Aus den Feuilletons

Der Influencer aus dem Vatikan

Papst Franziskus während seiner wöchentlichen Audienz auf dem Petersplatz in Rom.
Ist der Papst auf Instagram? © Getty Images / Giulio Origlia
Von Gregor Sander · 29.01.2019
Jetzt gibt es also eine App für das gemeinsame Gebet mit dem Papst. Und Maria hätte vermutlich heute einen Instragram-Account. Das sagt, so ähnlich, sogar der Papst. Jedenfalls widmen sich die Feuilletons mit Wonne diesem Thema.
"Diesen Monat haben 2.245.380 Menschen mit dem Papst gebetet", erfährt man beim Öffnen der offiziellen Gebets-App des Papstes "Click to Pray". Die hat Franziskus vor ein paar Tagen am Fenster des Apostolischen Palastes mit einem Klick gestartet und Aurelie von Alazekovic hat sie für die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG getestet.
23.01.2019., Zagreb, Croatia - Pope Francis has launched a new app called "Click to Pray" Photo: Igor Soban/PIXSELL |
... sind Tausende Gläubige mit der neuen Gebet-App "Click to Pray" zumindest im Gebet ganz nah dabei.© picture alliance/dpa/PIXSELL
"Drei kurze Gebete liefert die App, morgens, nachmittags, abends. ‚Gott, danke für mein Leben. Lehre mich, wie ich heute wahre Hoffnung haben kann‘, ist so eines. Um mitzubeten, berührt man den Button unter dem Text, tipp. Dann steht da, wie viele Menschen jedes Gebet erreicht hat: ‚6834 haben gebetet‘.

Heute würde Maria mehr auf ihr Äußeres achten

Offensichtlich geht es auch bei dieser App weniger um Inhalte, als darum, wieviel Menschen via Internet erreicht werden. Und so wagt die SZ-Autorin eine Prognose: "Vielleicht wird ‚Click to Pray‘ ja auch eine Bühne für christliche Influencer? Laut Papst gab es die schon immer, man denke nur an Maria. Am Sonntag twitterte Franziskus vom Weltjugendtag in Panama: "Ohne soziale Netzwerke war sie die erste Influencerin, die ,Influencerin’ Gottes."
Als solche müsste Maria heute vor allem auf ihr Äußeres achten, wenn man der TAZ glauben darf. "Erfolgreich sind dabei die Frauen, die dem Schönheitsideal entsprechen: schlank und langhaarig. Junge Instagrammerinnen eifern diesem Verständnis von Schönheit nach, 50 Prozent der Befragten gaben an, ihr Äußeres auf den Bildern zu optimieren."

Was ist eigentlich Manipulation?

Diese Optimierung könnte man natürlich auch Manipulation nennen. Die hält der Schweizer Philosoph und Autor Alexander Fischer für ein: "Ganz normales und natürliches Phänomen menschlicher Kommunikation."

Den SZ-Lesern erklärt er zur Manipulation: "Es werden unsere Affekte, also unsere Gefühle und Stimmungen angesprochen. All das also, was uns jenseits unseres rationalen Nachdenkens erwischt, was uns unter die Haut kriecht. Denken Sie an die Werbung. Das Ziel, ein bestimmtes Produkt zu kaufen, wird als etwas Angenehmes präsentiert, so erscheint es attraktiv, und es wird wahrscheinlicher, dass wir es tatsächlich kaufen."

"Haben Sie schon eine Risikolebensversicherung?"

Allerdings kommt es dabei durchaus auch auf das Umfeld der Werbung an, wie Anett Selle in der TAZ betont: "Ein Sanitäter versucht im Schlauchboot, einen Geretteten wiederzubeleben. Um ihn herum schreien Menschen. Schnitt. ‚Haben Sie schon eine Risikolebensversicherung?‘"
So geschehen auf Spiegel-Online. Dort wird gerade die Dokumentation "Es ist Mord", gezeigt. In der ist zusehen, was mit Geflüchteten passierte, die im November 2017 von Libyen aus versuchten, Europa zu erreichen. Dazwischen die übliche Reklame. Das ist dann selbst dem Kunden zu viel: "Das Versicherungsunternehmen CosmosDirekt, dessen Clip für Risikolebensversicherungen zwischen den Sterbenden läuft, positioniert sich öffentlich: Das Nachrichtenumfeld sei ‚mehr als unpassend‘. Leider habe man keine Garantie, um eine solche Platzierung zu verhindern. ‚Wir möchten uns trotzdem in aller Form dafür entschuldigen!‘, twittert das Unternehmen."

Das sozial und ästhetisch Unauffällige

Vielleicht macht man dann doch lieber Eigenwerbung! Davon versteht kaum jemand so viel wie Florian Henckel von Donnersmarck. Mit seinem neuen Film hat er es wieder bis zur Oskar-Nominierung geschafft und reichlich Widerspruch im Feuilleton erregt. Tilman Krause von der Tageszeitung DIE WELT nimmt ihn in Schutz: "Wir prämieren das sozial und ästhetisch Unauffällige. Bei uns können Leute wie Florian Silbereisen was werden. Oder Juli Zeh. Florian Henckel von Donnersmarck überragt sie alle schon um Hauptes Länge", so ein beseelter Krause. Von Donnersmarck "hat das deutsche juste milieu der Unauffälligen, Durchschnittlichen herausgefordert. Und das spricht, ganz unabhängig davon, was man von seinen Filmen hält, doch entschieden für ihn."
Wer es etwas kleiner mag, der wird laut Berliner TAGESSPIEGEL in ein paar Tagen auf der Berlinale fündig: "Vier Minuten dauert der kürzeste Film, ‚Nest‘ von Sonja Rohleder. Ein Paradiesvogel auf Partnersuche. Ganz schön fix, das Federvieh."
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