Aus den Feuilletons

Der politische Lärmpegel steigt

04:17 Minuten
Der Chef der spanischen rechtspopulistischen VoxPartei klatscht.
Santiago Abascal ist der Chef der rechtspopulistischen VoxPartei Spaniens. Mit seiner Partei ziehe eine Debattenkultur ins Parlament in Madrid, die man in Deutschlands bereits von der AfD kenne. © picture alliance/Cezaro de Luca/dpa
Von Hans von Trotha · 29.04.2019
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Die "FAZ" befasst sich mit der Spanien-Wahl und dem damit verbundenen Einzug der Ultra-Rechten ins Parlament in Madrid. Paul Ingendaay prophezeit, Spanien werde nun ähnliche Probleme bekommen, wie Deutschland sie mit der AfD habe.
Wahlkampf wird im Feuilleton selten wegen der Themen zum Thema, für die das Feuilleton zuständig wäre. Er wird eher selbst zum Gegenstand der Betrachtung. Die WELT fügt dem noch eine Kategorie hinzu - nämlich im Feuilleton selbst Wahlkampf machen. Jan Küveler stürzt sich auf einen Satz von Robert Habeck im "Bild"-Interview, nämlich:
"Um zu glauben, im eigentlichen Sinn, habe ich wohl zu viele Philosophen gelesen. Ich bin auch nicht in einer Kirche", den er zum Anlass nimmt, sich zu fragen: "Wofür Habeck wohl noch alles zu viele Philosophen gelesen hat?" und sich eine ganze lange WELT-Spalte lang selbst Antworten zu geben - à la: "Um Boris Palmer abzufeiern, im eigentlichen Sinn, habe ich wohl zu viele Philosophen gelesen. Ich fahre auch gern Bahn."

Die AfD setzt auf historische Gemälde im Wahlkampf…

Womit wir beim Thema "Dunkelhäutige auf Plakaten" wären, das Jörg Häntzschel in der SÜDDEUTSCHEN aufgreift in einem Feuilleton-Kommentar über den Wahlkampf. Er zitiert die im SPIEGEL kolportierten Worte des Schriftstellers und AfD-Beraters Thor Kunkel: "Unbequeme Wahrheiten", also "Tatsachen", könne die AfD "auf ihren Plakatmotiven nicht zeigen, ohne sich den Vorwurf des Rassismus einzuhandeln".
Kunkels Alternativvorschlag gehört definitiv ins Feuilleton: "Statt die Parolen mit nachgestellten Fotos, etwa von der Kölner Silvesternacht, zu illustrieren", berichtet Jörg Häntzschel, "ergoogelte Kunkel historische Gemälde, die ähnliche Sachverhalte zeigten. Ganz oben auf seiner Liste stand", so Häntzschel, "das Bild 'Der Sklavenmarkt', das Jean-Léon Gérôme 1866 gemalt hat. Es zeigt eine nackte weiße Frau umringt von finster dreinblickenden Arabern. 'Damit aus Europa kein 'Eurabien' wird!', steht darüber.

… und landet bei Pornografie

Jörg Häntzschel schreibt: "Statt noch grellere Bilder einer angeblichen Krise zu erfinden, behauptet man, diese Krise habe einen jahrhundertealten Vorlauf. Was", so Häntzschel, "die AfD und Thor Kunkel aber ganz offensichtlich nicht bedacht hatten, ist das Eigenleben und die eigene Wirkung dieser Gemälde. Gérôme war nicht etwa, wie die AfD vorgibt, ein Dokumentarist von schlimmem Missbrauch, er hat die Lüsternheit seiner Kunden bedient. Sein Gemälde ist Pornografie, die das orientalische Setting zur Legitimierung braucht."

Der Einfluss der Rechtspopulisten in Spanien und Österreich

Paul Ingendaay blickt in der FAZ zurück auf den polarisierten Spanien-Wahlkampf, in dessen Folge die Ultra-Rechten auch in das dortige Parlament einziehen, was bedeute: "Spanien wird also ähnliche Probleme bekommen, wie Deutschland sie mit der AfD hat: Vergröberung des Diskurses, Steigerung des Lärmpegels."
In Österreich hat der längst ohrenbetäubende Ausmaße angenommen. Im Fall Wolf zum Beispiel, den Stephan Löwenstein in der FAZ so zusammenfasst: "In Österreich geht die blaue Wolfsjagd weiter. Dabei steht 'blau' für die rechte Regierungspartei FPÖ und 'Wolf' für den ORF-Journalisten Armin Wolf."

Der Druck der FPÖ auf den ORF

"Mit Gebrüll", nennt Leila Al-Serori ihre Darstellung in der SÜDDEUTSCHEN und unterstreicht so den Lärmpegel im Nachgang eines Wolf-Interviews mit dem FPÖ-Spitzenkandidaten bei der Europawahl, Harald Vilimsky, während dessen dieser angedroht habe, das Interview werde für Wolf "Folgen haben".
Und siehe da: "Wolf könne doch ein Sabbatical machen und 'durch die Welt fahren', zitiert Al-Serori Norbert Stegner, "der für die FPÖ im ORF-Stiftungsrat sitzt". Parteichef und Vizekanzler Heinz-Christian Strache warb gleich "für ein neues ORF-Gesetz, mit dem die Rundfunkgebühren gestrichen werden sollen. Er werde 'wie ein Löwe' dafür kämpfen. Von beiden Regierungsparteien sei der Druck auf die Redaktionen enorm geworden, erzählen Wiener Journalisten", so Al-Serori weiter. "'Jeder Journalist, den ich kenne'", zitiert sie den früheren Chefredakteur einer großen Tageszeitung, "'überlegt beim Kommentarschreiben nun, ob die negativen Konsequenzen die kritische Meinung auch wert sind.'"

Neonazis wegpiepen

Stephan Löwenstein fügt in der FAZ hinzu, in einer Satiresendung wurde "bei der Bemerkung, FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache habe einen Weg "vom Neonazi zum Sportminister" zurückgelegt, das Wort "Neonazi" mit einem Piepton überblendet. Dabei", so Löwenstein, "hat sich der junge Strache nachweislich in einem Neonazi-Umfeld bewegt."
"Vergröberung des Diskurses, Steigerung des Lärmpegels" nennt das Paul Ingendaay in der FAZ und fügt hinzu: "Der künftige spanische Regierungschef muss ein Pragmatiker sein, ein Manager des Kuddelmuddels."
Das dürfte für den Gewinner der Europawahl erst recht gelten.
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