Aus den Feuilletons

Der Humor der Demagogen

04:20 Minuten
Eine Frau und ein Mann verdecken ihre Gesicher mit Emoji-Masken
Worüber lacht der Demagoge? Die Antwort kennt der Schweizer Humorforscher Wilhelm Ruch. © imago stock&people
Von Adelheid Wedel · 01.04.2019
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Überall regiert der Witz am 1. April, auch die Kulturseiten der Zeitungen beschäftigen sich mit dem Thema Lachen. In der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG kommt ein Schweizer Humorforscher zu Wort, der erklärt, warum Spaßmacher auf einmal Länder regieren.
"Die Menschen öffnen sich, wenn sie lachen", sagt Wilhelm Ruch im Interview in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG und liefert uns damit den Satz zum 1. April. Der 61-Jährige lehrt an der Universität Zürich Persönlichkeitspsychologie und beschäftigt sich seit Jahren mit dem Phänomen Humor.
Er sagt: "Witz zu haben, ist ein Zeichen von geistiger Fitness. Er beweist, dass ich den Leuten eine Spur voraus bin, und die anderen müssen erst dekodieren, was ich erkannt habe". Das erkläre auch, warum Spaßmacher plötzlich Chancen haben, Führung übertragen zu bekommen, es beweist "die erstaunliche Macht des Witzes."
Warum trauen wir ausgerechnet Leuten, die die wichtigen Dinge nicht ernst zu nehmen scheinen, wird er gefragt. Ruch verweist auf eine lange Tradition:
"Der Hofnarr hatte die Möglichkeit, Dinge zu sagen, die sonst niemand auszusprechen wagte."
Einen Komiker zu wählen, sei eine Form des Protestes, indem der Wähler zeigt: "Sogar einem Narren vertraue ich mehr als allen Politikern." Menschen allein wegen ihrer Witze ins Präsidentenamt zu wählen sei "vor allem gefährlich und problematisch, wenn man sich anschaut, in welcher Form Demagogen Humor einsetzen", meint der Wissenschaftler in der SZ.

Whitten durchbricht die unsichtbare Grenze

Aus der Tageszeitung TAZ erfahren wir: Im Hamburger Bahnhof in Berlin läuft die in Europa erste Museumsausstellung des US-afroamerikanischen Künstlers Jack Whitten. Noch vor seinem Tod im letzten Jahr suchte er die Werke aus, die Kurator Udo Kittelmann nun als Whittens "Sammlung seiner Lieblingsbilder" ausstellt.
1939 in Alabama geboren, versuchte der Künstler "die unsichtbare Grenze, die schwarzen Künstlern gegeben war, wenn sie nicht-figurativ, also ohne soziales Narrativ, arbeiteten, zu durchbrechen", schreibt Lorine Speder. Schließlich beschloss er, "Gemälde nicht mehr zu malen, sondern zu machen", was in der Berliner Ausstellung bis zum 1. September zu sehen ist.

Metapher statt Nationalstil

In der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG stellt Stefan Trinks die Frage, "ob man heute noch national bauen kann." Er entführt uns mit seinem Bericht in Qatars Hauptstadt Doha, wo jetzt "das erste Museum einer Nation im 21. Jahrhundert" eröffnet wurde.
Die Frage nach dem nationalen Bauen beantwortet der Autor an diesem Beispiel:
"Heute scheint es ausgeschlossen, den einen gültigen Baustil oder Ausdruck für eine moderne Gesellschaft zu finden. An Stelle von Nationalstil ist heute die Metapher getreten, die paradoxerweise global unmissverständlich lesbar und mit dem jeweils beauftragenden Staatsgebilde verknüpft sein soll."
Wie das dem französischen Architekten Jean Nouvel gelang, wird in dem Beitrag in der FAZ anschaulich beschrieben.

Ost oder West? Hauptsache Lesen

In der TAZ gibt Paul Wrusch seine Eindrücke von der Lit Cologne wieder. Mantramäßig wird wiederholt, dass diese Veranstaltung als das größte Literaturfestival Europas gilt. "Nach 12 Tagen ging sie am Wochenende zu Ende, mit 95 Prozent Auslastung und 110000 Besuchern bei rund 200 Lesungen."
Die Leipziger Buchmesse meldete für diesen März 3.600 Veranstaltungen an 550 Orten und wirbt damit, dass während der Messetage "die gesamte Stadt und die Foren auf dem Messegelände zu einer riesigen Lesebühne" werden.
Sollte man nicht aufhören, die beiden Veranstaltungen in den traditionellen Buchstädten Ost und West gegeneinander aufzurechnen und stattdessen froh darüber sein, dass es zwei so renommierte Feste für das Buch und rund ums Lesen gibt?

Keine Romantisierung, keine Ostalgie

Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG lockt mit ihrer Rezension von "Aus der Traum (Kartei)" von Durs Grünbein ihre Leser in die Buchläden. Der "Dresdner mit Heimaten in Berlin und Rom" – so wird er von Bastian Reinert beschrieben - zeige in seinem Buch, warum er zu dem geworden ist, der er ist.
"Die 50 Texte des Essaybands dienen im Grunde einem einzigen Zweck: der Selbstverortung ihres Dichters", so der Rezensent. Zusammenfassend wertet Reinert:
"Grünbein lehnt alle Romantisierung der DDR ab, bei ihm gibt es keine Ostalgie, sondern immer wieder nur verunsichertes Staunen über den Aufbruch in die politische Kälte."
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