Aus den Feuilletons

"Der Mann mit dem Fahrrad"

Lars Gustafsson, schwedischer Schriftsteller und Philosoph, aufgenommen am 03.03.2012 in Mainz.
Lars Gustafsson, schwedischer Schriftsteller und Philosoph, aufgenommen 2012. © picture alliance / Erwin Elsner
Von Ulrike Timm · 03.04.2016
In den Feuilletons wird der verstorbene schwedische Schriftsteller Lars Gustafsson für seine literarische Vielseitigkeit gewürdigt. Die "Welt" sieht ihn vor allem als den "Mann mit dem Fahrrad".
"Das Licht kommt jetzt aus Spanien", "Wanderer, kommst Du nach Island", "Papierschnipsel und Strandgut" – wer mag, kann mit den Feuilletons auf Kunstreise gehen, nach München, Essen und Berlin – so viele Ausstellungen werden besprochen.
Die WELT lobt die Münchner Schau des spanischen Malers Joaquin Sorolla, ein "impressionistischer Salonmaler", der in seiner Heimat ein Star, in Deutschland nahezu unbekannt ist. Eine "effekthascherische Versessenheit", dekorativ zu sein, lässt Autor Marcus Woeller an Sorollas Kunst auch ein bisschen zweifeln, aber vor dem "mächtig gehörnten Ochsen" möchte er fast Reißaus nehmen, so eindrucksvoll geriet das Vieh… Großformatig über eine Seite erstreckt sich der dazugehörige Artikel in der WELT.
Mittelgroßformatig lobt die FRANKFURTER ALLGEMEINE eine Ausstellung mit Reisebildern von Albrecht Dürer bis Olafur Eliasson im Kupferstichkabinett in Berlin und etwas kleinformatiger die TAZ "Papierschnipsel und Strandgut", die Tomi Ungerer zu Collagen gefügt hat – in Essen ausgestellt.

Markt der Groschenromane beleuchtet

Wer nun allerdings bei der FAZ-Schlagzeile "So gut wie hier sah ein Mord noch selten aus" nochmal Kunst erwartet, ist im Irrtum – hier geht es um einen trotz Staraufgebot ziemlich langweilig geratenen Fernsehkrimi.
Also weiter zur SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG: "Herz-Operation". Dr. Norden führt sie im medizinischen wie im übertragenen Sinne aus, denn fast jeder Groschenroman ist auch eine Liebesschmonzette - und Dr. Norden ist ein Star der Szene, 30.000 Auflage pro Geschichte, alle zwei Wochen gibt es eine neue, und nach 60 Seiten ist immer alles wieder gut.
Die SÜDDEUTSCHE beleuchtet den Markt der Heftchenromane. Der ist zwar rückläufig, aber wohl nicht nur für SÜDDEUTSCHE–Leser immer noch schwindelerregend.

Gustafsson war urskandinavisch

Also Flucht, zu einem wirklich Großen. Aus traurigem Anlass – der schwedische Schriftsteller Lars Gustafsson ist gestorben. Seine literarische Vielseitigkeit und seine geradezu enzyklopädische Bildung heben alle Feuilletons hervor, Thomas Steinfeld für die SÜDDEUTSCHE und Wolf Lepenies für die WELT schreiben aus der persönlichen Begegnung mit dem Schriftsteller heraus besonders warmherzige Würdigungen.
Für Steinfeld war Gustafsson der Autor, der mit einem einzigen elchartig-schwedisch-langgezogenen "Aaahh" im Gespräch alles auf einmal signalisieren konnte, Freundlichkeit, Skepsis, Erstaunen, Nachdenken und Distanz. Urskandinavisch eben.
Und für Wolf Lepenies in der WELT wird Lars Gustafsson stets "Der Mann mit dem Fahrrad" bleiben - "keiner Metapher traut Lars Gustafsson so viel zu wie dem Fahrrad, sobald es in seinen Gedichten und Romanen um die Ecke biegt, naht schmerzhafte oder glückliche Bedeutung" - Gustafsson ist fast 80-jährig in Stockholm gestorben.
Durch seinen fünfteiligen Roman "Risse in der Mauer" zieht sich als Leitmotiv ein Satz, der nachklingt. Natürlich sagt ihn der Fahrradfahrer, immer neu, nach jedem Sturz: "Wir fangen noch einmal an. Wir geben nicht auf."
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