diese rhetorische Strategie beschreiben", meinte die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG. "Einfache Aussagesätze wie ‚Der Hund ist bissig‘", so Lothar Müller, "können Warnungen oder Drohungen sein, eine Frage wie ‚Wann hast du dir zum letzten Mal die Haare gewaschen?‘ in die Rubrik ‚Jemanden provozieren‘ fallen."
Tage der deutschsprachigen Literatur: Eröffnung im ORF Theater, Rede zur Literatur von Feridun Zaimoglu
Klare Worte kamen von Schriftsteller Feridun Zaimoglu zum Auftakt des diesjährigen Bachmann-Wettbewerbs.© Johannes Puch / www.johannespuch.at
Literaten sprechen da deutlicher. "Es gibt keinen redlichen rechten Intellektuellen. Es gibt keinen redlichen rechten Schriftsteller", das sagte der Schriftsteller Feridun Zaimoglu zum Auftakt des Klagenfurter Bachmann-Wettbewerbs. "Es hilft nichts, den Rechten edle Motive zu unterstellen, wie es mancher Feuilletonist tut. Es geht ihnen einzig und allein um die Fremdenabwehr, die Vaterländerei ist ihre Phrase der Stunde", wie die SÜDDEUTSCHE zitierte.
"Es ist eine bedrohliche Zeit, zu leben", meinte da Nicolas Winding Refn, "was nicht zuletzt an jener Handgranate des Wahnsinns liegt, die sich Donald Trump nennt". Das schrieb der dänische Regisseur in einem Beitrag für den britischen Guardian – und die SÜDDEUTSCHE brachte einen kleinen Auszug daraus: "Wir müssen raus aus unseren Komfortzonen, und wenn wir geschubst werden."

Viktor Jerofejew: "Weint nicht zu sehr, ihr Verlierer"

Da war doch noch was. "Tut mir übrigens sehr leid, dass Ihr Deutschen so früh rausgeflogen seid", sagt der britische Musiker Sting im Interview mit der WELT AM SONNTAG. "Weint nicht zu sehr, ihr Verlierer, die ihr in der Vorrunde rausgeflogen seid!", rief uns Viktor Jerofejew nach der Demütigung beim Balltreten im Russenland zu. "Die Hauptnutznießer der Weltmeisterschaft 2018 sind die jungen Russinnen", schrieb der Schriftsteller in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG.
Viktor Jerofejew, geboren 1947 in Moskau als Sohn einer Diplomatenfamilie, wurde bekannt durch seinen Roman "Die Moskauer Schönheit" aus dem Jahr 1989.
Der russische Schriftsteller Viktor Jerofejew weiß, was russische Frauen wollen. Zumindest glaubt er das.© Deutschlandradio / M. Hucht
"Fragt man eine unserer Frauen, was sie an den ausländischen Touristen finde, dann vergleicht sie als Erstes unsere Jungs mit den Fremden. Die Russin träumt von gutem Sex, der ihre Bedürfnisse befriedigt. Einem durchschnittlichen Russen kann aber Bier schon mal wichtiger sein als Sex, manchmal ist ihm Sex ganz egal." Aber Vorsicht deutsche Fußballfans, die Ihr noch im Putin-Reich ausharrt: "Im Netz sind nicht wenige Videos aufgetaucht, in denen man sieht, wie russische Typen eine junge Frau, die mit einem Ausländer unterwegs ist, beleidigen oder gar anrempeln. Der ausländische Schlachtenbummler selbst riskiert, Prügel zu beziehen."

Merkel cooler als Wonder Woman

Cool bleiben – einfach von Angela lernen, das heißt fürs Leben lernen. "Wie die Kanzlerin einen Mann nach dem anderen abräumt, ist grandios", meinte die WELT. "Merkel ist eben keines von diesen wildschweinhaften Machttieren, die sich gegenseitig in ihren Volten und Finten zu überbieten suchen. Sich in der Sache auskennend, lässt sie die Männer sich in ihr Unheil verstricken, ohne mit der Wimper zu zucken", freute sich Hannah Lühmann. "Angela Merkel ist cooler als Wonder Woman. Sie ist ein Idol."
Die israelische Schauspielerin Gal Gadot als Diana in einer Szene des US-amerikanischen Films "Wonder Woman".
Sich Kanzlerin Merkel als "Wonder Woman" vorzustellen, bedarf einiger Fantasie. Doch der Vergleich in der "Welt" ist eher auf innere Werte wie Stärke und Coolness bezogen.© Clay Enos/ TM & © DC Comics
Dazu passt, was Sting und sein amerikanischer Musikerkollege Shaggy im Doppelinterview der WELT AM SONNTAG erzählten. "Sting und ich", so Shaggy, "wir finden beide, dass Frauen mehr Macht in vielen gesellschaftlichen Bereichen bekommen sollten. Wir sind beide Feministen. Aber wir beide finden Frauen auch sehr attraktiv. Sehr sexy. Frauen sind wie Götter." Darauf Sting, ganz gender-sprachbewusst: "Es muss Göttinnen heißen." Shaggy: "Frauen sind wie Göttinnen."
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