Aus den Feuilletons

Der kopierte Finger der Ursula L.

Ursula von der Leyen
Ursula von der Leyen © picture alliance / dpa / Foto: Matthias Balk
Von Tobias Wenzel  · 28.12.2014
Ein Mitglied des Chaos Computer Clubs hat aus einem Foto von Ursula von der Leyen mit entsprechender Computertechnik ihren Fingerabdruck kopiert. Die FAZ meint dazu: "Daumen hoch zum Scannen". Derzeit tagt der Chaos Communication Congress in Hamburg.
"Hätten Sie gern den Fingerabdruck von Ursula von der Leyen?",
fragt Stefan Schulz in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG. Schulz hat beim 31. Kongress des Chaos Computer Clubs in Hamburg den Vortrag des Hackers Jan "Starbug" Krissler verfolgt und Erschreckendes erfahren. So kommt man ganz leicht an den Fingerabdruck wichtiger deutscher Politiker:
"In die Bundespressekonferenz gehen, ein 200-Millimeter-Objektiv mitnehmen, Menschen auf der Bühne fotografieren und den Fingerabdruck vom hochauflösenden Bild ablesen."
Dass das funktioniert, hat der Hacker auf dem Kongress demonstriert. Jetzt sagen Sie, lieber Hörer, bestimmt:
"Um in die Bundespressekonferenz zu kommen, brauche ich ja einen Presseausweis. Den habe ich aber nicht. Trotzdem hätte auch ich so gerne den Fingerabdruck von Frau von der Leyen."
Das ist natürlich ein berechtigter Einwand. Stefan Schulz von der FAZ bzw. der Hacker "Starbug" hilft da mit folgender Anleitung weiter:
"Ein Bild im Internet suchen, Finger ausschneiden, Fingerabdruck nachbauen, auf Folie ausdrucken – nutzen. Die Bildersuche bei Google bietet Anschauungsmaterial noch und nöcher. Wer da nicht alles den Daumen hebt – Daumen hoch zum Scannen."
So könnte man sich Zugriff auf die Daten eines iPhone verschaffen, das der betreffende Politiker per Fingerabdruck-Scan gesichert hat. Übrigens, erläutert Stefan Schulz, kann man mit der Foto-Methode auch die Iris duplizieren, zum Beispiel die der Bundeskanzlerin:
"Sollte der mit meterdicken Wänden gesicherte, abhörsichere Raum für Geheimnisse im Kanzleramt mit Fingerabdruck- und Iris-Scannern gesichert sein, hat jeder Zutritt, der in der Lage ist, ein Bild der Kanzlerin im Internet zu suchen und gut auszudrucken."
Also auf zum Kanzleramt! Und danach alles brav beichten.
Wagner und kein Ende
"Ich habe nicht DIR gedient, o Herr, sondern meinen eigenen Lüsten gefrönt!"
Diese Beichte wünscht sich der Musikwissenschaftler und Wagner-Experte Martin Geck von manch einem Regisseur, der Wagner inszeniert und dabei – so Gecks Meinung – Wagners Musik aus den Augen verloren hat. Für Geck war Frank Castorfs "Ring des Nibelungen" in diesem Jahr "Trash". Er wirft dem Regisseur einen "geringschätzige[n] Umgang mit Wagners Figuren" vor.
Ähnlich musste der Musikwissenschaftler leiden, als er im Tiroler Erl einen gewissen "Vierundzwanzig-Stunden-'Ring'" verfolgte:
"Gustav Kuhn, in Erl verantwortlich für Musik und Regie, mutet seiner Klientel nichts zu, er verwöhnt sie mit kulinarischen Häppchen. Die Abwesenheit jeglicher Botschaft im Erler 'Ring' provoziert zwangsläufig die Frage, wozu denn derlei Kultur(losigkeit) noch gut sein soll."
Denn Wagners Musik leide, wenn sie unverbindlich inszeniert oder wenn sie nicht vom Regisseur geliebt werde. Um den Anhängern des Regietheaters die Zeit zu geben, diese Liebe zu finden, schlägt Martin Geck in der FAZ folgendes vor:
"Lasst uns jetzt mal ein Wagner-Sabbatical einlegen."
Russische Benimmregeln für Migranten
Was fängt man da bloß mit seiner Zeit an? Man könnte nach Russland emigrieren, um dort heimlich, zum Beispiel in Sibirien, Wagner zu inszenieren. Wer allerdings als Migrant legal in Russland arbeiten will, muss von 2015 an nicht nur Kenntnisse der russischen Sprache haben, sondern auch der russischen Geschichte und Kultur. Darüber berichtet Barbara Oertel in der TAZ. Genauer: über eine Broschüre der Russisch-Orthodoxen Kirche, die den Migranten den rechten Weg weisen soll. Ein Punkt der Broschüre:
"Migranten sollten in öffentlichen Verkehrsmitteln nicht laut sprechen, mit den Armen wedeln oder drängeln."
Ohne diesen Körpereinsatz könne man aber gar nicht in überfüllte russische Busse einsteigen, wirft die TAZ-Autorin ein. Überhaupt erscheint ihr die skurrile Broschüre als unsinnig:
"Mit dem Sichanpassen an die Realitäten in Russland, wo Migranten auch gern mal in konzertierten Aktionen massenhaft ausgewiesen und gejagt werden (wobei sie bisweilen zu Tode kommen), ist das so eine Sache."
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