Aus den Feuilletons

"Der alte Westen ist tot"

Green Party politician Juergen Trittin speaks to MPs at a meeting of Green Party MPs at the Bundestag lower house of parliament in Berlin September 24, 2013. Chancellor Angela Markel presses on with the tough task of forming a government, with her potential centre-left allies of the SPD saying they were weighing options and would not be open for talks until a party meeting on September 27, 2013.
Der Außenpolitiker Jürgen Trittin (Bündnis 90/Die Grünen) © AFP / John Macdougall
Von Adelheid Wedel · 17.10.2018
"Es ist Zeit, sich ehrlich zu machen", stellt Jürgen Trittin der "FAZ" fest. Die Politik Europas und der Vereinigten Staaten im weiteren Nahen Osten stehe seit mehr als einem halben Jahrhundert unter dem Vorzeichen brutaler Interessenpolitik, so der Grünen-Politiker.
"Der alte Westen ist tot" stellt Jürgen Trittin im Feuilleton der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG fest und fragt: "Wie aber gehen wir mit dem politischen Erbe des Westens um, wenn es ihn nicht mehr gibt?" Die Antwort des Abgeordneten des Deutschen Bundestags – er ist auch Mitglied im Auswärtigen Ausschuss - überrascht. Er schreibt: "Es ist Zeit, sich ehrlich zu machen. Die Politik Europas und der Vereinigten Staaten im weiteren Nahen Osten stand seit mehr als einem halben Jahrhundert unter dem Vorzeichen brutaler Interessenpolitik."
Diese Aussage belegt er am Beispiel Iran, Irak und Libyen. Zusammenfassend heißt es: "Man muss mit keinem dieser Despoten Mitleid haben, aber sie alle waren lange Partner und nützliche Idioten Europas und Amerikas. Sie unterdrückten ihr Volk, traten die Menschenrechte mit Füßen. Lange klopften die angeblichen Verfechter der liberalen Ordnung ihnen dabei wohlmeinend auf die Schulter, bis sie ihnen aus strategischen Gründen ihre Gunst entzogen."

Über Europas Rolle

Das hatte schließlich Folgen, "denn in den Augen der Menschen dieser Region repräsentieren Europa und Amerika kein Wertebündnis. Es sind willkürlich koloniale Mächte. Und deren Politik hält bis heute an." Auch dafür gibt Trittin Beispiele: "... den saudischen Mördern jemenitischer Kinder liefern die Amerikaner für 100 Milliarden Dollar Waffen. Deutschland schickt den Saudis aus Wolgast auf Wunsch einer sozialdemokratischen Ministerpräsidentin Küstenschutzboote zum Aushungern der Menschen im Jemen. Und Merkel und Maas wollen den Saudis weiter Waffen liefern, trotz gegenteiliger Versprechungen im Koalitionsvertrag."
Sehr entschieden fordert Jürgen Trittin: "Bevor wir von uns behaupten, wir würden mit unserem Militär eine liberale Ordnung verteidigen, sollten wir anfangen, deren Werte selbst ernst zu nehmen." Wie er Europas Rolle heute und künftig sieht, welche Verantwortung der "alte Kontinent" seiner Meinung nach übernehmen muss und auch kann, ist nachzulesen im Feuilleton der FAZ.

Nicht der Wunschkandidat von Macron

Frankreich hat einen neuen Kulturminister, die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG stellt ihn vor. Joseph Hanimann verrät, der Neue, Franck Riester, sei nicht der Wunschkandidat von Macron. Der neue Minister, so heißt es, "wird vor allem die angekündigte Medienreform durchsetzen müssen." Zur politischen Karriere: Der 44-Jährige ist seit 2007 in der Nationalversammlung vertreten als Mitglied der konservativen Partei der Republikaner.

"Nach der Wahl Macrons 2017 gründete er mit einem Dutzend weiterer Abtrünniger die Partei Agir (zu Deutsch: Handeln), die sich rechts von der Mitte im Kunststück einer kritischen Unterstützung der Macron-Regierung übt." schreibt Hanimann. Riester gilt als Verfechter qualitätsvoller Unterhaltung. Auch gute Quizsendungen und Videospiele seien Kultur, erklärte er. Wir lesen: "Hocherfreut über die Ernennung" – an diesem Dienstag erfolgte die Amtsübergabe – "zeigen sich die französischen Organisationen für Urheberrechtsschutz im Musik- und Filmbereich."
Der französische Politiker Franck Riester
Der französische Politiker Franck Riester© dpa / picture alliance / Thomas Padilla

Melancholie der Spurensuche

Bei Durchsicht der Feuilletons vom Donnerstag fielen uns einige die Phantasie anregende Überschriften auf: "Die Insel der Vergessenen" oder "Wie klingt das Volk?" Ebenfalls in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG berichtet Cees Nooteboom im Zusammenhang mit Ahnenforschung über "die Melancholie einer Spurensuche." Dort fanden wir auch: "Geschichte als pittoresker Erlebnispark" oder im TAGESSPIEGEL: "Nazis gucken böse". Neugierig machte uns die Ankündigung in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN: "Womit der Klimawandel wirklich Schlagzeilen macht." Wir lesen weiter: "So richtig erschrocken reagiert der Deutsche wohl nur auf den Klimawandel, wenn er sein Auto bedroht - oder sein Bier." Der Klimawandel werde "zwangsläufig Auswirkungen auf den Preis von Gerste haben ... und dann würden sich die Bierpreise etwa verdoppeln", schreibt Ursula Scheer.

Die Autorin hat das mal durchgerechnet: "Wer sein Nettoeinkommen spaßeshalber gern in Bierkästen umrechnet, sieht einer Inflation von fünfzig Prozent entgegen." Das kann man sich dann wirklich nicht mehr schön trinken.
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